VwGH vom 23.02.2005, 2001/14/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der J GesnbR in W, vertreten durch Dr. Günther Steiner, Dr. Anton Krautschneider und Dr. Erich Jungwirth, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Trautsongasse 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat II) vom , GZ. RV/380- 15/10/2000, betreffend Umsatzsteuer und Feststellung von Einkünften für die Jahre 1994 bis 1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Abspruch über die Umsatzsteuer 1994 bis 1996 wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt eine Friedhofsgärtnerei samt Blumenkiosk.
Bei einer den Zeitraum 1994 bis 1998 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin die von ihr weiter zu verarbeitenden bzw. weiter zu verkaufenden Pflanzen zum überwiegenden Teil auf dem Großmarkt zugekauft habe. Die Rechnungen über die gekauften Pflanzen enthielten keine Mengenangaben, sondern nur die Sammelbezeichnung "Schnittblumen und Bindegrün" sowie den pauschalen Rechnungsbetrag. Nähere Angaben über die eingekaufte Menge bzw. eine Aufgliederung der Sammelbezeichnung "Schnittblumen und Bindegrün" hätten weder der steuerliche Vertreter nach Rücksprache mit der Beschwerdeführerin noch der Lieferant machen können. Erhebungen beim Lieferanten hätten ergeben, dass dieser nur bei Verkäufen an diverse Hotels und die Magistratsabteilung 43 Lieferscheine mit Menge und genauer Bezeichnung der Ware ausstelle. Bei Verkäufen auf dem Großmarkt würden nach Angaben des Lieferanten aus Zeitmangel üblicherweise nur Rechnungen ohne Mengenangabe mit den Bezeichnungen "diverse Blumen" oder "verschiedene Blumen" ausgestellt. In der Folge vertrat der Prüfer die Auffassung, dass für diese Lieferungen kein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden könne, weil Menge und handelsübliche Bezeichnung nicht in den Rechungen aufschienen. Sammelbegriffe oder Gattungsbezeichnungen wie Schnittblumen und Bindegrün stellten keine handelsübliche Bezeichnung dar. Eine Identifizierung der erbrachten Lieferungen sei auch unter Heranziehung anderer Erkenntnismittel nicht möglich. Auch die Betrachtung der Umsatzseite der Beschwerdeführerin biete keinen Aufschluss über Art und Menge der zugekauften Pflanzen. Es obliege dem zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer die Ausstellung einer entsprechenden Rechnung zu verlangen.
Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren u.a. entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1994 bis 1996.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass auf dem Großmarkt andere Mengenangaben und handelsübliche Bezeichnungen gewählt würden als im Einzelhandel. Es wäre unzumutbar, beim Handel auf einem Großmarkt, wo Handelsgeschäfte in kurzer Zeit abgewickelt werden, die Einzelhandelsbezeichnung auf jeder Rechnung anzuführen. Die geforderte Aufgliederung in der Rechnung erfolge nur bei vorher bestellter Ware, wie dies bei den vom Prüfer angeführten Hotels und der Magistratsabteilung der Fall sei. Im Fall der Beschwerdeführerin werde die Ware nicht vorbestellt. Vielmehr besuche die beauftragte Einkäuferin ein- bis zweimal wöchentlich den Großmarkt und wähle die Ware selbst aus. Der Preis werde vor Ort pauschal für Schnittblumen und Bindegrün abgemacht und hierüber eine Rechnung ausgestellt. Es gehöre zum Wesen des Großhandels, dass nicht einzelne Stücke z.B. Rosen nach Farbe, Länge, Herkunft und Ähnlichem differenziert gehandelt würden, sondern für pauschale Mengen Schnittblumen der Zuschlag erteilt werde. Auch der österreichische Zolltarif und die Anlage zu § 10 Abs. 2 und § 24 UStG 1994 sähen eine Untergliederung in Schnittblumen und Bindegrün vor.
Nach näher angeführter Lehrmeinung diene das Erfordernis, Menge und handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände auf der Rechnung anzugeben, vor allem der Überwachung, ob die Umsätze für das Unternehmen oder für den Privatbedarf des Unternehmers bewirkt worden seien bzw. ob sie zur Ausführung steuerpflichtiger oder steuerfreier Umsätze verwendet würden. Die Bezeichnung der Leistung könne allerdings immer nur ein Indiz dafür sein, ob die Leistung für das Unternehmen ausgeführt worden sei. Bestünden daran aus anderen Gründen keine Zweifel, wäre es unsachlich, den Vorsteuerabzug an der Leistungsbezeichnung scheitern zu lassen.
