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VwGH vom 15.02.2006, 2001/13/0291

VwGH vom 15.02.2006, 2001/13/0291

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel, LL.M., über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat V) vom , Zl. RV/582-16/02/99, betreffend Einkommensteuer 1997 (mitbeteiligte Partei: Dr. HS in W, vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, der Mitbeteiligte sei Steuerberater und habe in seiner Steuererklärung für das Jahr 1997 Zahlungen für infolge Insolvenz der Schuldner schlagend gewordene Bürgschaften in Höhe von 4,382.579 S als Betriebsausgabe geltend gemacht. Diese Ausgabenposition sei im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 1995 bis 1997 überprüft worden (Anm.: Nach den Ausführungen im Prüfungsbericht vom waren nach Ansicht des Prüfers für die als Betriebsausgaben geltend gemachten Bürgschaftszahlungen betreffend die F. GmbH und die M. GmbH die Voraussetzungen für eine steuerliche Anerkennung nicht erfüllt).

In einem Schreiben vom - so die weiteren Ausführungen im angefochtenen Bescheid - habe der Mitbeteiligte den im Berufungsverfahren strittigen Sachverhalt (Anm.: Die steuerliche Geltendmachung der Bürgschaftszahlungen im Zusammenhang mit der M. GmbH war im Berufungsschriftsatz vom "fallen" gelassen worden) dahingehend dargestellt, dass er im April 1989 als "de facto Treuhänder" im Auftrag eines Klienten die Gesellschaftsanteile der F. GmbH im Zuge einer außergerichtlichen Entschuldung (Nachlass von rd. 27 Mio. S als rd. 50 % des Gesamtobligos) übernommen, im Auftrag des Treugebers einen Geschäftsführer bestellt und zum Zwecke der Umschuldung eine Bürgschaft übernommen habe. Im Jänner 1991 habe er über Wunsch des Treugebers die Anteile abgetreten und eine Schad- und Klagloserklärung hinsichtlich der Bürgschaft erhalten. Mit der Beendigung seiner treuhändigen Tätigkeit sei auch das Vertretungsverhältnis gelöst worden. Das Bürgschaftsvolumen habe 13 Mio. S umfasst. Der Mitbeteiligte habe die Bürgschaftsverpflichtung in seiner berufsspezifischen Tätigkeit als Treuhänder übernommen und sei durch die Nichteinhaltung der Schad- und Klagloserklärung zu Schaden gekommen. Seines Erachtens lägen Betriebsausgaben vor, wobei aber auch die Voraussetzungen für den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 erfüllt seien, zumal er die betreffenden Zahlungen zur Abwendung eines existenzbedrohenden Insolvenzverfahrens auf sich genommen habe.

Zur Dokumentation seiner Angaben habe der Mitbeteiligte im Zuge der Betriebsprüfung eine Vereinbarung zwischen ihm und drei Kreditinstituten bezüglich ein Vergleichsangebot des Mitbeteiligten im Hinblick auf die Inanspruchnahme aus den Bürgschaftsverpflichtungen und zwei Schreiben des Wolfgang S. vom und über die Funktion des Mitbeteiligten als Treuhänder bei der F. GmbH ebenso vorgelegt wie eine Bestätigung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom darüber, dass ein Wirtschaftstreuhänder in Ausübung seines Berufes treuhändig Gesellschaftsanteile an Kapitalgesellschaften übernehmen sowie in dieser Funktion als Treuhänder auch Bürgschaften übernehmen könne. Nach § 2 des Abtretungsvertrages vom über die Abtretung der Geschäftsanteile des Mitbeteiligten an der F. GmbH an Harald W. und Wolfgang S. sei als Gegenleistung für die Abtretung der Geschäftsanteile insbesondere die Haftungsfreistellung des Mitbeteiligten hinsichtlich der von einem Kreditinstitut an die F. GmbH gewährten Kredite vorgesehen gewesen.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 1997, in dem die geltend gemachten Bürgschaftszahlungen weder als Betriebsausgabe noch als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG 1988 anerkannt worden seien, habe der Mitbeteiligte Berufung erhoben, in welcher er die Bürgschaftsaufwendungen für die F. GmbH im Jahr 1997 mit insgesamt 8,421.568,51 S (Zahlungen in Höhe von 1,554.579,10 S und eingezogene - verpfändete - Vermögenswerte in Höhe von 6,866.989,41 S) beziffert habe. In der Berufung habe der Mitbeteiligte u.a. auch ausgeführt, dass er "eine Reihe von Honorarumsätzen dank Finanzierungshilfen ohne Risikofehleinschätzungen" getätigt habe.

