VwGH vom 19.03.1997, 95/16/0142
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der "I-Gen.m.b.H." in R, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 258/1-9/Mü-1994, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Errichterin einiger Reihenhäuser in der KG X. Mit Schreiben vom teilte die Beschwerdeführerin der Erwerberin M.V. die Zuteilung der Parzelle 395/25 in Schärding-Süd mit. Der Inhalt dieses Schreibens lautet wie folgt:
"Parzellenzuteilung
Wir teilen Ihnen mit, daß Ihnen der Vorstand unserer Genossenschaft in seiner Sitzung am die Parzelle Nr. 395/25 des Reihenhauses VI in X zugeteilt hat. Die Grundkosten für diese Parzelle einschließlich der Garagen- und Abstellflächen sowie Nebenkosten betragen S 224.600,--. Wir bitten Sie, diesen Betrag innerhalb von vier Wochen an uns zu überweisen. Die endgültige Abrechnung der Grundkosten erfolgt gleichzeitig mit der Bauendabrechnung des Reihenhauses. Falls Sie von der Anwartschaft zurücktreten sollten, wird Ihnen zur Deckung unserer Unkosten ein Verwaltungskostenbeitrag von S 200,-- in Anrechnung gebracht. Der eingezahlte Grundpreis könnte in diesem Fall erst dann rückerstattet werden, wenn der Parzellennachfolger diesen an uns überwiesen hat. Die von der ISG herausgegebenen "Allgemeinen Richtlinien für den Erwerb eines Reihenhauses nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1968" haben Sie verbindlich zur Kenntnis genommen.
Die Parzellenzuteilung wird erst nach Zurücksendung der unterfertigten Gleichschrift und gänzlicher Bezahlung der Grundkosten rechtskräftig."
Eine Gleichschrift dieses Schreibens sandte die Erwerberin nach Unterfertigung am an die Beschwerdeführerin zurück.
Die Fertigstellung des gegenständlichen Reihenhauses und der Bezug durch M.V. erfolgte im September 1982. Der am von M.V., am von der Beschwerdeführerin unterfertigte Kaufvertrag wies einen Gesamtkaufpreis von S 1,860.476,-- aus. Vereinbart wurde, daß alle mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages verbundenen Kosten, Abgaben, Steuern und Gebühren aller Art der kaufende Vertragsteil trage. Weiters wurde darauf hingewiesen, daß die Käuferin die Befreiung von der Grunderwerbsteuer in Anspruch nehme. Dem entsprechend wurde bei der Abgabenerklärung vom die Grunderwerbsteuerbefreiung wegen § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c und Z. 2 lit. b GrEStG beantragt.
Über Anfrage erklärte M.V. gegenüber dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz (im folgenden: Finanzamt) am , daß sie das Eigenheim am weiterveräußert habe.
Ausgehend vom oben genannten Kaufpreis setzte das Finanzamt mit Bescheid vom für den Kaufvertrag vom die Grunderwerbsteuer mit S 148.838,-- fest.
Mit Bescheid vom erfolgte eine Vorschreibung an die Beschwerdeführerin, wobei der Bescheid den Hinweis enthielt, daß die Vorschreibung auch an die Käuferin erfolgt sei, die Grunderwerbsteuer aber nur einmal entrichtet werden müsse.
In ihrer dagegen erstatteten Berufung machte die Beschwerdeführerin insbesondere geltend, M.V. hätte das Haus im September 1982 bezogen und neun Jahre lang bewohnt. Sie habe das wirtschaftliche Eigentum seit 1982 besessen. Weiters wurde die Bemessungsgrundlage beanstandet. Schließlich wehrte sich die Beschwerdeführerin auch dagegen, daß sie neben der Erwerberin herangezogen wurde.
Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Finanzamt der Berufung teilweise Folge, indem es von einer Bemessungsgrundlage von S 1,209.331,07 ausging. Nach Auffassung des Finanzamtes sei der Übereignungsanspruch mit Kaufvertrag vom begründet worden. Die Heranziehung der Beschwerdeführerin gemäß § 17 Z. 4 GrEStG 1955 wurde damit begründet, daß die Steuer bei der zuerst zur Steuerleistung herangezogenen Erwerberin uneinbringlich sei.
