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VwGH vom 14.11.1996, 95/16/0082

VwGH vom 14.11.1996, 95/16/0082

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-201/11/94, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die H Bau- und HandelsgesmbH (in der Folge: GmbH) erwarb mit Kaufvertrag vom vom Beschwerdeführer Liegenschaften um einen Kaufpreis von S 6,500.000,--. In der Grunderwerbsteuererklärung wurde die Steuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 beantragt. Anläßlich einer Nachschau des Finanzamtes im Jahre 1989 kam hervor, daß die GmbH die Liegenschaften weiterveräußert hatte und diese Erwerber die Absicht aufgegeben hätten, Arbeiterwohnstätten zu errichten.

Die Abgabenvorschreibung erging mit Bescheid vom zunächst an die auf Grund des Punktes "Achtens" des Kaufvertrages im Innenverhältnis zur Tragung der Grunderwerbsteuer verpflichteten GmbH. Die Berufung der GmbH wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom und danach die dagegen erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 92/16/0094, als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern auch dem Beschwerdeführer für den angeführten Erwerbsvorgang die Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 520.000,-- vor. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, es sei Bemessungsverjährung eingetreten und überdies sei die Heranziehung des Beschwerdeführers als Gesamtschuldner nach nahezu 10 Jahren nach der Veräußerung der Liegenschaften unbillig, sodaß eine Vorschreibung an ihn nicht hätte ergehen dürfen.

In der die Berufung als unbegründet abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien aus, es sei keineswegs Aufgabe der Finanzbehörde, den Beschwerdeführer über die Nichterfüllung des begünstigten Zweckes durch seine Vertragspartner aufzuklären, sondern es wäre seine gesetzliche Verpflichtung gewesen, sich über eine allfällige Nichterfüllung des begünstigten Zweckes zu informieren und die Nichterfüllung dem Finanzamt zwecks Nachversteuerung anzuzeigen. Im Jahre 1989 sei bei der GmbH eine Grunderwerbsteuernachschau durchgeführt worden, wobei festgestellt worden sei, daß für den Kaufvertrag vom ein Nachversteuerungsgrund gegeben sei. Abgabenbehördliche Prüfungen hätten verjährungsunterbrechende Wirkung. Verjährung sei daher nicht eingetreten. Im Beschwerdefall sei der Beschwerdeführer als Verkäufer gemeinsam mit der GmbH Gesamtschuldner der Grunderwerbsteuer. Grundsätzlich sei es im Ermessen der Abgabenbehörde gelegen, an wen sie das Leistungsgebot richte. Die Grunderwerbsteuer sei vorerst der nach dem Innenverhältnis der Vertragsteile zur Steuertragung verpflichteten GmbH vorgeschrieben worden, die Abgabe habe sich aber als uneinbringlich erwiesen. Daher sei das Finanzamt verpflichtet gewesen, die Steuer dem Beschwerdeführer vorzuschreiben.

Der Beschwerdeführer stellte, ohne sich mit der Begründung der Berufungsvorentscheidung auseinanderzusetzen, den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, für den Erwerb der Grundstücke mit Kaufvertrag vom sei aus Anlaß der Weiterveräußerung von der GmbH an weitere, näher genannte Personen noch keine Aufgabe des begünstigten Zweckes gegeben gewesen. Eine Aufgabe des begünstigten Zweckes sei erst in dem Augenblick vorgelegen, in dem festgestanden sei, daß diese Erwerber keine Arbeiterwohnstätte errichten würden. Dies sei dem Finanzamt erst aus Anlaß einer Nachschau bei der GmbH im Jahre 1989 bekannt geworden. Mit Ablauf des Jahres 1989 habe somit die fünfjährige Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Sowohl die GmbH als auch der Beschwerdeführer wären verpflichtet gewesen dem Finanzamt die Aufgabe des begünstigten Zweckes des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 anzuzeigen. Was die Frage der Uneinbringlichkeit anlange, so seien Vollstreckungsversuche bisher - mit Ausnahme geringen Ausmaßes, die für ältere Verbindlichkeiten verwendet worden seien - ohne Erfolg geblieben, ein Konkursantrag sei mangels Zustellbarkeit wirkungslos geblieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtvorschreibung der Grunderwerbsteuer verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom , Zl. 92/16/0074, die Beschwerde gegen den im Instanzenzug an die GmbH (Erwerber des Grundstückes und Gesamtschuldnerin des Beschwerdeführers) ergangenen Grunderwerbsteuerbescheid als unbegründet ab. Eine Rechtswidrigkeit der Abgabenvorschreibung betreffend den in Rede stehenden Erwerbsvorgang ist im Abgabenverfahren des Beschwerdeführers nicht zu Tage getreten. Hinsichtlich der Abgabenvorschreibung dem Grunde und der Höhe nach wird daher auf das genannte Erkenntnis vom verwiesen.

