VwGH vom 23.01.1997, 95/15/0121
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des A in M, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom ,
GA 7 - 1494/94, betreffend Haftung für Umsatzsteuer gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der A-GmbH. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der A-GmbH die Umsatzsteuer 1986 mit 2,790.300 S fest. Die A-GmbH ist Komplementär-GmbH der A-GmbH & Co KG. Hinsichtlich der A-GmbH - wie auch der KG - wurde am das Ausgleichsverfahren und in der Folge - der Ausgleich konnte nicht erfüllt werden - am das Konkursverfahren eröffnet.
Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer vom Finanzamt gemäß § 9 Abs. 1 BAO als Haftungspflichtiger für diverse Abgabenschulden der A-GmbH (ua Umsatzsteuer 1986 in Höhe von 580.257 S) im Gesamtbetrag von 2,005.278 S in Anspruch genommen.
In der Berufung gegen diesen Haftungsbescheid brachte der Beschwerdeführer vor, es sei im Februar 1986 das Ausgleichsverfahren und im April 1987 das Konkursverfahren über die Gesellschaft eröffnet worden. Jene Abgabenschuldigkeiten, die nach Konkurseröffnung fällig geworden seien, habe der Beschwerdeführer nicht entrichten dürfen; ihre Entrichtung wäre Sache des Masseverwalters gewesen. Nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens sei es ihm verboten gewesen, Abgabenschulden für frühere Zeiträume bevorzugt zu tilgen. Soweit noch Deckung vorhanden gewesen sei, habe er die Abgaben, welche die Zeit nach Ausgleichs- aber vor Konkurseröffnung betreffen, laufend entrichtet. "Vorsichtsweise" werde auch die Verjährung der Abgaben geltend gemacht.
Nachdem das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung den Haftungsbetrag - durch Ausscheiden der nach Konkurseröffnung fällig gewordenen Abgaben - eingeschränkt hatte, stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insofern teilweise Folge als sie die Haftung auf den Betrag von 580.257 S an Umsatzsteuer 1986 (Nachforderung aufgrund des Jahresbescheides) einschränkte. Es stehe im Hinblick auf die mittlerweile erfolgte Aufhebung des Konkursverfahrens außer Streit, daß dem Haftungsbescheid zugrundeliegende Abgabenschuldigkeiten bei der A-GmbH nicht einbringlich seien. Den Beschwerdeführer habe als alleinigen Geschäftsführer die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben getroffen. Da es sich bei der Umsatzsteuer um eine mit den Preisen bereits vereinnahmte Abgabe handle, müsse der Vertreter ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Gesellschaft zur gänzlichen Abfuhr der Umsatzsteuer in der Lage sein. Weiters sei zu beachten, daß Kundenforderungen an die Hausbank zediert worden seien, weshalb letztlich die Bank darüber habe bestimmen können, welche Verbindlichkeiten aus den Forderungseingängen befriedigt werden. Der Beschwerdeführer habe durch die Genehmigung der Zession gegen die Pflicht verstoßen, die Benachteiligung von Abgabenforderungen zu vermeiden, weil er nicht mit Sicherheit damit habe rechnen können, über Barmittel zur Bezahlung der in den abgetretenen Forderungen enthaltenen Umsatzsteuerbeträge verfügen zu können. Von der Aufnahme der beantragten Beweise sei gemäß § 183 Abs. 3 BAO abzusehen, weil der Entscheidung hinsichtlich der unter Beweis zu stellenden Tatsachen ohnedies das Beschwerdevorbringen zugrunde gelegt worden sei.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde. Anfang 1987 sei der Ausgleich bereits gescheitert und ein Konkurs unausweichlich gewesen. Es seien keine flüssigen Mittel zur Begleichung der Umsatzsteuer zur Verfügung gestanden. Aufgrund der Mantelzessionserklärung seien sämtliche Kundenforderungen an die Hausbank abgetreten gewesen. In der letzten Zeit vor der Konkurseröffnung habe die Bank jeweils bestimmt, für welche Zwecke von ihr freigegebene Beträge zu verwenden seien. Die Auffassung der belangten Behörde, daß bereits diese Abtretung eine Verletzung der Geschäftsführerpflichten darstelle, sei unzutreffend; die Behörde habe nämlich keinerlei Feststellungen darüber getroffen, daß zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Mantelzession eine Gefahr der Einbringung künftiger Abgabenverbindlichkeiten bestanden habe oder erkennbar gewesen wäre. Durch die Kreditinanspruchnahme gegen Besicherung in Form der Abtretung habe die A-GmbH nämlich Geld zur Vermeidung einer Finanzierungslücke erhalten. Der Beschwerdeführer rügt als Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß die belangte Behörde die von ihm zur Frage der Zahlungsunfähigkeit und der Unerfüllbarkeit des