Der Darstellung des Prüfers, wonach auch die Betrachtung der Umsatzseite keinen Aufschluss über Art und Menge der zugekauften Pflanzen biete, sei entgegenzuhalten, dass dem Prüfer umfangreiche Unterlagen zur Kalkulation und zum Verkauf vorgelegt worden seien. Es sei insbesondere dargelegt worden, wie viele einzelne Schnittblumen für das Binden von Kränzen und Gestecken nötig seien. Die Zahl der verkauften Gebinde und Kränze innerhalb einer Periode sei durchaus nachvollziehbar. Weiters seien die einzelnen Eingangsrechnungen auf einzelne Schnittblumenuntersorten und deren Zahl mit ziemlicher Genauigkeit rückgerechnet worden. Diese Kontrollrechnungen hätten ergeben, dass die zugekauften Blumen und das Bindegrün im Unternehmen verwendet worden seien. Abgesehen davon sei wohl nicht davon auszugehen, dass Schnittblumen im Einkaufswert "von einigen S 100.000,-- pro Jahr" dem Privatgebrauch dienten.
Mit dem angefochtenen Bescheid blieb der Berufung ein Erfolg versagt. Begründend führte die belangte Behörde aus, Voraussetzung für den Vorsteuerabzug sei eine Rechnung, die alle Merkmale des § 11 UStG enthalte. Fehle ein Merkmal, stelle dies nicht bloß ein Formgebrechen dar, sondern mangle es am gesetzlichen Tatbestand für den Vorsteuerabzug. Da die vorliegenden Rechnungen keine Mengenangaben enthielten und die gelieferten Waren lediglich mit Sammelbegriffen bezeichnet seien, könne die darin ausgewiesene Vorsteuer nicht abgezogen werden. Die Verwendung von Sammelbegriffen erscheine auch deshalb bedenklich, weil gerade die in den vorgelegten Belegen ausgewiesenen Waren zur Deckung des Eigenbedarfs geeignet erschienen und daher eine besonders genaue Deklaration erforderlich sei.
Eine für die Gewährung des Vorsteuerabzugs ausreichende Bezeichnung sei nicht gegeben, wenn die Angaben im Abrechnungspapier entweder unrichtig oder so ungenau seien, dass sie eine Identifizierung des Leistungsgegenstandes nicht ermöglichten. Die Bezeichnung "Schnittblumen und Bindegrün" sei so allgemein, dass daraus nicht ersichtlich sei, welche Ware (Rosen, Tulpen etc.) tatsächlich geliefert worden sei. Überdies habe der Lieferant niederschriftlich bekannt gegeben, dass bezüglich der zu beurteilenden Eingangsrechnungen keine konkreten Angaben über die Menge der Waren ("diverse") gemacht worden seien. Da die Rechnungen die geforderten Merkmale nicht aufwiesen, sei der Vorsteuerabzug zu Recht versagt worden.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Vorsteuerabzug verletzt.
Gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 77/388/EWG muss der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, eine nach Art. 22 Abs. 3 ausgestellte Rechnung besitzen.
Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie (in der Fassung vor der Richtlinie 2001/115/EG vom ) lautet auszugsweise:
"a) Jeder Steuerpflichtige hat für die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen, die er an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt, eine Rechnung oder ein an deren Stelle tretendes Dokument auszustellen. ...
b) Die Rechnung muss getrennt den Preis ohne Steuer und den auf die einzelnen Steuersätze entfallenden Steuerbetrag sowie gegebenenfalls die Steuerbefreiung ausweisen.
c) Die Mitgliedsstaaten legen die Kriterien fest, nach denen ein Dokument als Rechnung betrachtet werden kann."
