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VwGH vom 20.02.1997, 95/15/0079

VwGH vom 20.02.1997, 95/15/0079

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des E in B, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. 595-2/93, betreffend Einkommensteuer 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.920 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der K-GmbH. Für seine Geschäftsführungstätigkeit war ihm von der GmbH mit Pensionsvertrag vom ein Pensionsanspruch eingeräumt worden. Zum Stichtag trat er seinen Geschäftsanteil einem Dritten ab und legte die Geschäftsführung zurück. Aufgrund einer noch am mit der K-GmbH geschlossenen Vereinbarung stand er dieser in der Zeit von Oktober bis Dezember 1990 im Rahmen eines Dienstverhältnisses als Konsulent zur Verfügung. Diese Vereinbarung lautet auszugsweise:

"4. Ab Übergang der Geschäftsanteile auf die Erwerber, das ist voraussichtlich der , bis zum , wird (der Beschwerdeführer) als Konsulent bei der (K-GmbH) angestellt. Seine Tätigkeit besteht in der Beratung des neuen Geschäftsführers und der neuen Gesellschafter, um einen nahtlosen Übergang der Firmenführung zu gewährleisten.

...

6. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses, aus welchen Gründen immer, oder bei vorherigem Ableben des (Beschwerdeführers) während des Bestandes des Dienstverhältnisses, werden seine Pensionsansprüche mit

S acht Millionen brutto abgefunden. Mit Erhalt dieser Abfertigung erklärt sich (der Beschwerdeführer) für seine Pensionsansprüche als voll befriedigt."

Die in dieser Vereinbarung festgelegte Pensionsabfindung erhielt der Beschwerdeführer im Jänner 1991 von der K-GmbH.

Das Finanzamt wertete die Pensionsabfindung als Ausfluß aus der ehemaligen Tätigkeit als wesentlich beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer und erfaßte sie im Einkommensteuerbescheid 1991 als Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit (§ 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988).

In der Berufung beantragte der Beschwerdeführer die Anwendung der Tarifbegünstigung des § 37 EStG. Die Pensionsabfindung stelle eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen iSd § 32 Z. 1 lit. a EStG 1988 dar, weshalb gemäß § 37 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 4 leg. cit. der Hälftesteuersatz zur Anwendung komme.

Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, der Käufer der K-GmbH habe keine laufenden Pensionszahlungen übernehmen wollen. Mit dem Betrag von 8 Mio. S "hatte der Erwerber einen kalkulierbaren Fixbetrag". Die Grundlage für die Höhe dieses Betrages sei eine überschlagsmäßige versicherungsmathematische Berechnung des Kapitalwertes der Pension gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde die Gewährung der Tarifermäßigung. Damit bei einer Pensionsabfindung von einer Entschädigung gesprochen werden könne, müsse ein Rechtsstreit bestanden haben, der durch die Bezahlung der Pensionsabfindung beendet werde. Diese Voraussetzung sei im Beschwerdefall nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer sei alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer gewesen, weshalb ihm ein entsprechend großer Gestaltungspielraum hinsichtlich der getroffenen Vereinbarung zugekommen sei. Er habe nicht behauptet, daß die Veräußerung des Geschäftsanteiles nur unter der Voraussetzung des Wegfalles des Pensionsanspruches möglich gewesen wäre. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, daß ein Schadensereignis eingetreten wäre, welches den Wegfall von Einnahmen verursacht habe. Darüber hinaus sei zu beachten, daß der Beschwerdeführer von 1977 bis 1990 für seine Geschäftsführungstätigkeit keinen Lohn bezogen habe, sondern sich eine Pensionsanwartschaft habe einräumen lassen. Die Pensionszusage bzw. die darauf beruhende Pensionsabfertigung sei sohin nicht eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen, sondern eine unmittelbare Abgeltung für die früher erbrachten Geschäftsführerleistungen. Lohnnachzahlungen könnten jedoch nicht Entschädigungen gleichgesetzt werden. Auch lägen bei einer selbständig ausgeübten Erwerbstätigkeit außerordentliche Einkünfte nicht schon deswegen vor, weil Einnahmen für eine mehrjährige Tätigkeit zusammengeballt in einem Kalenderjahr anfallen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 67 EStG 1988:

Der Beschwerdeführer bringt vor, eine verfassungskonforme Interpretation des § 67 Abs. 8

lit. a EStG 1988 idF BGBl. 660/1989, ergebe, daß diese Regelung auch auf solche Pensionsabfindungen Anwendung finde, die im Rahmen der Einkünfte nach § 22 Z. 2 Teilstrich 2 leg. cit. erzielt werden. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf.

Die Bestimmung des § 67 befindet sich im 5. Teil "Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer)" des EStG 1988. Aus diesem Grund, vor allem aber auf Grund der eindeutigen Formulierung des § 67 EStG 1988 (etwa "Lohnzahlungszeitraum" in § 67 Abs. 8 lit. b) ergibt sich in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise, daß diese Regelung nur für die Bemessung der Einkommensteuer (Lohnsteuer) bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Anwendung findet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/15/0195). Ihr kommt grundsätzlich innerhalb der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 4 die Funktion eines Ausgleiches für Vorteile bei der Besteuerung der betrieblichen Einkünfte zu (so auch Kohler, SWK 1991 AI 387).

