VwGH vom 13.04.2005, 2001/13/0190
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Keidel LL.M., über die Beschwerde des OW jun. in M, vertreten durch Dr. Helmut Kientzl, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Rudolf-Diesel-Straße 26, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/280 - 10/00, betreffend Haftung nach § 9 Abs. 1 und § 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen gemäß § 9 Abs. 1 und § 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der W. GmbH in P. im Ausmaß von S 16,013.582,84 mit der Begründung in Anspruch, der Beschwerdeführer habe als Geschäftsführer dieser Gesellschaft seine Pflichten zur termingerechten Entrichtung, Einbehaltung und Abfuhr der Abgaben schuldhaft verletzt; die betroffenen Abgabenschuldigkeiten der W. GmbH wurden in der Begründung des Haftungsbescheides aufgelistet und betrafen eine Fülle von Abgaben unterschiedlichster Art für Zeiträume der Jahre 1991 bis 1997.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, sein Vater habe auf Grund eines Abtretungsanbotes eine Mehrheit von 75 % der Gesellschaftsanteile besessen und habe, mit dieser Mehrheit ausgestattet, die faktische Geschäftsführung der Gesellschaft ausgeübt und alle Gespräche geführt. Der Großteil des Abgabenrückstandes sei "anlässlich der Betriebsprüfung entstanden"; zum Zeitpunkt der Vorschreibung sei ein Verschulden am Unterbleiben der Entrichtung auf Grund der finanziellen Möglichkeiten auszuschließen. Die Erbringung eines Nachweises dafür, dass der Abgabengläubiger nicht benachteiligt worden sei, sei derzeit mangels Besitzes der Geschäftsunterlagen nicht möglich.
In einer Vorhaltsbeantwortung teilte der Beschwerdeführer mit, dass die bei (nunmehriger) Übergabe der Geschäftsführung an seinen Vater noch vorhanden gewesenen Buchhaltungsunterlagen nicht mehr aufzufinden seien. Als Beweis für die (auch zuvor) faktisch beim Vater gelegene Geschäftsführung der Gesellschaft sei darauf hinzuweisen, dass der Vater alle Verhandlungen mit dem Finanzamt und mit der Gebietskrankenkasse geführt und auch alle Geschäfte der Gesellschaft abgewickelt habe.
Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung mit der Begründung ab, die vom Beschwerdeführer behauptete Hinderung an der Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten durch den Vater sei kein taugliches Entlastungsvorbringen, weil es am Beschwerdeführer als dem Geschäftsführer der Gesellschaft gelegen wäre, entweder auf dem Rechtswege die unbehinderte Ausübung der Geschäftführerfunktion zu erzwingen oder diese Funktion niederzulegen. Der Beschwerdeführer habe während des Zeitraumes seiner Geschäftsführung die Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft wesentlich schlechter als andere Verbindlichkeiten behandelt.
In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz bestritt der Beschwerdeführer eine Besserstellung anderer Gläubiger und brachte vor, dass er im Zeitpunkt seiner "Entlassung" krank gewesen sei und deshalb die Buchhaltungsunterlagen nicht habe sicherstellen können, um den Beweis für die Gleichstellung aller Gläubiger zu führen. Dass die Buchhaltungsunterlagen beiseite geschafft worden seien, sei ohnehin schon zum Gegenstand gerichtlicher Erhebungen gegen seinen Vater gemacht geworden. Die bei der Betriebsprüfung festgestellte Gewinnausschüttung betreffe Zahlungen an eine ungarische Gesellschaft, an welcher der Vater beteiligt gewesen sei. Auch alle Besprechungen im Zuge der Betriebsprüfung habe der Vater geführt.
Mit einer nachfolgenden Eingabe teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde noch mit, in zwei Finanzstrafverfahren freigesprochen worden zu sein; sowohl das Strafgericht als auch die Finanzstrafbehörde hätten festgestellt, dass die faktische Geschäftsführung beim Vater gelegen gewesen sei. Auf Grund des Umstandes, dass der Vater alle Verhandlungen mit dem Finanzamt und den Prüfungsorganen geführt und auch alle Erklärungen und Eingaben an das Finanzamt (wie auch das Protokoll über die Schlussbesprechung) unterschrieben habe, habe er darauf vertrauen können, dass das Finanzamt die faktische Geschäftsführung des Vaters anerkenne, was eine Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer ausschließe.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Haftungsbescheid lediglich durch Einschränkung der Haftung auf einen Betrag von S 11,945.538,84 (aushaftende Beträge mit Fälligkeit bis zum ) statt, während die Berufung im Übrigen als unbegründet abgewiesen wurde. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin feststehe, weil der Konkurs über das Vermögen der W. GmbH am mangels Vermögens aufgehoben worden sei. Nach der diesbezüglichen Firmenbucheintragung sei dem Beschwerdeführer als selbständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der W. GmbH die Erfüllung deren abgabenrechtlicher Pflichten vom bis zum oblegen. Dass die Gesellschaft zu den Fälligkeitszeitpunkten keine Mittel zur Abgabenentrichtung gehabt habe, sei vom Beschwerdeführer konkret nicht dargetan worden und stünde auch mit der Aktenlage nicht im Einklang, nach welcher im Jahre 1997 noch Umsätze von über S 13 Millionen erzielt worden seien. Hinsichtlich der Lohnsteuer ergebe sich die schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten am Unterlassen ihrer Abfuhr durch die Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne unmittelbar aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988; für die Kapitalertragsteuer gälten vergleichbare Erwägungen. Dem Vorbringen zur beherrschenden Stellung des Vaters entgegnete die belangte Behörde wie das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei nur im Falle der durch den Berufungssenat zu treffenden Entscheidung vorgesehen; über den Haftungsbescheid sei aber monokratisch zu entscheiden gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (siehe für viele das hg. Erkenntnis vom , 99/13/0032, mwN). Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (siehe für viele das hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0218, mwN).
