VwGH vom 26.04.1996, 95/17/0140
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde 1. der F-GesmbH, 2. der A-GesmbH & Co KG, beide in W, und 3. der N-GesmbH in G, sämtliche vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR - F 21/94, betreffend Vergnügungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid schrieb die belangte Behörde der Erstbeschwerdeführerin als Aufstellerin, der Zweitbeschwerdeführerin als Lokalinhaberin und der Drittbeschwerdeführerin als Eigentümerin "als Gesamtschuldnern ... gemäß § 6 Abs. 4 des Wiener Vergnügungssteuergesetzes, LGBl. Nr. 43/87" (im folgenden: Wr VergnStG 1987), in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 41/92, für das Halten von insgesamt zwölf Spielapparaten der Type "Supernova" im Betrieb der Zweitbeschwerdeführerin für die Zeit vom bis Juni 1993 eine Vergnügungssteuer im Betrag von S 648.000,-- vor. Gleichzeitig wurde den Beschwerdeführern wegen nicht fristgerechter Entrichtung der Vergnügungssteuer für acht dieser Apparate ein Säumniszuschlag von S 8.640,-- auferlegt.
Dabei ging die belangte Behörde im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
In dem zitierten Betrieb der Zweitbeschwerdeführerin seien vier Geräte mit einer Länge von je 132,5 cm aufgestellt, welche jeweils drei Spielbereiche für die Durchführung von Münzgewinnspielen aufwiesen. Jeder dieser Spielbereiche sei mit einem eigenen Münzeinwurfschlitz, einem Münzprüfer, einer Münzrückgabelade, einem Schieber, einem Münztableau und einer Entnahmemöglichkeit ausgestattet. Es bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, in jedem Spielbereich ein Münzgewinnspiel abzuführen. Die drei Spielbereiche seien jedoch derart miteinander verknüpft, daß bei Abwicklung eines Gewinnspieles in einem Spielbereich die beiden anderen Spielbereiche grundsätzlich blockiert seien, indem eine dort eingeworfene Münze den Münzprüfer nicht passiere, sondern über die Münzrückgabelade ausgeschieden werde. Nur bei (nahezu) gleichzeitigem Einwurf von Münzen in die Einwurfschlitze verschiedener Spielbereiche sei es möglich, daß beide Münzen den Münzprüfer passieren und keine Münzrückgabe erfolge. Dennoch werde - entsprechend einem geringfügigen zeitlichen Zuvorkommen - nur in einem Spielbereich ein Spiel eröffnet, was sich insbesondere daran zeige, daß die rote Taste neben dem Münzprüfer des entsprechenden Spielbereiches beleuchtet sei. Die andere Münze gelange nicht ins Spiel und eröffne auch keine Gewinnmöglichkeiten. Bewirke das Eintreffen einer solchen Münze auf dem Münztableau das Herabfallen von Münzen, so erfolge kein Auswurf eines Gewinnes über die dem Spielbereich zugehörige Entnahmemöglichkeit, vielmehr gelangten solche Münzen wiederum in die Kassa.
Rechtlich führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen aus, die drei Spielbereiche eines Gerätes seien nur dann als einheitlicher Apparat aufzufassen, wenn es unmöglich sei, diese durch mehrere Personen gleichzeitig in Betrieb zu nehmen. Während des Spieles eines Benützers müsse jeder andere potentielle Benützer gehindert sein, den Apparat in Gang zu setzen. Da eine Ausscheidung nahezu gleichzeitig eingeworfener Münzen über die Münzrückgabe nicht gewährleistet sei und das Publikum auch nicht auf eine allfällige Unzulässigkeit eines nahezu gleichzeitigen Einwurfes von Münzen hingewiesen werde, sei auch der sich im nichtaktivierten Spielbereich vollziehende Vorgang aus der Sicht des Publikums ein (verlorenes) Spiel, welches in einem solchen Fall gleichzeitig mit jenem im aktivierten Spielbereich stattfinde. Aus diesem Grund stellten die vier im Betrieb der Zweitbeschwerdeführerin aufgestellten Geräte nicht vier, sondern insgesamt zwölf Apparate im Sinne des § 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 dar.