In der Beschwerde wird die nach bereits geltend gemachter Abgabenvorschreibung an die GmbH erfolgte Heranziehung des Beschwerdeführers als Gesamtschuldner bekämpft.

Die Auswahl der zur Leistung der Abgabenschuld heranzuziehenden Gesamtschuldner, die Belastung der einzelnen mit der Gesamtschuld oder nur einem Teil davon, die Bestimmung des Zeitpunktes und der Reihenfolge der Heranziehung der einzelnen Gesamtschuldner liegt im Ermessen der Behörde. Diese Ermessensentscheidung ist nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 BAO). Bei Auslegung des § 20 BAO wird somit in diesem Zusammenhang dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung von "Angemessenheit in bezug auf berechtigte Interessen der Partei" und dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" "das öffentliche Interesse insbesondere an der Einbringung der Abgaben" beizumessen sein. Nun bedeutet Ermessen des Abgabengläubigers eines Gesamtschuldverhältnisses das Recht der Ausnützung jener Gläubigerschritte, die dazu führen, den Abgabenanspruch zeitgerecht, sicher, auf einfachstem Weg unter Umgehung von Erschwernissen und unter Vermeidung von Gefährdungen hereinzubringen. Würden nun dadurch, daß auf die besonderen Umstände des Schuldverhältnisses und der Schuldnerbeziehungen Rücksicht genommen wird, Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigt, dann erschiene es nicht ermessensgerecht (damit nicht im Sinne des Gesetzes), würde sich die Abgabenbehörde über die besonderen Gegebenheiten des Gesamtschuldverhältnisses hinwegsetzen. Vor allem die Regelungen im Innenverhältnis dürften nicht unberücksichtigt bleiben. Wenn bei gleichen Gläubigerchancen und Gläubigerrisken, wenn bei so und so gesicherter Gläubigerposition mehrere Lösungsmöglichkeiten bestehen und ohne Beeinträchtigung der berechtigterweise zu wahrenden Gläubigerinteressen vertreten werden können, dann wäre es gewiß ermessensfehlerhaft, würde bei Geltendmachung des Anspruches, bei Auswahl der Schuldner und bei Festlegung des Ausmaßes ihrer Heranziehung nicht auf das Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern Bedacht genommen werden. Nun vermag durch privatrechtliche Vereinbarungen das abgabenrechtliche Gesamtschuldverhältnis gewiß nicht ausgeschlossen werden, darüberhinaus kann der Behörde die Reihenfolge der Heranziehung der einzelnen Gesamtschuldner nicht aufgezwungen werden. Zahlungsschwierigkeiten eines Gesamtschuldners rechtfertigen es, den einen oder anderen Gesamtschuldner erst gar nicht in Anspruch zu nehmen, ihn also überhaupt nicht bescheidmäßig heranzuziehen, sondern die Schuld bei einem anderen einzufordern (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 94 und 95). Ist einer der beiden Schuldner zahlungsunfähig geworden, so liegt im allgemeinen kein Ermessensspielraum mehr vor, die Heranziehung des verbleibenden Schuldners zur Leistung der Gesamtschuld könnte aus dem Blickwinkel der Ermessensübung nicht rechtswidrig sein (vgl. Erkenntnis vom , 125/80).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Einhebung der Abgabenschuld bei der GmbH als uneinbringlich angesehen, weil Vollstreckungsversuche bisher - mit Ausnahmen geringen Ausmaßes, die für ältere Verbindlichkeiten verwendet wurden - ohne Erfolg geblieben seien und ein Konkursantrag mangels Zustellbarkeit wirkungslos geblieben sei. Worauf sich die Feststellung der belangten Behörde stützt, ein Konkursantrag sei mangels Zustellbarkeit "wirkungslos" geblieben, ist nicht nachvollziehbar, sodaß als einzige Begründung der Ermessensentscheidung für die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Grunderwerbsteuerschuld neben der GmbH die "Uneinbringlichkeit" der Abgabenschuld besteht, weil Vollstreckungsversuche bisher (mit der erwähnten Ausnahme) ohne Erfolg geblieben seien. Eine Uneinbringlichkeit ist allerdings erst dann gegeben, wenn die Abgaben endgültig nicht eingebracht werden können. Dies ist im Beschwerdefall für die von der GmbH geschuldete Grunderwerbsteuer nicht mit Sicherheit gegeben. Ein Insolvenzverfahren wurde über die GmbH nicht eröffnet und Abgabenschuldigkeiten konnten jedenfalls zum Teil eingetrieben werden. Die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld bei der GmbH ist aber nicht Voraussetzung für die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Entrichtung der Abgabenschuld. Feststeht jedenfalls, daß Vollstreckungsversuche vorgenommen wurden, die hinsichtlich der Grunderwerbsteuer erfolglos geblieben sind. Schon diese bestehenden Zahlungsschwierigkeiten der GmbH rechtfertigen es jedoch, den nach den privatrechtlichen Vereinbarungen nicht mit den Abgaben zu belastenden Gesamtschuldner zur Entrichtung der Abgabenschuld heranzuziehen, zumal sich aus der Aktenlage ergibt, daß die bestehenden Abgabenrückstände der GmbH eine Entrichtung der Grunderwerbsteuer in absehbarer Zeit nicht erwarten lassen. Der Behörde ist keine Verpflichtung auferlegt - wie die Beschwerde vorbringt -, zunächst einen Konkursantrag zu stellen und auf diese Weise zu versuchen, einen Teil der Abgaben bei der GmbH noch einzutreiben, um erst dann dem Beschwerdeführer die Abgabenschuld vorschreiben zu können.