Im Vorlageantrag brachte die Beschwerdeführerin vor, daß schon durch die Parzellenzuteilung vom eine Punktation erfolgt sei, die die Hauptpunkte des Kaufvertrages enthalten habe. Daher sei spätestens an diesem Tag das Verpflichtungsgeschäft geschlossen worden. Hinsichtlich der Heranziehung der Beschwerdeführerin wurde einerseits auf den Kaufvertrag verwiesen, wonach die Käuferin Kosten, Abgaben und Gebühren aller Art zu tragen habe. Es könne aus der Berufungsvorentscheidung nicht ersehen werden, warum die Steuerforderung bei M.V. uneinbringlich geworden sei; diesbezüglich sei die Berufungsvorentscheidung mangelhaft begründet.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoferne Folge, als - wie in der Berufungsvorentscheidung - die Steuer neu mit S 96.746,-- festgesetzt wurde. Auch die Berufungsbehörde ging davon aus, daß M.V. den begünstigten Zweck nicht erfüllt habe, weil sie das Bewohnen des Eigenheimes als Eigentümerin durch einen Zeitraum von acht Jahren aufgegeben habe. Zur Heranziehung der Beschwerdeführerin wurde ausgeführt:
"Wie das durchgeführte Einbringungsverfahren ergeben hat, erwies sich die Einbringung bei Frau V. als nicht möglich, wobei von der Abgabenbehörde ein den Bestimmungen der BAO bzw. der AbgabenEO entsprechendes Verfahren durchgeführt wurde, welches allerdings mangels pfändbaren Vermögens nicht erfolgreich war."
Die Behandlung der dagegen gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wurde von diesem mit Beschluß vom , gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
In ihrer Beschwerdeergänzung macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend, da sie in ihrem Recht auf gesetzmäßige Vorschreibung der Grunderwerbsteuer bzw. auf Befreiung von deren Entrichtung gemäß § 12 Abs. 2 GrEStG 1987 i. V.m. §§ 1 Abs. 1 Z. 1, 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c, 4 Abs. 2, 17 Z. 4 GrEStG 1955 verletzt sei. Weiters wies die Beschwerdeführerin auf die ihres Erachtens fehlerhafte Ermessensübung der belangten Behörde hin.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens sowie die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1987 sind auf vor dem verwirklichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten des GrEStG 1987 in Geltung stehenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden.
Ausgehend von einem Erwerbsvorgang vor dem kommen im Beschwerdefall die Bestimmungen des GrEStG 1955 zur Anwendung. Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 unterliegen der Grunderwerbsteuer Kaufverträge oder andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen.
Nach § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c GrEStG 1955 ist beim Kleinwohnungsbau im Sinne der Vorschriften über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen der erste Erwerb eines von einem gemeinnützigen Bauträger geschaffenen oder zu schaffenden Wohnhauses, das den für Kleinwohnungen geltenden Bestimmungen entspricht, durch eine Person, die das Hausgrundstück als Eigenheim übernimmt, von der Besteuerung ausgenommen.
Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 GrEStG 1955 unterliegt u.a. der in Abs. 1 Z. 1 lit. c leg. cit. genannte Erwerbsvorgang jedoch dann der Grunderwerbsteuer, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren aufgegeben wird.
