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VwGH vom 15.06.2005, 2001/13/0174

VwGH vom 15.06.2005, 2001/13/0174

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Keidel LL.M., über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat X, vom , Zlen. RV/892-17/13/98, RV/606-17/13/99 und RV/396- 17/13/2000, betreffend Einkommensteuer des Mitbeteiligten AS in O, vertreten durch Mag. Christoph Hatvagner, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Steinamangerer Straße 16, für die Jahre 1995 bis 1999, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte führte in einem von ihm auch bewohnten Haus (unstrittiges Ausmaß der privaten Benützung: 13,9 %) einen Gastgewerbebetrieb, den er zum Jahresende 1994 aufgab. In den Folgejahren erzielte er aus der Vermietung der zuvor betrieblich genutzten Teile des Hauses Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1995 bis 1997 machte der Mitbeteiligte nachträgliche Betriebsausgaben aus seiner früheren gewerblichen Tätigkeit geltend, die im Wesentlichen aus Fremdkapitalkosten (Schuldzinsen) bestanden. Nachdem das Finanzamt in seinen Einkommensteuerbescheiden für diese Jahre die nachträglichen negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit der Begründung nicht berücksichtigt hatte, dass die zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe bestandenen Schulden niedriger als die ins Privatvermögen übernommenen Vermögenswerte gewesen seien, begehrte der Mitbeteiligte in seinen Berufungen alternativ die Berücksichtigung der ihm erwachsenen Fremdkapitalkosten als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und verwies hiezu auf das Urteil des BFH vom , X R 96/95. Für die Jahre 1998 und 1999 nahm der Mitbeteiligte von der Geltendmachung nachträglicher negativer Einkünfte aus Gewerbebetrieb Abstand, machte den Abzug der Fremdkapitalkosten (Schuldzinsen) aber als Werbungskosten bei seinen Vermietungseinkünften geltend. In den Einkommensteuerbescheiden des Finanzamtes für die Jahre 1998 und 1999 blieb auch diesem Begehren des Mitbeteiligten ein Erfolg versagt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen des Mitbeteiligten dahin (teilweise) Folge, dass sie - neben der hier nicht strittigen Anerkennung von Rechtsanwaltskosten für das Jahr 1996 als nachträgliche Betriebsausgaben - einen mit 83,3 % ermittelten Anteil an den Fremdkapitalkosten als Werbungskosten bei den Einkünften des Mitbeteiligten aus Vermietung und Verpachtung abzog. In der Begründung des angefochtenen Bescheides hielt die belangte Behörde zunächst fest, dass das gesamte Gebäude zum Betriebsvermögen des seinerzeitigen Gewerbebetriebes gehört habe, zumal die private Benützung des Gebäudes in einem Ausmaß von bloß 13,9 % als untergeordnet zu vernachlässigen sei. Der Wert des vom Mitbeteiligten anlässlich der Betriebsaufgabe ins Privatvermögen übernommenen vormaligen Betriebsvermögens habe mit S 4,237.593,65 die übernommenen Schulden von S 4,227.470,89 überstiegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 95/14/0018, Slg. N.F. Nr. 7.133/F) werde mit Beendigung des Betriebes der Veranlassungszusammenhang hinsichtlich solcher betrieblicher Schulden unterbrochen, die durch einen Veräußerungserlös oder eine Verwertung zurückbehaltenen Vermögens hätten beglichen werden können. Ob dem Steuerpflichtigen die Veräußerung übernommener Vermögenswerte zugemutet werden könne, sei nach der Rechtsprechung (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 94/14/0166) nicht von Belang. Als nachträgliche Betriebsausgaben des früheren Gewerbebetriebes des Mitbeteiligten könnten