Art. 22 Abs. 3 lit. c überlässt den Mitgliedsstaaten die Aufstellung der Kriterien, nach denen ein Dokument als Rechnung betrachtet werden kann. Diese Befugnis muss im Einklang mit einem der Ziele der Richtlinie ausgeübt werden, das darin besteht, die Erhebung der Mehrwertsteuer und ihre Überprüfung durch die Steuerverwaltung sicherzustellen (vgl. die und 330/87, Jeunehomme und EGI, Slg. 1988, 4517, Randnr. 16 und 17, sowie vom , Rs. C-141/96, Finanzamt Osnabrück-Land gegen Bernhard Langhorst, Slg. 1997, I-5073, Randr. 17). Demnach können die Mitgliedsstaaten, um die genaue Erhebung der Mehrwertsteuer und ihre Überprüfung durch die Steuerverwaltung sicherzustellen, verlangen, dass die Rechnungen zusätzliche Angaben enthalten, sofern diese Angaben nicht durch ihre Zahl oder ihre technische Kompliziertheit die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (vgl. , Reisdorf, Slg. 1996, I-6257, Randnr. 24).
Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1972 bzw. UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen.
§ 11 Abs. 1 Z 3 UStG 1972 bzw. UStG 1994 verlangt, dass in der Rechnung Menge und handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder Art und Umfang der sonstigen Leistung enthalten sind.
Als handelsübliche Bezeichnung kann jede im allgemeinen Geschäftsverkehr für einen Gegenstand allgemein verwendete Bezeichnung angesehen werden. Das Gesetz normiert die entsprechende Bezeichnung der Ware in der Rechnung, um die Erhebung der Mehrwertsteuer und die Überprüfung des Vorsteuerabzuges durch die Abgabenbehörde sicherzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0220). Ob auch Sammelbezeichnungen dem Erfordernis entsprechen, "Menge und handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände" anzuführen, wird von den Umständen des Einzelfalles, wie etwa der jeweiligen Handelsstufe, Art und Inhalt des Geschäftes und insbesondere dem Wert der einzelnen unter einer Sammelbezeichnung erfassten Ware, abhängen.
Die Beschwerdeführerin brachte im Verwaltungsverfahren vor, dass es im Großhandel üblich sei, Schnittblumen und Bindegrün vor Ort zu einem vereinbarten Pauschalpreis zu erwerben. Aufgrund des Zeitdrucks würden keine genau aufgeschlüsselten Rechnungen erstellt. Auch die anderen Kunden ihres Lieferanten hätten gleich lautende Rechnungen ausgestellt erhalten. Nur Kunden, die die Ware im vorhinein schriftlich bestellt hätten, hätten eine den Bestellungen entsprechende detaillierte Rechnung erhalten. Dieses Vorbringen wurde durch den Lieferanten der Beschwerdeführerin über Befragung durch ein Organ der Betriebsprüfung bestätigt.
Ohne auf dieses Vorbringen näher einzugehen, stellte die belangte Behörde fest, dass die gelieferten Pflanzen nicht mit der handelsüblichen Bezeichnung beschrieben seien. Diese Begründung vermag den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen, weil die belangte Behörde in keiner Weise darlegt, aufgrund welcher Ermittlungen sie zu dem Ergebnis kommt, dass die Bezeichnung im gegebenen Zusammenhang nicht als handelsüblich angesehen werden kann. Ebenso fehlen Feststellungen, welche Bezeichnungen und Mengenangaben statt den vom Lieferanten der Beschwerdeführerin verwendeten handelsüblich seien. Wie die Geschäfte auf einem "Blumengroßmarkt" abgewickelt werden, ob "pauschale Zuschläge" üblich oder konkretere Mengenangaben - auch unter Berücksichtigung des beschriebenen Zeitdrucks - allgemein gebräuchlich sind, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Im Übrigen wurden die beanstandeten Rechnungen nicht vorgelegt.
Indem die belangte Behörde - ohne sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin konkret auseinander zu setzen und ohne eigene Feststellungen über die im gegebenen Zusammenhang handelsüblichen Bezeichnungen und Mengenangaben zu treffen - davon ausgegangen ist, dass die Rechnungen die gesetzlich geforderten Merkmale nicht aufweisen, hat sie den Bescheid mit einem wesentlichen Begründungsmangel belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher in dem durch den Beschwerdepunkt abgesteckten Prüfungsrahmen, somit in seinem Abspruch über die Umsatzsteuer gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Soweit mit dem angefochtenen Bescheid auch über eine Berufung betreffend Einkünftefeststellung abgesprochen wird, erweist sich die Beschwerde, die den angefochtenen Bescheid zwar ohne Einschränkung bekämpft, aber weder im Beschwerdepunkt noch in den sonstigen Beschwerdeausführungen ein Sachvorbringen zur Einkünftefeststellung enthält, hingegen als unbegründet und war deshalb insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am