VwGH vom 18.12.1996, 95/15/0149
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Ing. G in H, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom , Zl. GA 6-93/5010/09, betreffend Umsatzsteuer 1990 und 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beiden Gesellschafter und Geschäftsführer der H-GmbH mit Sitz in W sind polnischer Herkunft. Im Zuge einer bei dieser GmbH durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung gelang es dem Finanzamt nicht, die Geschäftsführer anzutreffen oder deren aktuelle Wohnadresse zu erurieren. Das Finanzamt führte ungefähr zeitgleich bei dem - in Österreich ansässigen - Beschwerdeführer eine abgabenbehördliche Prüfung durch und gelangte dabei zum dem Ergebnis, die unter der Firma H-GmbH entwickelte Geschäftstätigkeit (in Form von Personalgestellung) sei in wirtschaftlicher Betrachtungsweise ihm als dem tatsächlichen Machthaber zuzurechnen. Aufgrund dieser Prüfungsfeststellungen rechnete das Finanzamt dem Beschwerdeführer Umsätze von ca. 6,4 Millionen Schilling im Jahr 1990 und ca. 9,5 Millionen Schilling im Jahr 1991 zu und erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide.
In der Berufung gegen diese Bescheide begehrte der Beschwerdeführer deren Aufhebung. Das Finanzamt habe die Betätigung einer inländischen juristischen Person auf eine inländische physische Person übertragen und sich dabei lediglich auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise berufen. Der Beschwerdeführer sei jeweils für die H-GmbH aufgetreten und somit als unmittelbarer Machthaber zu qualifizieren. Die Fülle der im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung festgestellten Handlungen des Beschwerdeführers für die H-GmbH betreffe ausschließlich die Bereiche Akquisition und Geldverkehr; in diesen Bereichen sei er häufig für die Gesellschaft tätig gewesen, und zwar als Bevollmächtigter, mithin als tatsächlicher Machthaber. Es bleibe aber unerfindlich, aus welchen Gründen das Finanzamt die Umsätze der H-GmbH dem Beschwerdeführer zugeordnet habe. Er sei nämlich als tatsächlicher Machthaber für die H-GmbH eingeschritten. Der für den Beschwerdeführer nicht nachprüfbare Umstand, daß die leitenden Angestellten der H-GmbH verstorben, ortsabwesend oder sogar flüchtig seien, ändere nichts an den Zurechnungsgrundsätzen. Daß die H-GmbH zum Zeitpunkt der abgabenbehördlichen Prüfung weder über eine adäquate Betriebsstätte noch über ein "imposantes Büro" verfügt habe, sei der Zurechnung von Umsätzen an sie, die sie sowohl in wirtschaftlicher als als auch in juristischer Betrachtungsweise erzielt habe, nicht abträglich.
Mit der ergänzenden Eingabe vom brachte der Beschwerdeführer vor, er habe niemals die Tätigkeit der Personalbeistellung ausgeübt. Er sei weder Geschäftsführer der H-GmbH noch deren Gesellschafter gewesen, nach dem Willen der polnischen Gesellschafter habe er lediglich als Berater in diversen Belangen zur Verfügung stehen sollen. Es sei ihm zwar die Zeichnungsberechtigung hinsichtlich des Bankkontos der H-GmbH zugekommen. Die GmbH habe ihm aber nur deshalb die Zeichnungsberechtigung über das Konto eingeräumt, um sein Vertrauen zu gewinnen; überdies sei dadurch seine Bekanntheit bei dem Bankinstitut genutzt worden.
Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, die Leistungsbeziehungen hätten zwischen der H-GmbH und den entsprechenden Auftraggebern bestanden. Viele Rechnungen der H-GmbH seien von HP, einem ihrer Geschäftsführer, ausgestellt und unterzeichnet worden. Der Durchgriff auf den Beschwerdeführer sei gesetzlich nicht gedeckt. Die Behörde hätte auf die Geschäftsführer und auf die Gesellschafter der GmbH greifen müssen. Zu den von der H-GmbH geltend gemachten Vorsteuern führte der Beschwerdeführer aus, es handle sich um Umsatzsteuern aus Werkverträgen mit polnischen Arbeitern.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer sei Brunnenbaumeister und Berufsschullehrer. Im Zuge umfangreicher Erhebungen der Betriebsprüfungen seien folgende Tatsachen festgestellt worden: Die Adresse der H-GmbH (W, A-Straße 34/12) habe sich als reine Postadresse erwiesen, an welcher sich der Sitz einer Wirtschaftstreuhand-GmbH befinde. Der Büroleiter der Wirtschaftstreuhand-GmbH sei vom Beschwerdeführer beauftragt gewesen, ihm die an die H-GmbH gerichtete Post weiterzuleiten. Mit Schreiben vom habe die H-GmbH der Lohnsteuerstelle des Finanzamtes für Körperschaften in Wien einen Adressenwechsel (nach W, B-Straße 1) mitgeteilt. Auch diese Adresse erweise sich als reine Postadresse, an der sich der Sitz der B-GmbH befinde; es seien Mahnschreiben der B-GmbH aufgefunden worden, die an die H-GmbH zu Handen des Beschwerdeführers gerichtet gewesen seien. Franz K. habe am ausgesagt, daß er mehrmals auf Anbote der H-GmbH zur Bereitstellung von Arbeitskräften zurückgegriffen habe, wobei er sich jeweils unter einer bestimmt bezeichneten Telefonnummer an die H-GmbH gewandt habe. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung sei diese Telefonnummer jene des Beschwerdeführers. Das Finanzamt habe Ausgangsrechnungen der H-GmbH aufgefunden. Die Zahlungen zur Begleichung der Rechnungen seien auf ein Konto der H-GmbH bei der I-Bank gegangen. Aufgrund des bei der Bank geführten Unterschriftenprobenblattes sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer als Handlungsbevollmächtigter einzelzeichnungsberechtigt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe im Berufungsverfahren vorgebracht, daß er für die Vermittlung von Aufträgen eine Provision von 10 % von der H-GmbH erhalten habe und ihm lediglich zu "Kontrollzwecken" von der H-GmbH die Zeichnungsberechtigung hinsichtlich ihres Bankkontos eingeräumt worden sei. Weiters habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß er die am Konto einlangenden Zahlungen abgehoben habe und daß er sodann 10 % für sich behalten und die weiteren Beträge an die für die H-GmbH tätige Frau B. gegen Quittung weitergereicht habe. Ein Teil der Kundenzahlungen sei auf ein weiteres Konto bei der I-Bank (in Form eines Überbringersparbuches) eingegangen. Die Leitung der Bank habe einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Konten bestätigt; im übrigen seien auch Verrechnungsschecks, die der Beschwerdeführer als Einlöser unterfertigt habe, diesem Sparbuch gutgeschrieben worden. Der Beschwerdeführer habe behauptet, die H-GmbH habe Arbeiter beschäftigt und weitervermittelt. Demgegenüber sei jedoch in dem an die Lohnsteuerstelle des Finanzamtes für Körperschaften gerichteten Schreiben vom von der H-GmbH ausgeführt worden, daß sie bisher keinerlei Angestellte oder Arbeiter beschäftigt habe und voraussichtlich auch in nächster Zeit keine Dienstnehmer beschäftigen werde. Selbst wenn die Beschaffung der Arbeitskräfte, deren Einteilung und Bezahlung durch Frau B. erfolgt sein sollte, könne dies nach Ansicht der belangten Behörde immer noch eine firmeninterne Arbeitsaufteilung gewesen sein. Aufgrund der nach außen wirkenden unternehmensspezifischen Umstände wie Einzelzeichnungsberechtigung, idente Telefonnummer, Bezugsperon im Schriftverkehr sowie Akquisition und Geldverkehr gelange die belangte Behörde zu der Überzeugung, daß die betreffenden Umsätze beim Beschwerdeführer der Besteuerung unterzogen werden müßten, da die H-GmbH kein Steuersubjekt darstelle.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Umsatzsteuerlich sind Leistungen demjenigen Unternehmer zuzurechnen, der sie im eigenen Namen erbringt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer auf eigene oder fremde Rechnung tätig wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 87/15/0157). Dem Unternehmer sind auch Leistungen zuzurechnen, die er durch Arbeitnehmer, Organwalter oder Stellvertreter erbringen läßt.
Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall die Feststellung getroffen, daß dem Beschwerdeführer Einzelzeichnungsberechtigung für die H-GmbH zukomme, daß die von der H-GmbH bekanntgegebene Telefonnummer seine Telefonnummer sei, daß er Bezugsperson für den an die H-GmbH gerichteten Schriftverkehr gewesen sei und daß er im Bereich der Akquisition und des Geldverkehrs für die H-GmbH tätig gewesen sei. Sie hat dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, daß er im Namen der H-GmbH aufgetreten sei und somit den Kunden gegenüber diese Gesellschaft in Erscheinung getreten sei, nicht widersprochen. Wenn sie bei dieser Sachlage die Umsätze aus der Personalgestellung der GmbH dem Beschwerdeführer zugerechnet hat, hat sie die Rechtslage verkannt.
Sollten die Ausführungen der belangten Behörde dahingehend zu verstehen sein, daß der Beschwerdeführer die H-GmbH als Treuhänderin eingesetzt habe, so ist auf folgendes zu verweisen: Tritt der Treuhänder im Außenverhältnis als Leistungserbringer in Erscheinung, so sind ihm in umsatzsteuerlicher Hinsicht die Leistungen zuzurechnen, auch wenn er für Rechnung des Treugebers tätig wird. Es kann zutreffen, daß auch die Leistungen des Treugebers an den Treuhänder umsatzsteuerlich zu erfassen sind; dies ist der Fall, wenn der Treugeber selbständig, nachhaltig und mit Einnahmenerzielungsabsicht tätig ist und dem Treuhänder entgeltlich Leistungen erbringt (vgl. nochmals das hg Erkenntnis 87/15/0157 sowie Ruppe, UStG 1994, § 1 Tz.284). Daß aber im gegenständlichen Fall der Beschwerdeführer der H-GmbH entgeltlich Personal gestellt hätte - jenes Personal, das die H-GmbH ihren Kunden überlassen hat - hat die belangte Behörde nicht festgestellt.
Der Sachverhalt, den die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid als erwiesen angenommen hat, vermag sohin in rechtlicher Hinsicht die Zurechnung von Umsätzen an den Beschwerdeführer nicht zu tragen. Die belangte Behörde konnte sich zwar auf ein umfangreiches Ermittlungsverfahren des Finanzamtes stützen, die von ihr festgestellten Umstände lassen jedoch nicht erkennen, daß der Beschwerdeführer im Außenverhältnis als Leistungserbringer aufgetreten wäre.
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Ersatz der Stempelgebühren war zuzusprechen für drei Ausfertigungen der Beschwerde (S 360,--) und eine Ablichtung des angefochtenen Bescheides (S 150,--).