Der Beschwerdeführer wiederholt sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren über die dominante Stellung seines Vaters in der Gesellschaft und den Ausgang der gegen ihn anhängig gewesenen Finanzstrafverfahren. Er sei im Unternehmen lediglich in untergeordneter Funktion beschäftigt gewesen, habe in die Geschäftsführertätigkeit keinen Einblick gehabt und sei derartig unter dem Druck seines Vaters gestanden, dass er gar nicht gewagt habe, die Situation in Frage zu stellen. Die belangte Behörde habe dies alles nicht berücksichtigt und auch nicht geprüft, ob nicht der Vater die Buchhaltungsunterlagen beseitigt habe. Auf die "Anerkennung" der tatsächlichen Geschäftsführung des Vaters durch das Finanzamt habe der Beschwerdeführer vertrauen dürfen und zum Zeitpunkt der "Vorschreibung der Betriebsprüfungsergebnisse" seien für die Entrichtung der Abgaben zufolge Überschuldung keine Mittel mehr zur Verfügung gestanden. Durch Unterlassen der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung habe die belangte Behörde das Parteiengehör verletzt.
Dieses Vorbringen zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Dass der Vater des Beschwerdeführers es war, der in der Gesellschaft das Sagen hatte, wird im angefochtenen Bescheid nicht in Abrede gestellt. Zutreffend hält die belangte Behörde dem Beschwerdeführer aber die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Fall der Hinderung des bestellten Geschäftsführers durch Dritte entgegen, nach welcher den Geschäftsführer, der sich eine solche Hinderung an der Erfüllung seiner Obliegenheiten gefallen lässt, die Folgen seiner Willfährigkeit treffen (siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2001/13/0168, vom , 99/14/0278, vom , 2003/14/0097, vom , 96/14/0076, und vom , 2001/14/0205, je mwN). Aus welchen Gründen der Beschwerdeführer seinem Vater den nötigen Widerstand nicht oder erst viel zu spät entgegen setzte, ist im Beschwerdefall ohne rechtliche Bedeutung. Dass er ohne seine Zustimmung zum Geschäftsführer bestellt worden oder zurechnungsunfähig gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer nie behauptet. Als bestellter Geschäftsführer hatte er die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft ohne familiäre Rücksichten zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Hat er das nicht getan, dann muss er die Konsequenzen tragen. Aus einem "Vertrauen auf die Anerkennung der tatsächlichen Geschäftsführung des Vaters durch das Finanzamt" ist für den Beschwerdeführer nichts abzuleiten. Wenn sich Organe der Abgabenverwaltung dem Agieren des Vaters für die Gesellschaft (in Kenntnis oder Unkenntnis der rechtlichen Verhältnisse) nicht widersetzten, konnte dies an der Rechtsposition des Beschwerdeführers als Organwalter und am Bestand der ihn nach § 80 BAO treffenden Pflichten nicht das Geringste ändern. Ob der Vater es war, der die Buchhaltungsunterlagen beseitigte, ist auch nicht von Bedeutung, weil es in jedem Falle Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre, sich vor Abgabe der Geschäftsführungsagenden den Besitz der erforderlichen Beweismittel für die behauptete Gleichbehandlung der Gläubiger - gegen wen immer - zu sichern.
Dem Einwand des Beschwerdeführers, zum Zeitpunkt der "Vorschreibung der Betriebsprüfungsergebnisse" seien für die Entrichtung der Abgaben zufolge Überschuldung keine Mittel mehr zur Verfügung gestanden, ist zum einen im Hinblick auf der Haftung auch zu Grunde liegende Selbstbemessungsabgaben daran zu erinnern, dass es für solche Abgaben zur Beurteilung der Erfüllung oder Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters auf jenen Zeitpunkt ankommt, zu dem die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wäre (siehe für viele das hg. Erkenntnis vom , 2004/13/0146, mwN). Zum anderen ist dem Beschwerdeführer hiezu entgegen zu halten, dass ihm die allein entlastende Darlegung des Unterbleibens einer Schlechterstellung des Abgabengläubigers im Verhältnis zu anderen Gläubigern nicht gelungen ist, weil er eine solche Darlegung gar nicht erst versucht hat.
Die im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom Beschwerdeführer beantragte mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde war nicht durchzuführen, weil nach § 284 Abs. 1 BAO in seiner von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung vor dem AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002, eine mündliche Berufungsverhandlung nur vor dem Berufungssenat vorgesehen war, in dessen Zuständigkeit die vorliegende Angelegenheit mangels Aufzählung im Katalog des § 260 Abs. 2 BAO in der genannten Fassung nicht gefallen ist.
Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei der Verwaltungsgerichtshof von der vom Beschwerdeführer beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus dem im § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG genannten Grund Abstand genommen hat.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am