VwGH vom 28.01.1994, 92/17/0285
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Raunig, über die Beschwerde der Stadtgemeinde F, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 7-48 Oa 9/87 - 1992, betreffend Aufschließungsbeitrag (mitbeteiligte Partei: O-Gesellschaft m.b.H. in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien ist seit unter HRB nn.nnn1 die Firma der XY-Gesellschaft m.b.H. (in Hinkunft "XY") eingetragen. Weiters ist dort unter FN sssss (früher HRB nn.nnn2) seit die Firma der O-Gesellschaft m.b.H. (in Hinkunft "O") eingetragen.
Mit ihrem an das "Stadtamt F" gerichteten Schriftsatz vom ersuchte die XY um Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung einer Verkaufslagerhalle auf dem Grundstück Nr. 1465/1 (im weiteren Verlauf des Verfahrens korrigiert in 1317). Am fand nach dem Inhalt der darüber aufgenommenen Verhandlungsschrift die Ortsverhandlung betreffend das Ansuchen der XY statt.
Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Stadtgemeinde F der O (sie war bereits in der Baubeschreibung und im Einreichplan als Bauwerberin genannt) die Baubewilligung für die Errichtung einer Verkaufshalle auf der Parzelle Nr. 1317. Dieser Bescheid wurde unter anderem der O (der nunmehrigen Mitbeteiligten), nicht jedoch der XY zugestellt.
Mit Abgabenbescheid vom setzte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Stadtgemeinde F gegenüber der Mitbeteiligten "als Bauwerberin im Baubewilligungsverfahren ... für das Grundstück Nr. 1317 gemäß § 6a Steiermärkische Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 in der letzten Fassung, LGBl. Nr. 14/1989 in Verbindung mit § 1 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom über die Festsetzung des Aufschließungsbeitrages, LGBl. Nr. 25/1989" einen Aufschließungsbeitrag in der Höhe von S 75.700,-- fest.
Dagegen erhob die Mitbeteiligte Berufung, weil die "gegenständliche Zufahrtsstraße" nicht von der beschwerdeführenden Stadtgemeinde finanziert worden sei.
Mit Bescheid vom gab der Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde der Berufung keine Folge.
Dagegen erhob die Mitbeteiligte Vorstellung, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, sie habe Eigenleistungen in mehrfacher Höhe des vorgeschriebenen Aufschließungsbeitrages erbracht.
Mit Bescheid vom gab die Steiermärkische Landesregierung der Vorstellung Folge, behob den Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde F. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß der Aufschließungsbeitrag entgegen der Vorschrift des § 6a Abs. 1 Stmk BauO 1968 nicht gleichzeitig mit der Erteilung der Baubewilligung vorgeschrieben worden sei.
Mit Erkenntnis vom , Zl. 90/17/0399, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Die Bestimmung, der Aufschließungsbeitrag sei GLEICHZEITIG mit der Erteilung der Baubewilligung vorzuschreiben, habe lediglich die Bedeutung, daß unter bestimmten Voraussetzungen AUS ANLAß der Baubewilligung der Aufschließungsbeitrag zu erbringen sei. Daß die belangte Behörde ausgehend von ihrer als unrichtig erkannten Rechtsansicht im angefochtenen Bescheid auf das Vorbringen der Mitbeteiligten in ihrer Vorstellung nicht näher eingegangen sei, stelle sich dagegen nur als Folge ihrer unrichtigen Rechtsansicht, nicht aber als selbständige, vom Verwaltungsgerichtshof gleichermaßen aufgreifbare Rechtswidrigkeit dieses Bescheides dar.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom gab die Steiermärkische Landesregierung im zweiten Rechtsgang der Vorstellung der Mitbeteiligen abermals Folge, behob den Berufungsbescheid vom und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde F. Dies (nunmehr) mit der Begründung, dem Akteninhalt sei zu entnehmen, daß die XY mit Eingabe vom um die Erteilung der Baubewilligung angesucht habe. Die O sei NICHT die Rechtsnachfolgerin der XY. Die O sei daher zu Unrecht als Abgabepflichtige in Anspruch genommen worden. Dadurch seien Rechte der Mitbeteiligten verletzt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die beschwerdeführende Stadtgemeinde in ihrem Recht verletzt, daß ihr Berufungsbescheid vom nicht aufgehoben werde. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die Mitbeteiligte hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 6a der Steiermärkischen Bauordnung 1968 idF der am in Kraft getretenen - im Beschwerdefall daher anzuwendenden - Fassung der Steiermärkischen Bauordnungsnovelle 1988, BGBl. Nr. 14/1989, lautet auszugsweise:
"§ 6a
Aufschließungsbeitrag
(1) Die Baubehörde hat gleichzeitig mit der Erteilung der Baubewilligung einen Aufschließungsbeitrag für die im Bauland (§ 23 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127) gelegenen Grundstücke vorzuschreiben. Dieser Beitrag, der für die Errichtung der Fahrbahn und der Straßenbeleuchtung sowie für die Oberflächenentwässerung zu verwenden ist, wird zur Hälfte mit Rechtskraft der Baubewilligung fällig. Die zweite Hälfte des Beitrages wird mit Rechtskraft der Benützungsbewilligung oder einer Teilbenützungsbewilligung fällig. Der Aufschließungsbeitrag wird jedoch zur Gänze mit Rechtskraft der Baubewilligung fällig, wenn die Aufschließung des Grundstückes zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen ist.
...
(6) Abgabepflichtig ist der Bauwerber, der Eigentümer des Grundstückes zur Zeit der Erteilung der Baubewilligung haftet solidarisch. Wird das Grundstück nach der Erteilung der Baubewilligung veräußert, so haftet der neue Eigentümer für den allfällig noch offenen Betrag.
..."
Die beschwerdeführende Stadtgemeinde bringt zunächst sinngemäß vor, die belangte Behörde habe die aus § 63 Abs. 1 VwGG erfließende Bindungswirkung des oben erwähnten hg. Erkenntnisses vom außer acht gelassen; sie hätte im zweiten Rechtsgang die (vermeintlich) unrichtige Heranziehung der Mitbeteiligten als Abgabenschuldnerin nicht mehr aufgreifen dürfen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag dieser Auffassung nicht zu folgen.
Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit denen ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Die Herstellung des der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Zustandes geschieht, wenn zu seiner Verwirklichung ein Bescheid notwendig ist, durch Erlassung eines neuen Bescheides, der der vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochenen Rechtsansicht entspricht.
Bezogen auf die Frage einer im ersten Rechtsgang nicht wahrgenommenen Unzuständigkeit der belangten Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.128/A, ausgesprochen, die Bindung der Behörde bei Erlassung des Ersatzbescheides an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes erstrecke sich auch auf solche Fragen, die eine notwendige Voraussetzung für den Inhalt seiner aufhebenden Entscheidung darstellten.
Im Beschwerdefall war die Frage, wer im vorliegenden Fall als Abgabenschuldner anzusehen sei, jedenfalls keine notwendige Voraussetzung für den Inhalt des aufhebenden Erkenntnisses vom im Sinne des eben zitierten Erkenntnisses. Denn die durch die Vorstellungsbehörde mit ihrem Bescheid vom ausgesprochene Aufhebung des Berufungsbescheides wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen das Erfordernis der "Gleichzeitigkeit" erwies sich unabhängig von der Person des Abgabepflichtigen als rechtswidrig. Die mit dem mehrfach erwähnten hg. Erkenntnis vom erfolgte Aufhebung des Vorstellungsbescheides vom aus den oben genannten Gründen entfaltete daher KEINE Bindungswirkung hinsichtlich der Frage der Person des Abgabepflichtigen.
