VwGH vom 26.04.1996, 92/17/0258
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ib-8233/1-1992, betreffend Widerruf der Bewilligung der Einkaufsbesteuerung nach § 7 des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde L), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde erteilte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom bis auf Widerruf die Bewilligung, die Getränke- und Speiseeissteuer ab auf Grund der Eingangsfakturen (= Sollbesteuerung) zu ermitteln.
Diese Bewilligung wurde gemäß § 7 Abs. 4 des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes vom , LGBl. Nr. 102 (im folgenden: TirGetrStG), mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom mit Wirksamkeit ab widerrufen. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, da der Abgabepflichtige in seinem Gastgewerbebetrieb die Getränkearten Bier und Kaffee in verschiedenen Variationen anbiete und diesen Umstand jedoch bei der Ermittlung der Getränkesteuerbemessungsgrundlagen weder mengen- noch wertmäßig berücksichtige, könne die Abgabenbehörde die Bewilligung der Einkaufsbesteuerung nicht mehr aufrechterhalten. Es sei vor allem unter Betrachtung der Höhe des getränkesteuerpflichtigen Jahresumsatzes im Betrieb des Abgabepflichtigen zu gravierenden Abweichungen (Fehlberechnungen) gekommen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete der Beschwerdeführer ein, er ermittle seit Eröffnung des Betriebes seine Tageslosungen ohne Registrierkasse und zwar durch Zählen des vereinnahmten Geldes bei Geschäftsschluß. Die Anschaffung einer Registrierkasse zum Zwecke der Trennung der Entgelte bei Vereinnahmung oder eine andere Art Erlöstrennung (z.B. Bonbuch) wäre für den Steuerpflichtigen existenzbedrohend, weil er wegen des dadurch entstehenden Zeitaufwandes eine zusätzliche Kellnerin anstellen müßte. Insbesondere in den Hauptgeschäftszeiten wäre ansonsten der reibungslose Geschäftsablauf nicht möglich. Eine zusätzliche Arbeitskraft (Kosten ca. S 200.000,-- p.a.) sei nicht verkraftbar, zumal der Betrieb in den letzten vier Jahren erhebliche Umsatzrückgänge aufweise und seit zwei Jahren Verluste erwirtschafte.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen.
Im Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, der gegenständliche Betrieb könne nicht mit anderen Gastronomiebetrieben verglichen werden. Das Besondere liege darin, daß der Beschwerdeführer den bestens eingeführten und gutgehenden Betrieb im Jahre 1979 zu dem damals sehr hohen Monatspachtzins von S 28.374,-- übernommen habe. Die ersten Jahre nach Beginn des Pachtverhältnisses hätten auch gezeigt, daß sich trotz dieses hohen Pachtschillings Gewinne erzielen ließen. Zu dieser Zeit seien auch doppelt so viele Arbeitnehmer wie heute beschäftigt worden und es wäre auch eine erweiterte Einnahmenaufteilung ohne weiteres möglich gewesen. Die Situation habe sich aber in den letzten Jahren grundlegend geändert, weil einige Konkurrenzbetriebe entstanden seien, wodurch sich der Umsatz drastisch verschlechtert habe. Der Personalstand habe auf die Hälfte reduziert werden müssen, der monatliche Pachtaufwand sei jedoch bedingt durch die Wertsicherung auf mittlerweile S 42.000,-- gestiegen. Es bestehe daher ein berechtigtes Interesse der Partei auf Beibehaltung der Einkaufsbesteuerung um das Pachtverhältnis nicht aufkündigen zu müssen und möglicherweise den Untergang des Betriebes zu verhindern. Was die Zweckmäßigkeit betreffe, werde seit Durchführung der Getränkesteuerprüfung die laufende Getränkesteuer nach Maßgabe der im Getränke- und Speiseeissteuerbescheid vom (abgeändert am ) von der Gemeinde getroffenen Festsetzungen berechnet.
