VwGH vom 29.01.1997, 95/16/0327
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der H in B, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-800/95, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Alleinerbin nach ihrem am verstorbenen Ehegatten Karl C. Im Inventar der Verlassenschaft war unter den Aktiven unter anderem eine im Alleineigentum des Erblassers befindliche Liegenschaft mit einem Einheitswert von S 279.000,-- enthalten. Unter den Passiven wurden "Leistungen" der Beschwerdeführerin "zur Errichtung des Hauses mit Garage" im Betrag von S 250.000,-- ausgewiesen.
In den Akten erliegt ein Schreiben des Beschwerdevertreters an den Gerichtskommissär vom , wonach auf der in Rede stehenden Liegenschaft aus Mitteln beider Ehegatten (des Erblassers und der Beschwerdeführerin), welche beide berufstätig gewesen seien, nach 1960 ein Haus mit einer Doppelgarage errichtet worden sei; hiezu seien die Mittel beider Ehegatten aufgewendet worden. Daraus "resultiere" eine Forderung der Beschwerdeführerin in der Höhe von S 250.000,--.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern schrieb der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom Erbschaftssteuer in Höhe von insgesamt S 7.095,-- vor. Dabei wurde der angeführte Betrag von S 250.000,-- nicht als Nachlaßverbindlichkeit anerkannt.
In der Berufung gegen den Erbschaftssteuerbescheid wurde auf den entsprechenden Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes verwiesen.
Das Finanzamt erließ eine die Berufung abweisende Berufungsvorentscheidung. In der Begründung verwies das Finanzamt darauf, daß ein "Nachweis über die getätigten Zahlungen" nicht erbracht worden sei.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei sie die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung begehrte.
Weiters wurde in diesem Antrag ausgeführt:
"Die Frage, ob die passivierten Leistungen erbracht wurden oder nicht, hat sich bisher nicht einmal ansatzweise gestellt."
Mit einem Vorhalt vom wurde die Beschwerdeführerin nach dem Rechtsgrund der Forderung von S 250.000,--, der allfälligen Vereinbarung einer Rückzahlungsverpflichtung und der Ermittlung dieses Betrages gefragt.
In einer Eingabe vom wurde vom Beschwerdevertreter wörtlich ausgeführt:
"Die Forderung stützt sich auf jeden wie immer gearteten denkbaren Rechtsgrund.
Die Ehefrau hat aus den eigenen Bezügen, zumal sie einem eigenen Verdienst nachging, Beträge in die Errichtung des Hauses gesteckt, welche Liegenschaft im Alleineigentum des Ehemannes stand.
Die Summe ergibt den begehrten und im übrigen vom Gericht anerkannten Betrag im Minimum, da meine Mandantin der Ansicht ist, noch höhere Beträge investiert zu haben.
Schon deshalb, weil eine kürzere Verjährungsfrist nicht vorliegt, hat die 30-jährige Verjährungszeit zu gelten."
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Im wesentlichen verwies die belangte Behörde in ihrer Begründung darauf, daß die Frage nach einer Vereinbarung über eine Rückzahlung nicht beantwortet, keinerlei Belege vorgelegt und trotz Aufforderung die Ermittlung des Forderungsbetrages nicht dargestellt worden sei. Die belangte Behörde zog daraus den Schluß, daß eine Forderung in der behaupteten Höhe nicht bestanden habe.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 ErbStG gilt als Erwerb der gesamte Vermögensanfall an den Erwerber. Für die Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten ist zunächst erforderlich, daß eine rechtliche Verpflichtung zu einer Leistung aus dem Nachlaß besteht. Dabei ist nicht nur der rechtliche Bestand der Schuld entscheidend, sondern es muß auch eine tatsächliche und wirtschaftliche Belastung des Leistungsverpflichteten vorliegen, weshalb auch eine bürgerlich-rechtliche Schuld nur dann eine steuerlich zu berücksichtigende Vermögensminderung darstellt, wenn am Stichtag mit der Geltendmachung der gegenüberstehenden Forderung ernsthaft gerechnet werden mußte (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 88/14/0173).