2. § 37 EStG 1988:

Gemäß § 37 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl. 400/1988 ermäßigt sich der Steuersatz für außerordentliche Einkünfte auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssatzes. Nach Abs. 2 Z. 4 dieser Gesetzesstelle gehören zu derartigen außerordentlichen Einkünfte Entschädigungen iSd § 32 Z. 1 EStG 1988, wenn überdies im Fall der lit. a oder b der Zeitraum, für den die Entschädigungen gewährt werden, mindestens sieben Jahre beträgt.

Nach § 32 Z. 1 lit. a EStG 1988 zählen zu den Einkünften iSd § 2 Abs. 3 EStG 1988 auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.

Entschädigungen sind Beträge zur Beseitigung einer bereits eingetretenen oder zur Verhinderung einer sonst drohenden Vermögensminderung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/13/0139).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , SlgNF 5183/F, erkannt, daß Kapitalzahlungen zur Abfindung von Pensionsansprüchen als begünstigte Entschädigungen iSd § 32 anzusehen seien. Die Pensionsabfindung sei als "Schadensausgleich" für den Verlust eines Pensionsanwartschaftsrechtes zu werten.

Im genannten Erkenntnis vom wurde für Pensionsabfindungen ein von der Rechtsprechung wiederholt aufgezeigtes Merkmal einer Entschädigung iSd § 32 Z. 1 lit. a EStG, daß sie nämlich nicht freiwillig herbeigeführt sein dürfe, im Ergebnis dahingehend konkretisiert, daß die Initiative zum Abschluß der Abfindungsvereinbarung nicht vom Pensionsberechtigten ausgegangen sein darf. Diese Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 91/14/0006, zu Entschädigungen für Mieteinnahmen bestätigt, indem er - unter Verweis auf Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, § 32 Tz 8 - für einen Fall, in welchem der Mieter die vorzeitige Beendigung eines Mietverhältnisses gegen entsprechende Entschädigung angestrebt hat, ausgesprochen hat, es stehe der Subsumtion einer Entschädigung unter § 32 nicht entgegen, "wenn der Schädiger mit dem Geschädigten eine Vereinbarung über die Abgeltung" treffe. In diesem Sinne hat es der Verwaltungsgerichtshof sodann im Erkenntnis vom , 93/13/0008, nicht als rechtswidrig erkannt, daß die Behörde eine Zahlung an den seinerzeitigen Beschwerdeführer, die "aufgrund seiner Initiative erfolgt ist", nicht dem § 32 subsumiert hat.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch den vorliegenden Fall nicht zu einem Abgehen von dieser Rechtsprechung veranlaßt. Dem Begriff der Entschädigung für Einnahmen kann zwar der Inhalt beigemessen werden, daß es nicht der Geschädigte selber sein darf, der aus eigenem Antrieb das für das Entgehen der Einnahmen ursächliche Ereignis herbeigeführt hat (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 32 Tz 6.1. aE). Darüber hinaus ist aber dem Gesetz nicht zu entnehmen, daß der Einnahmenausfall gegen den Willen des Entschädigten erfolgt sein muß. In keiner Weise ist dem Gesetz zu entnehmen, daß - wie dies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid vertritt - einer Entschädigung iSd § 32 EStG stets ein Rechtsstreit vorangehen müsse.

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer durch seine Leistungen als (selbständiger) Gesellschaftergeschäftsführer einen Pensionsanspruch gegenüber der Gesellschaft erworben. Der Umstand, daß er nach den Feststellungen der belangten Behörde keine laufende Entlohnung erhalten hat, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung war der Erwerber der Anteile an der Gesellschaft daran interessiert, die Gesellschaft ohne Pensionsverpflichtungen zu übernehmen. Dieses Vorbringen legt nahe, die Gründe für die Pensionsabfindung schwerpunktmäßig der wirtschaftlichen Interessensphäre des Erwerbers der Gesellschaftsanteile zuzurechnen. Sollte dies zutreffen, so läge eine Entschädigung iSd § 32 Abs. 1 lit. a EStG vor. Ob diese zur Besteuerung nach § 37 Abs. 1 EStG 1988 führt, hängt gemäß § 37 Abs. 2 Z. 4 leg. cit. noch davon ab, ob der Zeitraum, für den die Entschädigung gewährt wird, mindestens sieben Jahre umfaßt; im gegebenen Zusammenhang wird dieses Tatbestandsmerkmal dahingehend zu verstehen sein, ob der Kapitalzahlung eine mindestens siebenjährige Pensionserwartung zugrundegelegt werden konnte.

Die belangte Behörde hat aufgrund ihrer unrichtigen Rechtsauffassung keine Feststellungen darüber getroffen, von wem die Initiative zur Kapitalabfindung des Pensionsanspruches ausgegangen ist und welcher erwartete Pensionszeitraum der Abfindung zugrundegelegt worden ist. Sie hat daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.