Ausgleiches zu Beginn des Jahres 1987 angebotenen Zeugen nicht einvernommen habe. Bei Aufnahme der Beweise wäre sie zum Ergebnis gekommen, daß der Beschwerdeführer nicht über die zur Tilgung der Abgabenschulden erforderlichen Mittel verfügt habe und ihn an diesem Umstand kein Verschulden getroffen habe. Der Beschwerdeführer rügt als Verletzung von Verfahrensvorschriften weiters, die Behörde sei auch seinem Ersuchen auf Bereitstellung lückenloser Kontoauszüge und der Kopie des Abgabenbescheides nicht nachgekommen. Es sei nicht geprüft worden, inwieweit die strittigen Abgaben auf Jänner und Februar 1986 entfallen und daher nur nach Maßgabe der Ausgleichserfüllung zu befriedigen seien.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertreten Abgabepflichtigen für die diese betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Im Abschluß eines (globalen) Mantelzessionsvertrages, durch den einerseits die Bank als andrängender Gläubiger begünstigt, anderseits andere andrängende Gläubiger - insbesondere der Bund als Abgabengläubiger - benachteiligt werden, ist eine dem Geschäftsführer vorzuwerfende Pflichtverletzung zu erblicken (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 92/14/0088). Der Abschluß des Zessionsvertrages stellt dann eine Pflichtverletzung dar, wenn der Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses damit rechnen mußte, durch die Zession der GmbH ihre liquiden Mittel zur Berichtigung anderer Schulden als Bankschulden, insbesondere Abgabenschulden, zu entziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 88/14/0193).
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid gestützt auf hg. Judikatur davon aus, daß es sich bei der Umsatzsteuer um eine mit den Preisen bereits vereinnahmte Abgaben handle und der Vertreter zur gänzlichen Abfuhr der Umsatzsteuer ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Gesellschaft bei korrekter Geschäftsführung jedenfalls in der Lage sei müsse.
In seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 91/13/0037, 0038, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die zu dieser Frage ergangene uneinheitliche Judikatur ausgesprochen, daß er die von ihm verschiedentlich vertretene Ansicht, die Umsatzsteuer werde mit den Preisen für die erbrachten Lieferungen und sonstigen Leistungen vereinnahmt und stehe daher für die Abfuhr an das Finanzamt ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten zur Verfügung, nicht aufrecht hält. Vielmehr ist auch bei der Umsatzsteuer zu prüfen, ob ausreichende Mittel zur Verfügung stehen, widrigenfalls dies eine für die Uneinbringlichkeit kausale schuldhafte Verletzung der Abfuhrpflicht des Vertreters ausschließen kann. Das Verschulden des Geschäftsführers im Zusammenhang mit der Haftung für Umsatzsteuer ist daher wie bei anderen Abgaben (mit Ausnahme der Lohnsteuer und der Kapitalertragsteuer) zu beurteilen.
Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid betreffend die aus der Sonderstellung der Umsatzsteuer abgeleitete Pflichtverletzung des Beschwerdeführers vermögen daher im Hinblick auf die unstrittige Mittellosigkeit der Gesellschaft bei Fälligkeit der gegenständlichen Umsatzsteuern den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen.
Im angefochtenen Bescheid wird aber in der Form einer alternativen Begründung auf die im Abschluß eines Mantelzessionsvertrages liegende Pflichtverletzung des Beschwerdeführers abgestellt.
Der Beschwerdeführer hat als Geschäftsführer einen Mantelzessionsvertrag abgeschlossen hat und hiebei keine Vorsorge getroffen, so über die eingehenden Mittel verfügen zu können, daß alle andrängenden Gläubiger der A-GmbH aliquot befriedigt werden können. Mit seinen Ausführungen im Verwaltungsverfahren (insbesondere in dem im Vorlageantrag enthaltenen Verweis auf den gleichzeitig als dessen Beilage vorgelegten Vorlageantrag betreffend die A-GmbH & Co KG), er sei auf Grund des Mantelzessionsvertrages nicht in der Lage gewesen, die in Rede stehenden Abgabenschulden zu entrichten, hat der Beschwerdeführer bereits dargetan, daß er die (Haus)Bank bevorzugt hat, was aber gleichzeitig die Benachteiligung anderer Gläubiger zur Folge hat (vgl das hg Erkenntnis vom , 91/14/0255). Wenn die belangte Behörde in diesem Vorgehen des Beschwerdeführers eine Pflichtverletzung erblickt hat, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden, zumal der Beschwerdeführer in der erwähnten Beilage als Grund für das Eingehen der Mantelzession die bereits bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten anführte.