Im Sinne des § 115 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Voraussetzung für derartige amtswegige Ermittlungen ist dabei zunächst, daß von den Parteien konkrete Behauptungen über das Vorliegen eines für das Bestehen und den Umfang der Abgabepflicht maßgebenden Sachverhaltes aufgestellt werden. Ist dabei die entsprechend der Interessenslage durch die subjektive Behauptungspflicht belastete Verfahrenspartei diesem Erfordernis nicht nachgekommen, hat sie also entsprechende Tatsachen nicht behauptet, dann vermag sie wegen des Verstoßes gegen die Behauptungslastregel ihre geltend gemachten Ansprüche nicht durchzusetzen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1277). Dabei ist die Abgabenbehörde an die in einem Inventar ausgewiesenen Werte im Sinn des § 116 Abs. 2 BAO schon deswegen nicht gebunden, weil es sich hiebei nicht um eine der Rechtskraft fähige Entscheidung handelt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 88/16/0235).
Die - im Verwaltungsverfahren durch einen Rechtsanwalt vertretene - Beschwerdeführerin hat trotz mehrmaliger Vorhalte - zu denen auch die entsprechend begründete Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes zu zählen ist - keinerlei Angaben über die Umstände gemacht, die zum Entstehen der behaupteten Forderung geführt haben könnten. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin etwa keine Darstellung ihrer Erwerbstätigkeit (Art der Tätigkeit, allfälliger Dienstgeber, allfällige konkrete Einkünfte aus einer solchen Tätigkeit) gegeben hat, bietet der Umstand allein, daß sie "Eigenmittel in einen Hausbau gesteckt" habe, keinerlei Hinweis auf den Bestand einer daraus resultierenden Geldforderung gegen den Erblasser im Zeitpunkt seines Todes. Derartige Zuwendungen an den Ehegatten zur Errichtung einer gemeinsamen Ehewohnung werden vielmehr im Regelfall ohne Vereinbarung einer entsprechenden Rück- oder Gegenleistung, also freigebig erfolgen bzw. erklären sich aus der partnerschaftlichen Gestaltung der ehelichen Wohn- und Lebensverhältnisse; eine davon abweichende ausdrückliche Überlassung von rückforderbaren Geldmitteln auf Grund eines Darlehens- oder Kreditvertrages wurde von der Beschwerdeführerin trotz mehrmaligen entsprechenden Vorhaltes nach Darstellung des Rechtsgrundes für die geltend gemachte Schuldforderung eben gerade nicht behauptet. Die Beschwerdeführerin hat somit nicht einmal entsprechende Behauptungen über den rechtlichen Bestand einer Geldforderung aufgestellt, geschweige denn darüber, auf Grund welcher Umstände nach rund dreißig Jahren mit der Geltendmachung der Forderung gegen den Erblasser ernsthaft gerechnet hätte werden müssen. Da von der Beschwerdeführerin somit ein für den Bestand einer Forderung im Zeitpunkt des Todes des Erblassers maßgeblicher Sachverhalt gar nicht behauptet geschweige denn unter Beweis gestellt worden ist, erweist sich die Beschwerde als unbegründet.
Soweit die Beschwerdeführerin auf den Umstand, daß die Einantwortung ob der gegenständlichen Liegenschaft mit der Beschränkung eines Substitutionslegates erfolgte, hinweist, ist nicht erkennbar, welcher Zusammenhang mit der Absetzbarkeit der behaupteten Schuldforderung von S 250.000,-- bestehen könnte.
Der Rüge der Beschwerdeführerin, es sei entgegen ihrem Antrag ohne eine mündliche Verhandlung entschieden worden, ist entgegenzuhalten, daß mündliche Verhandlungen im Sinne des § 284 BAO nur im Verfahren vor dem Berufungssenat
(vgl. § 270 BAO) vorgesehen sind. Die Entscheidung über Berufungen obliegt dem Berufungssenat jedoch nur in den im § 260 Abs. 2 BAO taxativ aufgezählten Fällen; da dort Berufungen gegen Erbschaftssteuerbescheide nicht genannt sind, hatte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdefall zu unterbleiben. Im übrigen wurde der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren ausreichend Gelegenheit gegeben, "die Stichhältigkeit ihrer Forderung zu beweisen", welche Gelegenheit aber von ihr in keiner Weise genützt worden ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.