Die Steuer errechne sich daher wie folgt:
12 Apparate x 3 Monate x S 18.000,-- = S 648.000,--.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht, nicht entgegen der Bestimmung des § 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 besteuert und mit einem Säumniszuschlag belegt zu werden, verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragen, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 lautet:
"(4) Für das Halten von Apparaten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so z.B. Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden kann oder bei denen das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig ist, oder von Apparaten, durch deren Betätigung optisch bzw. akustisch eine aggressive Handlung, wie beispielsweise die Verletzung oder Tötung von Menschen oder die Bekämpfung von Zielen, womit üblicherweise die Verletzung oder Tötung von Menschen verbunden ist, dargestellt wird, beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat 18.000 S."
Auf Basis dieser Rechtslage ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittig, ob die im Abgabenzeitraum im Betrieb der Zweitbeschwerdeführerin aufgestellten Geräte - wie von den Beschwerdeführern einbekannt - vier, oder aber zwölf Apparate im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung darstellen.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die zwischen den Parteien unstrittige Rechtsauffassung der belangten Behörde, wonach die einzelnen Spielbereiche jedenfalls dann nicht als selbständige Apparate anzusehen sind, wenn diese konstruktiv dergestalt miteinander verbunden sind, daß während der Abwicklung eines Spieles in einem solchen Bereich jene in den beiden anderen ausgeschlossen ist.
Bei nicht (nahezu) gleichzeitigem Einwurf von Münzen ist diese funktionelle Verknüpfung durch den Münzprüfer gewährleistet, der die später eingeworfene Münze nicht passieren, sondern über die Münzrückgabe ausscheiden läßt. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde stellt aber auch der bei (nahezu) gleichzeitigem Einwurf von Münzen festgestellte Geschehensablauf im nichtaktivierten Spielbereich kein "Spiel", bei dem ein Gewinn in Geld oder Geldeswert oder auch nur ein (sonstiges) Spielergebnis erzielt werden könnte, dar. Vielmehr erweist sich der festgestellte Vorgang im nichtaktivierten Bereich - auch aus dem Blickwinkel eines durchschnittlich informierten Spielers - als Fehlfunktion des Gerätes. Diese tritt in jedem Fall äußerlich dadurch in Erscheinung, daß die die Freigabe des Spielbereiches anzeigende rote Taste neben dem Münzprüfer - und auch (was von der Berufungsbehörde trotz diesbezüglicher Anhaltspunkte im Verwaltungsakt nicht festgestellt wurde (vgl. S. 71 des Verwaltungsaktes)) die akustische Spielanzeige - nicht aktiviert wird. Für den Fall, daß der Münzeinwurf das Herabfallen anderer Münzen vom Münztableau bewirkt, manifestiert sich die Fehlfunktion auch darin, daß kein Auswurf solcher Münzen über die Entnahmemöglichkeit erfolgt. Der Kunde hat somit einen Spieleinsatz geleistet, ohne hiefür an einem Spiel teilgenommen zu haben, woraus ihm zivilrechtlich ein Anspruch auf Rückzahlung seines Spieleinsatzes analog § 1435 ABGB (condictio causa data, causa non secuta) erwächst.
Da ein gleichzeitiges Spiel in den einzelnen Spielbereichen aufgrund dieser Erwägungen ausgeschlossen ist, ist EIN drei solchermaßen verknüpfte Spielbereiche umfassendes Gerät auch nur als EIN Apparat im Sinne des § 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 aufzufassen.
Indem die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid vom Vorliegen von zwölf - statt richtig von vier - Spielapparaten ausgegangen ist, hat sie ihn mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung wurde aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf die den Zuspruch eines Streitgenossenzuschlages ausschließende Bestimmung des § 53 Abs. 1 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war lediglich die Einbringung der Beschwerde in zweifacher Ausfertigung sowie die Vorlage einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides erforderlich.