Der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde wies mit Bescheid vom die Berufung als unbegründet ab.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es, Unternehmer, die in ihrem Gastgewerbebetrieb kein Personal oder nur fallweise Aushilfeskräfte beschäftigten und auch beträchtliche Umsätze erwirtschafteten, seien durchaus in der Lage Erlösaufzeichnungen mittels einer Registrierkasse ohne Beeinträchtigung des laufenden Geschäftsbetriebes zu führen. Ein berechtigtes Interesse der Partei auf Beibehaltung der Einkaufsbesteuerung bestehe auch nicht wegen des hohen Pachtschillings und des drastischen Umsatzrückganges. Die Kosten und Umsätze des Beschwerdeführers änderten sich nämlich unabhängig von der Entscheidung, ob ihm die erleichterte Form der Getränkesteuerberechnung gewährt werde. Da es in der Vergangenheit bei der Berechnung der Getränkesteuer zu gravierenden Fehlberechnungen gekommen sei, der Abgabenpflichtige sich nicht bereit erklärt habe, Aufzeichnungen zur Bestimmung der Umsatzanteile für die verschiedenen Bier- und Kaffeegetränke über einen längeren Zeitraum als zwölf Tage zu führen bzw. die seinerzeit ermittelten Werte durch neuerliche Erhebungen zu überprüfen, räume die Abgabenbehörde zweiter Instanz unter Betrachtung der Höhe des getränkesteuerpflichtigen Umsatzes der "Zweckmäßigkeit" gegenüber der "Billigkeit" den Vorrang ein. Die Tatsache, daß die Getränkesteuer seit der Getränkesteuerprüfung nach Maßgabe der im Getränkesteuerbescheid getroffenen Festsetzungen berechnet werde, ändere nichts daran, daß sich diese Umsatzanteile ändern könnten und es neuerlich zu Fehlberechnungen bei der Getränkesteuerberechnung kommen könne. Die Schwankungen im Konsumverhalten seien bei der Getränkesteuerprüfung durch Anrechnung eines Sicherheitszuschlages berücksichtigt worden. Bei der laufenden Getränkesteuerberechnung werde kein Sicherheitszuschlag in Anrechnung gebracht. Fehlberechnungen könnten künftig nur durch Widerruf der Einkaufsbesteuerung ausgeschlossen werden.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Aufsichtsbehörde gehe in Übereinstimmung mit dem Ergebnis der abgabenbehördlichen Nachschau für den Zeitraum Juni 1984 bis Dezember 1988 und des abgabenbehördlichen Verfahrens betreffend den Widerruf der Bewilligung zur Einkaufsbesteuerung davon aus, daß im gastgewerblichen Betrieb des Beschwerdeführers (Kaffeehaus) die Getränkearten Bier und Kaffee in verschiedenen Variationen angeboten würden. Ohne laufende mengen- und wertmäßige Erfassung der in Rede stehenden Abgabeeinheiten könnten bei der fakturenweisen Umsatzermittlung Abweichungen nicht vermieden werden. Es werde nicht angezweifelt, daß infolge konkurrenzbedingter Umsatzrückgänge die wirtschaftliche Situation des gastgewerblichen Betriebes eher angespannt sei. Wie das Beispiel vergleichbarer gastgewerblicher Betriebe zeige, sei mit Erlösaufzeichnungen zwar eine entsprechende Mehrbelastung verbunden, die - entsprechende organisatorische Maßnahmen vorausgesetzt - jedoch nicht zu einem Mehrbedarf an Personal führen müßten. Die belangte Behörde vermöge der Auffassung des Beschwerdeführers, die Abgabenbehörde habe durch den Widerruf der Bewilligung zur Einkaufsbesteuerung ihren Ermessensspielraum überschritten, nicht zu folgen. Die Abgabenbehörde habe überzeugend dargetan, aus welchen Gründen es bei Fortbestand der Bewilligung zur Einkaufsbesteuerung zu Unregelmäßigkeiten geradezu kommen müsse und sie daher der Zweckmäßigkeit gegenüber der Billigkeit den Vorrang eingeräumt habe. Die belangte Behörde unterschätze nicht den Mehraufwand bei der Führung von Erlösaufzeichnungen im Sinne der Regelbesteuerung. Aufzeichnungsverpflichtungen seien nun aber im allgemeinen regelmäßig eine Erschwernis für den Verpflichteten. Der mit der Führung von Erlösaufzeichnungen verbundene Mehraufwand könne zudem durchaus in Grenzen gehalten werden. "Eine laufende, auch für den Fall einer neuerlichen abgabenbehördlichen (gemeint: überzeugende Erfassung des Verhältnisses der Abgabeneinheiten zueinander) Überprüfung, wäre schließlich ebenfalls mit einem Mehraufwand verbunden."
Insgesamt hätten - wie die Abgabenbehörde dargetan habe - die Billigkeitserwägungen hintangestellt werden können.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom
28. Setpember 1992, B 856/92-10, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, daß die Bewilligung zur Berechnung der Getränkesteuer nach dem Wareneinsatz nicht widerrufen werde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 TirGetrStG konnte die Gemeinde dem Steuerschuldner auf dessen Ansuchen anstelle der nachträglichen Berechnung der Getränkesteuer auf Grund der Abgabe von Getränken an Letztverbraucher die Berechnung der Getränkesteuer anhand der Einkäufe von Getränken und von Waren nach § 5 Abs. 1 bewilligen.
