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VwGH vom 26.04.1996, 95/17/0033

VwGH vom 26.04.1996, 95/17/0033

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der Marktgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. R/1-V-94035/00, betreffend Vorstellung gegen die Zurückweisung einer Berufung i.A. einer Aufschließungsabgabe (mitbeteiligte Parteien: DA und HA, beide in B, beide vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,--, jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem an "MK und Mitbesitzer" gerichteten Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Partei vom wurden aus Anlaß der Erklärung der Grundstücke Nr. 175/1, 175/2, 175/3 und 175/4, je der KG B, zu Bauplätzen gemäß § 14 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der Niederösterreichischen Landesregierung LGBl. 8200-0 (im folgenden: NÖ BauO 1976), Aufschließungsbeiträge wie folgt vorgeschrieben:

für die Parzelle Nr. 175/1 S 178.128,--

für die Parzelle Nr. 175/2 S 160.551,--

für die Parzelle Nr. 175/3 S 121.959,--

für die Parzelle Nr. 175/4 S 133.945,--.

Im Spruch findet sich die Aussage, wonach bei Vorliegen von Miteigentum mit der Zustellung der Bescheidausfertigung an einen Miteigentümer die Zustellung an alle Miteigentümer als vollzogen gilt, wenn kein Zustellungsbevollmächtigter bekanntgegeben wurde.

Die Adressierung des Rückscheines erfolgte an "MK u. Mbs.". Nach dem Inhalt des Rückscheines wurde die Sendung nach einem Zustellversuch am beim Postamt B hinterlegt. Beginn der Abholfrist war ebenfalls der .

Mit einer am eingelangten Eingabe ersuchten die mitbeteiligten Parteien um Bescheidzustellung an sie, falls sie als "Mitbesitzer" gemeint sein sollten. Vorsichtshalber erhoben die mitbeteiligten Parteien gegen diesen Bescheid auch Berufung.

Mit Bescheid vom wies der Gemeinderat der beschwerdeführenden Partei diese Berufung unter ausdrücklicher Angabe des Zurückweisungsgrundes im Spruch als verspätet zurück. Aus dem Grunde des § 76 Abs. 1 NÖ AO 1977 gelte die Zustellung des Abgabenbescheides an die mitbeteiligten Parteien als Miteigentümer der in Rede stehenden Liegenschaften mit der Zustellung der Bescheidausfertigung an "MK und Mitbesitzer" am als vollzogen. Die Berufungsfrist habe mit geendet. Die Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien Vorstellung, in der sie ausführten, MK sei urlaubsbedingt im Zeitraum zwischen und nicht an der Zustelladresse aufhältig gewesen. Aus dem Grunde des § 17 Abs. 3 ZustellG sei die Zustellung an dem auf die Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag, hier am , wirksam geworden. Die am zur Post gegebene Berufung sei daher rechtzeitig.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der mitbeteiligten Parteien Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurück. Dabei äußerte die Aufsichtsbehörde folgende die Aufhebung tragende Rechtsansicht:

"Nach den verfahrensrechtlichen Bestimmungen - hier die §§ 203 bzw. 208 der NÖ Abgabenordnung 1977 - sind verspätet eingebrachte Berufungen zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits mehrfach ausgesprochen, daß im Falle eines vermutlich verspäteten Rechtsmittels die Behörde die Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist dem Rechtsmittelwerber vor ihrer Entscheidung vorzuhalten hat, ansonst sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Gegenständlich wurde den Ehegatten Aue die Möglichkeit entzogen, ihre Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Zustellung - mit denen sich die Berufungsbehörde schließlich auseinandersetzen hätte müssen - vorzubringen.

Somit wurden durch den nunmehr angefochtenen Bescheid Rechte der Vorstellungswerber verletzt und ist spruchgemäß zu entscheiden."

Darüberhinaus erörterte die Vorstellungsbehörde - wie auch schon der Gemeinderat der beschwerdeführenden Partei und die Vorstellungswerber - die Frage, ob die Abgabenvorschreibung durch die erstinstanzliche Gemeindebehörde rechtmäßig war oder nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet sich in ihren Rechten insofern verletzt, als "ihr eine gesetzeskonforme Anwendung der NÖ Abgabenordnung 1977 und der NÖ Bauordnung 1976 nicht möglich gemacht wird".

Damit ist der Beschwerdepunkt erkennbar dahingehend formuliert, daß sich die beschwerdeführende Gemeinde in ihrem Recht darauf, daß ein im eigenen Wirkungsbereich letztinstanzlich erlassener Abgabenbescheid nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, nämlich einer Rechtsverletzung des Vorstellungswerbers, durch die Aufsichtsbehörde behoben wird, verletzt erachtet. Beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - wie auch die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die mitbeteiligten Parteien haben in formeller Hinsicht gegen die Beschwerde eingewendet, daß die behauptete Beauftragung und Bevollmächtigung des Vertreters der beschwerdeführenden Partei durch deren Bürgermeister allein nicht wirksam sei.

