zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 19.12.1996, 95/16/0204

VwGH vom 19.12.1996, 95/16/0204

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 13-7/L-241/12/94, betreffend Haftung für Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Gesellschafter der H. OHG. Das Zollamt Wien sprach mit einem an die H. OHG erlassenen Bescheid vom aus, daß durch unrichtige Angaben in den bezughabenden Warenerklärungen, nämlich durch Vorlage von auf einen zu geringen Warenwert lautenden Fakturen eine Eingangsabgabenschuld samt Säumniszuschlag in Höhe von S 1,267.929,-- kraft Gesetzes entstanden war. Aus den beigeschlossenen Aufstellungen war ersichtlich, daß es sich um Abfertigungen aus den Jahren 1976 und 1977 gehandelt hat.

Eine von der H. OHG erhobene Berufung gegen diesen Bescheid wurde mit einer Berufungsvorentscheidung vom abgewiesen. Nach einem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde die Berufung der H. OHG schließlich mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom als verspätet zurückgewiesen.

Ebenfalls mit Bescheid vom erging an den Beschwerdeführer ein mit dem an die H. OHG gleichlautender Bescheid über Eingangsabgaben in Höhe von S 1,267.929,--. Die Berufung gegen diesen Bescheid wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen. Dieser Berufungsbescheid wurde mit Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom in Ausübung des Aufsichtsrechtes aufgehoben. Schließlich wurde der erstinstanzliche an den Beschwerdeführer ergangene Bescheid mit Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom aufgehoben.

Aus einer in den Akten befindlichen Eingabe des steuerlichen Vertreters an das Bundesministerium für Finanzen vom ist ersichtlich, daß das Zollamt Wien Vollstreckungshandlungen gegen die H. OHG sowie gegen den Beschwerdeführer selbst im Amtshilfewege durch örtlich zuständige Finanzämter führen ließ. Weiters sind zwei Aktenvermerke vom 10. und betreffend Einhebungsmaßnahmen durch die ersuchten Finanzämter in den Akten enthalten.

Schließlich erließ das Zollamt Wien am an den Beschwerdeführer gemäß § 12 BAO einen Haftungsbescheid über den in Rede stehenden Eingangsabgabenbetrag von S 1,267.929,--. Auf dem Bescheid war ein Hinweis darüber angebracht, es werde "zur teilweisen Schuldtilgung der Erstattungsbetrag auf Grund der Berufungsentscheidung vom ... in Höhe von S 37.504,-- herangezogen".

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde die Meinung vertreten, eine OHG könne nicht als Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit i.S.d. § 12 BAO angesehen werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Haftungsbescheid als unbegründet abgewiesen. Sinngemäß wurde darin von der belangten Behörde die Meinung vertreten, daß es sich bei einer OHG um eine Personenvereinigung i.S.d. § 12 BAO handle.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom , B 1159/94, abgelehnt; die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, "nicht persönlich zur Haftung herangezogen zu werden, wenn ... seine persönliche Haftung und die Einbringung der Abgabenverbindlichkeiten bereits verjährt sind".

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Der Beschwerdeführer replizierte auf die Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei Zöllen und sonstigen Eingangsabgaben, soweit die Abgabenschuld nicht kraft Gesetzes entstanden ist, ein Jahr, soweit die Abgabenschuld kraft Gesetzes entstanden ist, fünf Jahre.

Nach § 209 Abs. 3 BAO i.d.F.d. Bundesgesetzes

BGBl. Nr. 312/1987 verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches.

Nach § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Die im Beschwerdefall erfolgte Inanspruchnahme persönlich Haftender durch einen Haftungsbescheid im Sinne des § 224 BAO stellt nach ständiger Rechtsprechung eine Einhebungsmaßnahme dar. Sie ist nur zulässig, wenn die Einhebungsverjährung im Sinne des § 238 BAO noch nicht eingetreten ist. Da die Verjährungsfrist hinsichtlich der Einhebungsverjährung (einheitlich) fünf Jahre beträgt, ist der Hinweis des Beschwerdeführers auf die einjährige Verjährungsfrist - abgesehen davon, daß im Beschwerdefall die Eingangsabgabenschuld ohne jeden Zweifel kraft Gesetzes entstanden ist - von vornherein verfehlt.

Nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/13/0037, 0038 - auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird -, unterbrechen Amtshandlungen nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung des in § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, ohne daß es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen gerichtet hatten. Durch den Hinweis im § 238 Abs. 2 BAO auf die §§ 201 ff BAO ist auch klargestellt, daß auch Bescheide betreffend die Festsetzung der Abgaben Unterbrechungshandlungen darstellen. Dies gilt gleichermaßen für Rechtsmittelentscheidungen. Bescheide unterbrechen dabei auch dann die Verjährung, wenn sie in der Folge aufgehoben worden sind (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 517 f und dort angeführte Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer, der eventualiter geltend macht, die "fünfjährige Frist" sei verstrichen, sich aber nicht mit den einzelnen Amtshandlungen im hier in Betracht kommenden Zeitraum auseinandersetzt, übersieht, daß es - wie aus der oben gegebenen Sachverhaltsdarstellung ersichtlich ist - seit dem Entstehen der Abgabenschuld bis zur Erlassung des Haftungsbescheides zu Amtshandlungen gekommen ist, die jeweils eine Unterbrechung der wiederholt unterbrochenen und wieder neu begonnenen Verjährungsfrist im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO bewirkten. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers wurde dabei die Verjährung keineswegs zuletzt im Jahre 1981 unterbrochen, sondern jedenfalls neuerlich durch die Zustellung von Berufungsvorentscheidungen im Jahre 1982, durch die im Amtshilfeweg durch zwei Wiener Finanzämter in den Jahren 1982 und 1983 erfolgten Einhebungsmaßnahmen und durch die im Jahre 1988 erfolgte Zustellung des Berufungsbescheides vom . Es erübrigte sich damit auf die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift aufgeworfene Frage nach der Relevanz einer allfälligen Hinterziehung der in Rede stehenden Eingangsabgaben einzugehen.

Auch die Auffassung des Beschwerdeführers, die "15jährige absolute Verjährungsfrist" sei im Beschwerdefall "zwei Jahre vor der Rechtsmittelentscheidung" abgelaufen, trifft nicht zu:

Die vom Beschwerdeführer angesprochene Bestimmung des § 209 Abs. 3 erster Satz BAO betrifft lediglich die Bemessungsverjährung, nicht aber die Einhebungsverjährung. Eine "absolute" - also unabhängig von allfälligen Unterbrechungshandlungen eintretende - Verjährung der Einhebung kennt die Bundesabgabenordnung in der geltenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 312/1987 nicht (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2202). Es trifft dabei zwar zu, daß im letzten Halbsatz des § 209 Abs. 3 BAO in der Fassung vor der letztgenannten Novelle eine absolute Verjährung auch hinsichtlich der Einhebung vorgesehen war (arg.: "im übrigen darf der Abgabenanspruch nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit seiner Entstehung fünfzehn Jahre verstrichen sind", vgl. neuerlich Stoll, a.a.O). Bereits im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides stand jedoch die Novelle BGBl. Nr. 312/1987 schon in Kraft. Dieser Rechtslage hatte der Bescheid zu entsprechen. Von einer nach Meinung des Beschwerdeführers rückwirkenden Anwendung der durch Novelle geschaffenen Rechtslage durch die Behörde kann daher keine Rede sein. In der Anwendung dieser Rechtslage auf den Beschwerdefall kann im Gegensatz zur Meinung des Beschwerdeführers auch keine unsachliche Differenzierung erblickt werden.

Soweit der Beschwerdeführer - über den ausdrücklich und unmißverständlich formulierten Beschwerdepunkt hinaus - erstmals in der Beschwerde den Hinweis im erstinstanzlichen Bescheid auf die Verrechnung mit einer Gutschrift rügt, ist ihm entgegenzuhalten, daß nicht erkennbar ist, in welchem Recht er dadurch verletzt sein könnte.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.