§ 7 Abs. 4 TirGetrStG hatte folgenden Wortlaut:
"(4) Ein Bescheid, mit dem eine Bewilligung nach Abs. 1 erteilt wird, ist schriftlich zu erlassen. Die Bewilligung kann jederzeit widerrufen werden. Sie ist zu widerrufen, wenn der Steuerschuldner dies beantragt. Beginn und Ende der Geltungsdauer einer Bewilligung sind jeweils auf einen Monatsersten festzusetzen."
Wie sich aus der Verwendung des Wortes "kann" im § 7 Abs. 4 zweiter Satz TirGetrStG ergibt, ist der Behörde beim Widerruf einer Bewilligung zur Berechnung der Getränkesteuer nach dem Wareneinsatz Ermessen eingeräumt (ebenso wie hinsichtlich der Erteilung der Bewilligung; vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 83/17/0174), es sei denn, daß dies der Steuerschuldner im Sinne des § 7 Abs. 4 dritter Satz TirGetrStG beantragt hat.
Gemäß dem nach § 1 lit. a Tiroler Landesabgabenordnung - TLAO auch in Angelegenheiten des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes anzuwendenden § 18 LAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidung), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Bei Auslegung dieser Bestimmung wird - ebenso wie bei Auslegung des § 20 BAO - dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung von "Angemessenheit in bezug auf berechtigte Interessen der Partei", dem Begriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" beizumessen sein. Gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von ihm im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist. Im Geltungsbereich des § 18 TLAO (§ 20 BAO) ist die Behörde daher weiters verhalten, in der Begründung ihrer Ermessensentscheidung darzutun, warum sie bei der sohin vorzunehmenden Interessenabwägung den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit gegenüber jenen der Billigkeit den Vorzug einräumte (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 82/16/0105, Slg. N.F. Nr. 5915/F, sowie die dort angeführte weitere Lehre und Rechtsprechung).
Diesem Begründungserfordernis ist die Behörde hinreichend nachgekommen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu finden, daß die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen - in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmißbrauches - Gebrauch gemacht hat.
Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer im Rahmen seines Betriebes die Getränkearten Bier und Kaffee in verschiedenen Variationen anbietet. Wenn nun die belangte Behörde aus diesem Grund im Zusammenhang mit dem Fehlen einer laufenden Erfassung der in Rede stehenden Bemessungsgrundlagen (Einheiten abgegebener Getränke) ein Überwiegen der "Unzweckmäßigkeit" gegenüber der vom Beschwerdeführer im Verfahren dargelegten "Billigkeit" ableitet, kann ihr nicht entgegengetreten werden, weil erhebliche Fehlberechnungen bei der Ermittlung der Getränkesteuerbemessungsgrundlage nicht ausgeschlossen sind. Der Beschwerdeführer macht diesbezüglich (abstrakt) geltend, Abweichungen würden nur dann vorliegen, wenn der Abgabenpflichtige z.B. bei der Verabreichung von Bier je nach Größenordnung der verabreichten Menge verschieden kalkuliere, was weder von der belangten Behörde noch den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Partei dargetan worden sei. Der Beschwerdeführer übersieht dabei, daß die Kalkulation in der Ingerenz des Abgabenpflichtigen ist; selbst eine bestehende (hinsichtlich der Rohaufschläge innerhalb der Warengattungen) einheitliche Kalkulation kann jederzeit geändert werden und derart die Möglichkeit der Fehlberechnung - ohne laufende Erfassung der abgegebenen Einheiten - nicht hintangehalten werden. Davon abgesehen läßt sich bereits auf Grund eines Rechenvorganges - aus dem Verhältnis von Einkaufspreis (von Bier und Kaffee) zum Verkaufspreis der angebotenen Getränkeeinheiten - nachweisen, daß im Nachschauzeitraum, auf den sich die belangte Behörde auch bezogen hat, die Rohaufschläge innerhalb der Warengattungen nicht unerhebliche Differenzen aufgewiesen haben.
Das Argument des Beschwerdeführers, die Regelbesteuerung stelle einen Mehraufwand für den Steuerpflichtigen dar, der im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers unbillig sei, vermag jedenfalls die durch die belangte Behörde dargelegte Zweckmäßigkeit einer Regelbesteuerung nicht in den Hintergrund zu drängen. Abgesehen davon, daß Aufzeichnungsverpflichtungen im allgemeinen regelmäßig eine Erschwernis für den Verpflichteten darstellen werden, ist es nicht als unschlüssig zu erkennen, wenn die belangte Behörde darauf abstellte, daß mit Erlösaufzeichnungen anhand einer Registrierkasse zwar eine entsprechende Mehrbelastung verbunden sei, die jedoch bei entsprechenden organisatorischen Maßnahmen nicht zu einem Mehrbedarf an Personal führen müsse.
Die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt somit nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.