Wenn in der Beschwerde weiters die Ansicht vertreten wird, es wäre vor der Heranziehung des Beschwerdeführers die Haftung des Geschäftsführers der GmbH geltend zu machen gewesen, übersieht sie, daß die Vertreterhaftung nach § 9 BAO eine Ausfallshaftung ist. Solange daher die Abgaben bei Gesamtschuldnern noch einbringlich sind, kann eine Haftung gegen den Geschäftsführer der GmbH nach § 9 BAO nicht geltend gemacht werden.

Ein Recht zur Information des Beschwerdeführers, welche konkreten Verfahrenshandlungen und Exekutionsschritte zur Hereinbringung der Abgaben bei der GmbH gesetzt wurden, enthalten die Abgabenvorschriften nicht. Ein Begründungsmangel liegt somit nicht vor, wenn im angefochtenen Bescheid - im Einklang mit der Aktenlage - nur allgemein auf erfolglose Vollstreckungsversuche hingewiesen wird.

Ferner rügt die Beschwerde die Verletzung des Parteiengehörs, wodurch mangels Möglichkeit zur Stellungnahme durch den Beschwerdeführer der belangten Behörde ausreichend vorhandene Vermögenswerte der GmbH und des Geschäftsführers unbekannt geblieben seien. Auch damit wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt. Mit der die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde der Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt, daß sich nach der Aktenlage der Abgabenbehörde die Abgabenschuld bei der GmbH als uneinbringlich erwiesen habe. Dagegen brachte der Beschwerdeführer im Vorlageantrag nichts vor. Der Berufungsvorentscheidung kam jedoch die Bedeutung eines Vorhaltes im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO zu (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 84/16/0235), wodurch dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben wurde, sich dazu zu äußern. Von einer Verletzung des Parteiengehörs kann somit keine Rede sein.

Zusammenfassend ergibt sich daher, daß der angefochtene Bescheid mit der behaupteten Rechtswidrigkeit nicht belastet ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.