die Fremdkapitalkosten demnach nicht angesehen werden. Wenngleich ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang konkreter Verbindlichkeiten des Mitbeteiligten mit Anschaffungs- und Herstellungskosten des nunmehr vermieteten Gebäudes weder erwiesen noch auch nur behauptet worden sei, könne dennoch ein - mittelbarer - wirtschaftlicher Zusammenhang "zwischen den anlässlich der Betriebsaufgabe ins Privatvermögen übernommenen Vermögenswerten und Schulden" im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 aus folgenden Überlegungen erkannt werden:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 99/15/0106 und 0107) könnten im Falle einer Betriebsaufgabe bei anschließender Vermietung des ehemaligen Betriebsgebäudes den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur jene Bankschulden zugeordnet werden, die unmittelbar der Finanzierung der Liegenschaft gedient hätten. Habe eine Bankverbindlichkeit bis zur Betriebsaufgabe allgemeinen betrieblichen Zwecken gedient, dann sei ein Abzug der Zinsen als Werbungskosten mangels Veranlassungszusammenhang mit dem aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedenen und dann vermieteten Gebäude nicht möglich (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 94/14/0048, und erneut auf das hg. Erkenntnis vom , 94/14/0166). Die im Schrifttum (Doralt, EStG4, § 28 Tz 97) aufgezeigte Konsequenz dieser Rechtsprechung, dass der Steuerpflichtige gezwungen sei, das als Einkunftsquelle dienende Mietobjekt zu veräußern, um den Betriebskredit zurückzuzahlen, könne vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sein. Unterlasse der Steuerpflichtige wie im vorliegenden Fall eine Veräußerung des vormaligen Betriebsgebäudes, um die aus dessen Vermietung erzielten Überschüsse zur Rückzahlung des Kredites und Bestreitung seines Unterhaltes zu verwenden, dann sei nicht einsichtig, dass zwar die erklärten Einnahmen aus der Vermietung besteuert würden, die mit diesen Einnahmen in einem "eindeutigen - mittelbaren - wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden" Schuldzinsen hingegen keine steuerliche Berücksichtigung finden sollten. Es schließe sich die belangte Behörde daher der vom BFH im Urteil vom , X R 96/95, in Abkehr von früherer Rechtsprechung vertretenen Auffassung an, dass ein Steuerpflichtiger, der es unterlassen habe, einen ursprünglich für allgemeine betriebliche Zwecke aufgenommenen Kredit nach Aufgabe des Betriebes mit Hilfe der Veräußerung des früheren Betriebsgrundstückes zu tilgen, um dieses nunmehr vermögensverwaltend zu vermieten, die Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen könne. Da die "Zurückhaltung der Verbindlichkeit" dem "Erwerb eines zum Zwecke der Einkünfteerzielung verwendeten Wirtschaftgutes" diene, werde so ein "neuer Zusammenhang von Zinsaufwendungen mit steuerbaren Erträgen" hergestellt. Da der Anteil des für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eingesetzten Vermögens unter Berücksichtigung der Werte des privat benützten Gebäudeteils und des sonstigen (nicht im Gebäude bestehenden) übernommenen Vermögens mit 83,3 % anzusetzen sei, stünden deshalb auch 83,3 % der ins Privatvermögen übernommenen Schulden in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die nach § 292 BAO in ihrer Fassung vor dem AbgRmRefG, BGBl I 2002/97, erhobene Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, über welche der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde sowie Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und den Mitbeteiligten samt einer Replik durch den Beschwerdeführer erwogen hat:

Zu den steuerlichen Konsequenzen einer nach Betriebsaufgabe vorgenommenen Vermietung des vormaligen Betriebsgebäudes für die Abziehbarkeit von Schuldzinsen eines betrieblichen - und mit der Anschaffung oder Herstellung des Gebäudes in keinen Zusammenhang zu bringenden - Darlehens, das wegen der anstatt einer Veräußerung gewählten Nutzung des vormaligen Betriebsgebäudes zur Erzielung von Vermietungseinkünften ungetilgt geblieben war, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinen auch im angefochtenen Bescheid angeführten Erkenntnissen vom , 99/15/0106 und 0107, und vom , 94/14/0166, klare Aussagen getroffen. Diese Aussagen, auf welche im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGG verwiesen werden kann, stehen im Beschwerdefall, der nach dem von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt den Beschwerdefällen der genannten Erkenntnisse in rechtserheblicher Hinsicht vollständig gleicht, der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vorgenommenen rechtlichen Beurteilung diametral entgegen, was der beschwerdeführende Präsident zutreffend aufzeigt (siehe ergänzend auch das ebenfalls von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom , 94/14/0048).

Die im angefochtenen Bescheid gebrauchten Argumente vermögen den Verwaltungsgerichtshof ebenso wenig zu einem Abrücken von seiner Rechtsprechung zu veranlassen wie die Ausführungen des Mitbeteiligten in seiner Gegenschrift. Dessen Behauptung, die Präsidentenbeschwerde sei verspätet erhoben worden, beruht auf einer Verwechslung des Datums der Wiedervorlage der nach Mängelbehebung verbesserten Beschwerde mit jenem ihrer erstmaligen (rechtzeitigen) Überreichung. Das Vorbringen des Mitbeteiligten über eine schon während des noch aufrechten Betriebes der Gastwirtschaft bestandene Vermietung von Teilen der Liegenschaft verstößt gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot. Dass die Schuldzinsen "ihre Veranlassung in den vorhandenen Aktiven" gehabt hätten, wie der Mitbeteiligte geltend macht, entspricht einer Sichtweise, die der Verwaltungsgerichtshof nicht teilen kann. Entscheidend für die steuerliche Abziehbarkeit von Schuldzinsen ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der abzugehen kein Anlass besteht, die Verwendung der aufgenommenen Fremdmittel (siehe die hg. Erkenntnisse vom , 94/14/0129, und vom , 95/14/0150, ebenso wie auch jene vom , 93/15/0051, und vom , 94/14/0017, Slg. N.F. Nr. 7.246/F) im Zeitpunkt ihrer Aufnahme (siehe das vom beschwerdeführenden Präsidenten ins Treffen geführte hg. Erkenntnis vom , 97/15/0164, aus dem für den Standpunkt des Mitbeteiligten entgegen dessen Behauptung in der Gegenschrift nichts zu gewinnen ist). Die vom BFH in seinem Urteil vom , X R 96/95, vertretene - der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides zu Grunde liegende - Auffassung von der steuerrechtlichen Möglichkeit und Wirksamkeit einer nachträglichen "Umwidmung" in der Vergangenheit aufgenommener Fremdmittel teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Den Überlegungen des Mitbeteiligten über die Rechtsfolgen ähnlich gestalteter Sachverhalte ist entgegenzuhalten, dass nur der jeweils real vorliegende Sachverhalt der steuerrechtlichen Beurteilung zu unterziehen ist (siehe neben den bereits zitierten hg. Erkenntnissen vom , 99/15/0106 und 0107, und vom , 94/14/0048, auch das hg. Erkenntnis vom , 2001/13/0009).

Erweist sich die Anerkennung der in Rede stehenden Schuldzinsen des Mitbeteiligten als Werbungskosten seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den Streitjahren durch die belangte Behörde aus den in den Gründen der Erkenntnisse vom , 99/15/0106 und 0107, und vom , 94/14/0166, dargelegten Erwägungen als rechtswidrig, so trifft aus den Gründen derselben Erkenntnisse umgekehrt die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde zu, mit welcher sie im angefochtenen Bescheid die Abziehbarkeit dieser Schuldzinsen als nachträgliche negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 32 Z. 2 EStG 1988 verneint hat. Dass die Verbindlichkeiten mit einer Veräußerung der ehemaligen Betriebsliegenschaft hätten getilgt werden können, räumt der Mitbeteiligte in der Gegenschrift ausdrücklich ein. Eine "Zumutbarkeit" der Veräußerung hat die belangte Behörde entgegen der Auffassung des Mitbeteiligten zutreffend als nicht rechtserheblich angesehen. Betrieblich (und nicht privat) veranlasstes Handeln eines Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Beendigung seines betrieblichen Engagements besteht im (unverzüglichen) Einsatz der verbliebenen Aktiven zur Abdeckung der Betriebsschulden (siehe neben den bereits zitierten hg. Erkenntnissen vom , 95/14/0018, Slg. N.F. Nr. 7.133/F, und vom , 94/14/0166, auch das hg. Erkenntnis vom , 99/14/0250). Wenn der Mitbeteiligte die Nutzung des Gebäudes zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einer Veräußerung des Gebäudes (auch) deswegen vorzog, weil das Gebäude, wie er vorträgt, als Familienwohnsitz dient, dann war dies eine Entscheidung, die zwar verständlich, aber als privat motiviert anzusehen ist und welche die - deswegen weiter anfallenden - Schuldzinsen aus dem - deswegen ungetilgt bleibenden - Betriebskredit nicht mehr der betrieblichen, sondern der privaten Sphäre zuweist.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am