Soweit der Beschwerdeführer nunmehr vorbringt, durch die Mantelzession habe er weitere Kreditmittel zur Tilgung von Verbindlichkeiten erhalten, liegt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung vor.
Daß die A-GmbH (wegen der Zession) über Mittel, die auf ihrem Konto eingegangen sind, nicht mehr zur Befriedigung von anderen Forderungen verfügen konnte, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid als erwiesen angenommen. Wenn sie daher die vom Beschwerdeführer zu diesem Beweisthema angebotenen Zeugen nicht vernommen hat, kann darin eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht erblickt werden. Zur Frage, daß den Beschwerdeführer am - durch den Abschluß des Mantelzessionsvertrages verursachten - Fehlen einer Dispositionsmöglichkeit über die eingehenden Mittel im fraglichen Zeitraum kein Verschulden treffe, hat der Beschwerdeführer - entgegen seiner Behauptung in der Beschwerde - im Verwaltungsverfahren Zeugen nicht angeboten.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei seinem Ersuchen um Übermittlung von Kontoauszügen und der Kopie des Umsatzsteuerbescheides 1986 nicht entsprochen worden, ist folgendes entgegenzuhalten:
Mit dem an die A-GmbH ergangenen Abgabenbescheid wurde Umsatzsteuer 1986 festgesetzt. § 248 BAO regelt, daß ein Haftungspflichtiger unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung einer Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen kann, wobei, wenn der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches beantragt, § 245 Abs. 2 und 4 BAO sinngemäß anzuwenden ist. Eine solche Berufung gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sodaß der Beschwerdeführer durch eine allfällige Behinderung seiner Verteidigungsrechte in einem solchen Berufungsverfahren im Beschwerdefall nicht in seinen Rechten verletzt sein kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/13/0037, 0038). Gegenstand des Haftungsverfahrens ist es hingegen, ob bzw in welchem Ausmaß eine Abgabenschuld noch unberichtigt aushaftet. Soweit der Beschwerdeführer aber in diesem Zusammenhang die Vorlage von Kontoauszügen verlangt hat, ist darauf zu verweisen, daß - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht vorbringt - der Partei ein Recht auf Akteneinsicht zukommt, dieses aber nicht den Anspruch auf Herstellung von Abschriften durch die Behörde beinhaltet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/15/0005). Daß dem Beschwerdeführer das Recht auf Akteneinsicht verweigert worden wäre, wird in der Beschwerde nicht behauptet.
Mit dem Hinweis, daß am Abgabenkonto der A-GmbH zum ein Guthaben von ca. 93.000 S bestanden habe, wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt. Aus der im November 1987 eingereichten Umsatzsteuererklärung 1986 ergibt sich nämlich die Restschuld von 580.257 S. Ungeachtet dessen, daß die Fälligkeit für diese Schuld bereits früher eingetreten ist, konnte aufgrund der offenkundig zu niedrigen Umsatzsteuervoranmeldungen die Umsatzsteuer vor Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung noch nicht in der richtigen Höhe auf dem Abgabenkonto verbucht sein; das Guthaben am Abgabenkonto zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr 1986 läßt daher in keiner Weise darauf schließen, daß die in Rede stehende Abgabenschuld nicht unberichtigt aushaften würde.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Umsatzsteuerrestschuld, für die er in Anspruch genommen worden sei, könne Umsatzsteuerschuld für die Monate Jänner und Februar 1986 sein. Sie würde Zeiträume vor Ausgleichseröffnung betreffen und wäre daher nur mit der Ausgleichsquote zu erfüllen.
Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer schon aus folgenden Gründen nicht durchzudringen: Das Finanzamt hat dem Beschwerdeführer mit Berufungsvorentscheidung vorgehalten, die Umsatzsteuerrestforderung 1986 sei am fällig geworden. Er hat in der Folge im Vorlageantrag vorgebracht, die Umsatzsteuer 1985 - diese wurde mit dem angefochtenen Bescheid aus dem Haftungsbetrag ausgeschieden - sei vor Ausgleichseröffnung entstanden. Weil er sohin im Verwaltungsverfahren Tatsachen nicht vorgebracht hat, aus denen sich ergäbe, die in Rede stehende Abgabe gehe auf vor dem Ausgleich verwirklichte Sachverhalte zurück, sondern ein solches Vorbringen erstmals in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erstattet hat, liegt darin eine gemäß § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.