Im Recht ist jedoch die beschwerdeführende Stadtgemeinde, wenn sie die Auffassung der belangten Behörde bekämpft, die O sei zu Unrecht als Abgabepflichtige in Anspruch genommen worden.
Im Beschwerdefall trifft es nach der Aktenlage zwar zu, daß die XY gemäß § 58 Stmk BauO 1968 das Ansuchen um Baubewilligung gestellt hat, wohingegen der O die Baubewilligung erteilt wurde. Richtig ist auch die Annahme der belangten Behörde, daß die O nicht Rechtsnachfolgerin der XY ist, was durch die vom Verwaltungsgerichtshof im kurzen Wege beigeschafften Firmenbuchauszüge bestätigt wird. Die in der Beschwerde erwähnte Mitteilung der XY vom , daß "aus organisatorischen Gründen die Projektgesellschaft von XY auf O umbenannt wurde", erliegt NICHT in den Akten des Verwaltungsverfahrens; dies ganz abgesehen davon, daß - wie dargelegt - die Behauptung einer "Umbenennung" unrichtig gewesen wäre.
Richtig ist auch, daß IN DER REGEL als "Bauwerber" im Sinne des § 6a Abs. 6 leg. cit. jene Person anzusehen ist, die um die Erteilung der Baubewilligung angesucht hat (vgl. hiezu Hauer, Steiermärkisches Baurecht, Seite 67, Anmerkung 12 zu § 6a). Schließlich trifft es zu, daß nach der Aktenlage die Baubewilligung vom der antragstellenden XY nicht zugestellt, ihr gegenüber somit nicht erlassen wurde und daher offenbar nicht rechtskräftig ist.
Wie sich jedoch aus der bloß das Verfahren betreffenden Ordnungsvorschrift (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0001) der "Gleichzeitigkeit" ergibt, setzt die VORSCHREIBUNG des Aufschließungsbeitrages zwar die Erlassung des Baubewilligungsbescheides gegenüber dem als Abgabenschuldner in Anspruch zu nehmenden Bauwerber (siehe hiezu weiter unten), nicht jedoch die RECHTSKRAFT des Baubewilligungsbescheides voraus. Im übrigen kann jedoch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Wort "Bauwerber" im § 6a Abs. 6 Stmk BauO 1968 idF. der Novelle 1988 nur jene Person verstanden werden, der (auch) die Baubewilligung erteilt wurde und die damit Trägerin der aus der Baubewilligung erfließenden Rechte und Pflichten ist (vgl. hiezu die zu § 9 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung ergangenen Erkenntnisse vom , Zl. 89/17/0105, und vom , Zl. 89/17/0128).
Nur diese Auslegung erweist sich auch als verfassungskonform; wie der Verfassungsgerichtshof unter anderem in seinem Erkenntnis Slg. 5318/1966 dargetan hat, wäre es unsachlich, wenn jemand verhalten wird, für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbindet, also für Umstände, die außerhalb seiner Interessen- und Einflußsphäre liegen. Dies würde jedoch geschehen, würde der Aufschließungsbeitrag demjenigen vorgeschrieben, der den Antrag auf Baubewilligung gestellt hat, und nicht jenem, dem sie in der Folge tatsächlich erteilt wurde.
Da die belangte Behörde die Rechtslage im aufgezeigten Sinn verkannte, war ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf die Verfahrensrüge der beschwerdeführenden Stadtgemeinde einzugehen war.
Der Vollständigkeit halber sei noch bemerkt, daß die Frage der - von der Rechtskraft der Baubewilligung abhängigen - FÄLLIGKEIT des Aufschließungsbeitrages nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Aufwandersatz für Stempelgebühren war wegen der Gebührenbefreiung der gegen den Vorstellungsbescheid beschwerdeführenden Gemeinde gemäß § 2 Z. 2 und 3 des Gebührengesetzes 1957 nicht zuzusprechen (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom , Zl. 90/17/0505).