In der Beantwortung eines Vorhaltes der belangten Behörde habe der Mitbeteiligte bekannt gegeben, noch in einem zweiten Fall (betreffend die M. GmbH) eine Bürgschaft übernommen zu haben. Außerdem habe er in anderen Fällen Finanzierungshilfen in Form von Darlehen gewährt, um Honorarumsätze für die "Kanzlei zu erhalten bzw. auszubauen". Für kurzfristige Finanzierungshilfen (vier bis sechs Wochen) habe er kein gesondertes Entgelt erhalten. Für langfristige Finanzierungen habe er Zinsen in Rechnung gestellt und bei den Umsätzen erklärt. Im Zeitraum 1989 bis 1999 habe er an vier Klienten (teilweise wiederholt) Darlehen in Höhe von 100.000 S bis 1,1 Mio. S gewährt. In dem seitens der F. GmbH im Jahr 1989 bezahlten Honorarbetrag in Höhe von 1,363.159 S seien Beratungshonorare an den Mitbeteiligten von 643.344 S und an die W. GmbH von 242.496 S für die Umschuldung und Treuhandschaft enthalten.

Nach dem vorgelegten Garantievertrag vom habe die Bürgschaftsverpflichtung des Mitbeteiligten im Zusammenhang mit der Kreditgewährung der Bank an die F. GmbH zunächst 22 Mio. S betragen. Infolge der Abtretung der Gesellschaftsanteile an Harald W. und Wolfgang S. sei die Bürgschaftsverpflichtung mit den Garantieverträgen vom und auf insgesamt 13 Mio. S eingeschränkt worden.

In der am durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung habe der Mitbeteiligte ausgeführt, dass keinerlei private Nahebeziehung zu Gerhard B. (für den er den GmbH-Anteil treuhändig gehalten habe) oder zu den übrigen Entscheidungsträgern der F. GmbH bestanden habe. Das Eingehen von Bürgschaften gehöre zum Berufsbild eines Wirtschaftstreuhänders. Das mit der Bürgschaft verbundene Risiko sei sowohl vom Bankinstitut als auch von ihm selbst als äußerst gering eingeschätzt worden. Der Mitbeteiligte sei erst im Jahr 1987 Steuerberater geworden und die Treuhandschaft sowie das Eingehen der Bürgschaft im Jahr 1989 seien auch im Zusammenhang mit dem Aufbau seiner Kanzlei gestanden. Durch eine betrügerische Vorgangsweise sei er zu Schaden gekommen, weil ihm von den Entscheidungsträgern der F. GmbH die volle Schad- und Klagloshaltung zugesichert worden sei, obwohl die finanziellen Mittel dazu nicht vorhanden gewesen seien. Auf Grund der zugesicherten Schad- und Klagloshaltung habe der Mitbeteiligte mit seiner persönlichen Inanspruchnahme aus der Bürgschaft in keiner Weise gerechnet.

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde aus, dass die Übernahme von Bürgerschaften nicht zu den beruflichen Aufgaben eines Steuerberaters zähle. Die Verkehrsauffassung spreche daher nicht von vornherein für die nach § 4 Abs. 4 EStG 1988 für die Betriebsausgabeneigenschaft zu fordernde Veranlassung der Aufwendungen oder Ausgaben aus der Bürgschaft durch den Betrieb. Leistungen eines Steuerberaters aus einer von ihm für einen Klienten übernommenen Bürgschaft könnten allerdings dann als betrieblich angesehen werden, wenn eine Abhängigkeit der Aufträge des Klienten von der Übernahme der Bürgschaft durch den Steuerberater gegeben sei, er also den Klienten nur durch die Bürgschaftsübernahme habe gewinnen oder erhalten können. Dass der Mitbeteiligte Treuhänder des Gerhard B. gewesen sei, sei auf Grund der vorgelegten Bestätigungen des früheren Geschäftsführers Wolfgang S. sowie deswegen glaubhaft, weil der Mitbeteiligte hiefür ein Honorar erhalten habe. Umstände, die auf eine private Mitveranlassung der Bürgschaftsübernahme schließen ließen, seien aus der Aktenlage nicht erkennbar. Auf Grund des "festgestellten Sachverhaltes" sei davon auszugehen, dass die Übernahme der Treuhandschaft und die damit verbundene Bürgschaft von allen Beteiligten von vornherein nur als Übergangslösung geplant gewesen sei. Der wirtschaftliche Nutzen - ein zu erwartender Umsatz von 500.000 S pro Jahr - habe für die in Aufbau befindliche Steuerberatungskanzlei eine beachtliche Einnahmequelle dargestellt. Die gegenständlichen Bürgschaftszahlungen seien primär im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung der dem Mitbeteiligten im Jahr 1989 von den Entscheidungsträgern der F. GmbH zugesicherten und im Abtretungsvertrag vom fixierten Schad- und Klagloshaltung zu sehen und nicht auf eine im Verhältnis zu den zu erwartenden Honorarumsätzen unangemessen hohe Risikobereitschaft zurückzuführen. Die geltend gemachten Bürgschaftszahlungen in Höhe von 8,421.568,51 S seien somit betrieblich veranlasst und stellten daher Betriebsausgaben dar.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf § 292 BAO in der Fassung vor dem AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002, gestützte Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland.

Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen ausgesprochen hat, muss die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Zentrales Begründungselement eines Bescheides ist dabei die zusammenhängende Sachverhaltsdarstellung, worunter nicht etwa die Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens einschließlich des Vorbringens des Abgabepflichtigen oder der Bekundungen von Prüfungsorganen, sondern die Anführung jenes Sachverhaltes gemeint ist, den die belangte Behörde als Ergebnis ihrer Überlegungen zur Beweiswürdigung als erwiesen annimmt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 94/13/0200, und vom , 2000/13/0026, jeweils mwN).

Zu Recht geht die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom , 92/14/0232, davon aus, dass die Übernahme von Bürgschaften nicht zu den beruflichen Aufgaben eines Steuerberaters zählt und daher die Verkehrsauffassung von vornherein nicht für die von § 4 Abs. 4 EStG 1988 für die Betriebsausgabeneigenschaft geforderte Veranlassung der Aufwendungen oder Ausgaben aus einer übernommenen Bürgschaft durch dessen Betrieb spricht. Auch wenn der Betriebsausgabencharakter einer Bürgschaftsübernahme bei eindeutiger und unmittelbarer Verknüpfung zwischen künftiger Einnahmenerzielung und Übernahme einer Garantenstellung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls nicht ausgeschlossen erscheint (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 98/14/0052, und auch das Folgeerkenntnis vom , 97/15/0101, zu dem ebenfalls im angefochtenen Bescheid zitierten hg. Erkenntnis vom , 95/15/0092), enthält der angefochtene Bescheid keine nachvollziehbaren Sachverhaltsfeststellungen, welche die Beurteilung "geltend gemachter Bürgschaftszahlungen iHv 8,421.568,51 S" als Betriebsausgaben ausreichend tragen könnten. Was der angefochtene Bescheid an konkreten Sachverhaltsfeststellungen erkennen lässt, reicht rechtlich nicht aus, die Qualifikation der strittigen Bürgschaftszahlungen als Betriebsausgaben zu rechtfertigen.

Damit war aber der angefochtene Bescheid schon wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen, das der belangten Behörde vor allem Verfahrensmängel zum Vorwurf macht (die belangte Behörde habe etwa übersehen, dass nicht der Mitbeteiligte, sondern die W. GmbH - bei der der Mitbeteiligte nur die Funktion des Geschäftsführers bekleidet habe - steuerlicher Vertreter der F. GmbH gewesen sei, und auch die Höhe des als Betriebsausgabe berücksichtigten Betrages an Bürgschaftszahlungen von 8,421.568,51 S sei im Hinblick auf den Inhalt der mit den Kreditinstituten am abgeschlossenen Vereinbarung nicht schlüssig begründet), näher einzugehen war.

Im Fall einer so genannten Amtsbeschwerde geht es nicht um die Geltendmachung subjektiver Rechte, weshalb bei solchen Beschwerden das Erfordernis des Beschwerdepunktes (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) nicht gegeben ist. Die Grenzen des Rechtsstreites werden bei Amtsbeschwerden durch die Anfechtungserklärung des Beschwerdeführers gezogen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom , 95/14/0082). Der Umfang der Anfechtung wurde durch die Bekämpfung der Anerkennung der Betriebsausgaben aus dem Titel der Bürgschaftszahlungen auch ausreichend zur Darstellung gebracht.

Von der in der Gegenschrift des Mitbeteiligten beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am