Gegenstand des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 92/16/0166, war die Beschwerde einer Erwerberin eines Reihenhauses, die das Haus gleichfalls von der nunmehrigen Beschwerdeführerin gekauft hatte. Auch damals gab es eine Parzellenzuteilung im Jahr 1979, welche - abgesehen von Beträgen, Daten und Parzellennummern - nahezu wortident war. Auch damals wurde der Kaufvertrag im Jahr 1984 abgeschlossen und dieselbe Grunderwerbsteuerbefreiung geltend gemacht. Im Jahr 1989 wurde das Reihenhaus veräußert. Unter Wiedergabe der Vorjudikatur sah es der Verwaltungsgerichtshof als nicht zweifelhaft an, daß die im § 4 Abs. 2 GrEStG genannte Frist mit dem Erwerbsvorgang zu laufen beginne und daß zur Begründung eines Übereignungsanspruches die zwischen den Vertragsparteien erzielte Willensübereinstimmung, einen bestimmten oder durch behördliche Entscheidung objektiv bestimmbaren Anteil an einer Liegenschaft, die wenigstens durch ihre Adresse bezeichnet wird, um einen betragsmäßig festgesetzten Kaufpreis zu erwerben. Der Gerichtshof vertrat die Auffassung, daß die "Parzellenzuteilung" diesen Erfordernissen nicht entsprach, zumal dort nur EINE Parzellennummer genannt wurde, während erst mit dem Kaufvertrag zwei Grundstücke zur Gänze und zwei Grundstücksanteile erworben wurden. Auch im vorliegenden Fall nennt die Parzellenzuteilung nur eine Grundstücksnummer, der Kaufvertrag weist zwei Grundstücke und einen Grundstücksanteil aus. Insbesondere aber hob der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis hervor, daß in der Parzellenzusicherung kein Preis für das zu erwerbende Reihenhaus genannt wurde. Eine Willenseinigung über den Kaufpreis sei ja erst erzielt, wenn sich der Erwerber dem Veräußerer gegenüber vepflichtet, für den Erwerb und für die Errichtung einer bestimmten Wohnung bestimmte Beträge zu bezahlen, sowie allfällige Zusatzdarlehen zu übernehmen. Allein aus der Parzellenzuteilung könne keinesfalls ein klagbarer Anspruch der Erwerberin, ein bestimmtes Wohnhaus zu erwerben, entnommen werden, weil insbesondere betreffend die Baukosten noch keine für den Kauf notwendige Bestimmbarkeit des Gesamtkaufpreises vorlag.
Die Finanzbehörden haben daher im vorliegenden Fall zu Recht erst den gegenständlichen Kaufvertrag als Erwerbsvorgang angesehen, mit welchem die Frist des § 4 Abs. 2 Satz 3 GrEStG zu laufen begann. Insofern kann daher der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein.
Gemäß § 17 Z. 4 GrEStG 1955 sind u.a. bei einem Kaufvertrag die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen Steuerschuldner. Die Auswahl der zur Leistung der Abgabenschuld heranzuziehenden Gesamtschuldner, die Belastung der einzelnen mit der Gesamtschuld oder nur einem Teil davon, die Bestimmung des Zeitpunktes und der Reihenfolge der Heranziehung der einzelnen Gesamtschuldner liegt im Ermessen der Behörde. Die Ermessensentscheidung ist nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0082).
Die belangte Behörde wies bei Begründung ihrer Ermessensentscheidung wohl auf das vertragliche Innenverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der Erwerberin hin. Ein Ermessensspielraum sei jedoch dann nicht mehr gegeben, wenn die Forderung bei der zuerst zur Steuerleistung herangezogenen Erwerberin nicht oder nicht zur Gänze einbringlich sei. Diese Uneinbringlichkeit bei der Erwerberin wurde der Beschwerdeführerin bereits im Rahmen der Berufungsvorentscheidung vorgehalten; die Rüge der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag, die Grunderwerbsteuer müsse zuerst der Erwerberin vorgeschrieben werden, ist daher unberechtigt, weil eine solche Vorschreibung erfolgt ist. Im Vorlageantrag hat die Beschwerdeführerin aber keine gegenteiligen Behauptungen aufgestellt, sondern nur beanstandet, das Finanzamt hätte die Feststellung der Uneinbringlichkeit mangelhaft begründet.
Diese Begründung holte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, wie oben dargestellt, nach. Auch in der Beschwerde werden keine konkreten Sachbehauptungen entgegengesetzt, sondern lediglich moniert, daß der Beschwerdeführerin nicht erkennbar ist, welche Maßnahmen die Abgabenbehörde tatsächlich ergriffen habe, sodaß vermutet wird, die Abgabenbehörde habe nicht alle Möglichkeiten der Einbringung ausgeschöpft. Im zuletzt genannten Erkenntnis wurde ausgesprochen, daß dann, wenn feststeht, daß Vollstreckungsversuche vorgenommen wurden, die hinsichtlich der Grunderwerbsteuer erfolglos geblieben sind, es diese Zahlungsschwierigkeiten rechtfertigen, den nach den privatrechtlichen Vereinbarungen nicht mit den Abgaben zu belastenden Gesamtschuldner zur Entrichtung der Abgabenschuld heranzuziehen. Da hier von den Abgabenbehörden ein den Bestimmungen der BAO bzw. der ABGABENEO entsprechendes Verfahren durchgeführt wurde, kann von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin keine Rede sein. Auch insoferne erwies sich die Beschwerde daher als unberechtigt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden konnte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.