Dem ist jedoch zu entgegnen, daß gemäß § 37 Abs. 1 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der Niederösterreichischen Landesregierung LGBl. 1000-0 (im folgenden: NÖ GO 1973), der Bürgermeister die Gemeinde nach außen hin vertritt. Eine Einschränkung der Vertretungsmacht nach außen etwa in der Richtung, daß Vertretungshandlungen des Bürgermeisters ohne einen Beschluß des im Innenverhältnis zur Geschäftsführung zuständigen Organes keine Wirksamkeit entfalten würden, sieht dieses Gesetz nicht vor. Mögen auch nach § 35 Abs. 2 Z. 10 NÖ GO 1973 dem Gemeinderat Beschwerden und Klagen an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof vorbehalten sein, so betrifft dies nur das Innenverhältnis. Wenn daher der Bürgermeister, der zur Vertretung nach außen berechtigt ist, einen Rechtsanwalt mit der Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde betraute, so kann dies, selbst wenn dem keine Beschlußfassung des im Innenverhältnis zuständigen Gemeindeorganes zugrundegelegen sein sollte, nicht zu einer Zurückweisung der Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/17/0101).

Der zulässigen Beschwerde kommt jedoch aus nachstehenden Erwägungen keine Berechtigung zu. Die beschwerdeführende Gemeinde vertritt die Auffassung, der erstinstanzliche Bescheid sei aus dem Grunde des § 76 Abs. 1 NÖ AO 1977 am "ordnungsgemäß" an "MK und Miteigentümer" zugestellt worden; es wäre Sache der mitbeteiligten Parteien gewesen, bereits in ihrer Berufung ihre Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Zustellung vorzubringen.

Diese Ausführungen vermögen der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil durch die vom Bürgermeister der beschwerdeführenden Partei gewählte Bescheidfassung und Zustellung an MK keine wirksame Erlassung eines an die mitbeteiligten Parteien gerichteten Bescheides im Sinne der §§ 76 und 151 NÖ LAO 1977 erfolgte. Auch diese Regelungen normieren keine Ausnahme von dem Grundsatz, daß der Bescheidadressat aus dem Bescheid zumindestens erkennbar sein muß. Die Verwendung der Beifügungen "und Mitbesitzer" bzw. "u. Mbs." läßt jedoch nicht erkennen, gegenüber welchen anderen Adressaten als MK die Behörde (allenfalls im Sinne der §§ 76 und 151 NÖ LAO 1977 durch Zustellung eines einzigen Bescheides an einen der Verpflichteten) den Bescheid erlassen wollte. §§ 76 und 151 NÖ LAO 1977 setzen voraus, daß die Erledigung an mehrere Personen GERICHTET ist, was deren NENNUNG im normativen Teil des Bescheides voraussetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0270).

Man kann auch nicht davon ausgehen, daß der Bürgermeister den Bescheid an eine Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit adressieren wollte, weil eine derartige hier als Abgabepflichtiger in Betracht kommende Personengemeinschaft nicht vorliegt.

Die Berufung der mitbeteiligten Parteien wäre vom Gemeinderat der beschwerdeführenden Partei daher zurückzuweisen gewesen, WEIL SIE NICHT BESCHEIDADRESSATEN WAREN. Die von der Berufungsbehörde in ihrem Spruch ausdrücklich vorgenommene Zurückweisung der Berufung wegen Verspätung ist hinsichtlich ihres normativen Gehaltes einer Zurückweisung wegen des Fehlens einer anfechtbaren erstinstanzlichen Entscheidung nicht gleichzusetzen, setzt doch jene denknotwendig das Vorliegen einer erstinstanzlichen Entscheidung gegenüber den mitbeteiligten Parteien voraus, deren Rechtskraft infolge eines Zurückweisungsbescheides wegen Verspätung des Rechtsmittels feststünde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 83/10/0254, 0255, und vom , Zl. 93/01/0259).

Durch die rechtskraftfähige unzutreffende Entscheidung des Gemeinderates der beschwerdeführenden Partei, der erstinstanzliche Abgabenbescheid sei gegenüber den mitbeteiligten Parteien in Rechtskraft erwachsen, wurden diese in subjektiven Rechten verletzt. Im Hinblick auf diese Rechtsverletzung der Vorstellungswerber durch den mit Vorstellung bekämpften Berufungsbescheid wurden durch dessen Aufhebung keine subjektiven Rechte der beschwerdeführenden Partei verletzt.

Eine Bindung an die einem kassatorischen aufsichtsbehördlichen Vorstellungsbescheid beigegebene Begründung besteht nur insoweit, als letztere für die Aufhebung des mit Vorstellung bekämpften gemeindebehördlichen Bescheides tragend ist, wobei es einer AUSDRÜCKLICH geäußerten Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde bedarf (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/17/0060). Die oben wiedergegebene tragende Begründung des Vorstellungsbescheides enthält keine ausdrücklich geäußerte Rechtsansicht, wonach die Adressierung des erstinstanzlichen Abgabenbescheides dessen wirksame Zustellung an die mitbeteiligten Parteien ermöglicht habe. Die Zugehörigkeit des angefochtenen Vorstellungsbescheides zum Rechtsbestand hindert die Berufungsbehörde daher nicht daran, nunmehr gesetzeskonform mit einer Zurückweisung der Berufung wegen des Fehlens einer anfechtbaren erstinstanzlichen Entscheidung vorzugehen.

Die Ausführungen der Vorstellungsbehörde zur inhaltlichen Richtigkeit des erstinstanzlichen Bescheides bilden keine tragenden Gründe der vorliegenden Aufhebung, hatte die Vorstellungsbehörde im vorliegenden Fall doch ausschließlich die Rechtmäßigkeit der zurückweisenden Entscheidung der Berufungsbehörde zu überprüfen. Auf die inhaltlichen Ausführungen in der Beschwerde zu diesem Teil der Vorstellungsentscheidung war daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.