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VwGH vom 20.02.1997, 95/15/0057

VwGH vom 20.02.1997, 95/15/0057

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7 - 1378/93, betreffend Sicherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 11.180 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Sicherstellungsauftrag vom ordnete das Finanzamt gestützt auf § 232 BAO die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beschwerdeführers zur Sicherung der Einkommensteuer 1989 (1,279.200 S), der Einkommensteuer 1990 (2,323.050 S) und der Einkommensteuer 1991 (2,535.100 S) an. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, es ergebe sich aus den Bestimmungen des § 4 BAO iVm den §§ 232 ff BAO, daß der Anspruch auf die sicherzustellenden Abgaben bereits entstanden sei. Die Gefährdung bzw Erschwerung der Einbringlichkeit könne aus der wirtschaftlichen Lage und sonstigen Umständen geschlossen werden. Der Beschwerdeführer habe als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der H-GmbH & Co KG die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht derart verletzt, daß der Verdacht einer Abgabenhinterziehung gegeben sei.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und beantragte die Aufhebung des Sicherstellungsauftrages. Er brachte vor, der Bescheid beinhalte keine substantiierten Hinweise auf die Ermittlung der Abgaben. Es werde nicht einmal dargetan, aufgrund welcher Unterlagen das Finanzamt eine Schätzung vorgenommen habe. Das Finanzamt könne "keinerlei konkrete Hinweise, Behauptungen oder Beweisunterlagen" für die angenommenen Abgabenansprüche vorlegen. Der Bescheid enthalte auch nicht die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringlichkeit der Abgaben ergebe. In der Bescheidbegründung werde dargetan, daß der angebliche Abgabenanspruch gegen den Beschwerdeführer aus seiner Stellung als Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH erwachsen sei. In einem solchen Fall müsse wohl eine Solidarhaftung mit der KG bzw der GmbH bestehen. Das Finanzamt müsse daher darstellen, daß ein Abgabenanspruch auch gegenüber diesen Solidarschuldnern nur schwer einbringlich gemacht werden könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung dahingehend Folge, daß sie die Höhe der Abgabenansprüche, für welche die Sicherstellung angeordnet werde, von insgesamt 6,137.350 S auf 4,274.700 S reduzierte. Zur Begründung führte sie nach Darstellung des Berufungsvorbringens und allgemeinen Rechtsausführungen aus:

"Die besonderen Umstände des Einzelfalles, die nach der Lage des Falles eine Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgaben befürchten lassen, sind insbesondere in den laut Aussage des Beschwerdeführers vom wissentlichen Abgabenhinterziehungen zu erblicken, zumal der sichergestellten Abgabenschuld in der Höhe von S 6,137.350,-- infolge der Veräußerung der Firmenanteile des Beschwerdeführers zum , wobei der Erlös von 15 Mio. S für Kreditabdeckungen verwendet wurde, und Einverleibung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes zu Gunsten der Mutter des Beschwerdeführers auf Grund der Urkunde vom laut Feststellungen über seine wirtschaftlichen Verhältnisse vom kein für die Entrichtung der Abgaben ausreichendes Vermögen bzw. Einkommen gegenüberstand." Der Berufung werde aber deshalb teilweise Folge gegeben, weil sich nach Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 1989 bis 1991 (Bescheide vom 11. und ) lediglich Nachforderungen in Höhe von 4,274.700 S ergeben hätten.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden. Gemäß § 232 Abs. 2 leg. cit. hat der Sicherstellungsauftrag zu enthalten: a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld; b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;

c) den Vermerk, daß die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann; d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom , 92/15/0115), liegt eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung einer Abgabenschuld schon dann vor, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, daß nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint. Der Annahme der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung einer Abgabenschuld müssen entsprechende Tatsachenfeststellungen zugrundeliegen. Vom Abgabenschuldner selbst gesetzte Gefährdungshandlungen sind hingegen nicht erforderlich.

Der Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer am Firmenanteile veräußert und den Verkaufserlös zur Abdeckung von Bankverbindlichkeiten verwendet hat, tritt dieser in der Beschwerde nicht entgegen. Aktenkundig ist, daß der Beschwerdeführer mit Notariatsakt vom zugunsten seiner Mutter das dingliche Veräußerungs- und Belastungsverbot an einer Liegenschaft begründet hat. Durch diese Maßnahmen wurde offenkundig - auch wenn der Verkaufserlös zur Tilgung von Schulden gedient hat - die Aussicht des Abgabengläubigers auf Schuldtilgung verschlechtert. Zudem hat im gegenständlichen Fall die belangte Behörde am die - im angefochtenen Bescheid erwähnten - Erhebungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers angestellt. Diese haben ergeben, daß sich das weitere Vermögen des Beschwerdeführers auf Bargeld in Höhe von 520 S, "billige Gebrauchsgegenstände", einen Ehering und eine Pistole beschränke, daß er monatlich ein Arbeitseinkommen von netto ca. 20.000 S erziele und gegenüber der Gattin und drei Kindern unterhaltspflichtig sei. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei dieser Sachlage zu dem Schluß gelangt ist, daß die Einbringung von Abgabenschulden beim Beschwerdeführer gefährdet oder zumindest wesentlich erschwert gewesen ist. Zwar hat sich das Verfahren über eine Berufung gegen einen Sicherstellungsauftrag auf die Überprüfung der Frage zu beschränken, ob die im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem die Sicherstellung angeordnet worden ist, dafür erforderlichen Voraussetzungen gegeben waren (vgl das hg Erkenntnis vom , SlgNF 8721/F). Gemäß § 280 BAO ist aber bei Entscheidung über die Berufung gegen einen Sicherstellungsauftrag auf im Berufungsverfahren der Behörde zur Kenntnis gelangte neue Tatsachen und Beweise - welche sich allerdings auf die Überprüfung der Frage zu beschränken haben, ob die im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Sicherstellungsauftrages dafür erforderlichen Voraussetzungen objektiv gegeben waren oder nicht - Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 82/13/0262). Es besteht aber kein Zweifel, daß die von der Behörde eruierte wirtschaftliche Situation zum Stichtag die Situation im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages vom erkennen läßt, zumal eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse zwischen diesen Stichtagen vom Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet wird.

Zur Frage der Gefährdung der Einbringlichkeit bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, daß auch andere Personen für die Steuerschulden haften; sie hätte auch die Einbringlichkeit bei diesen Personen untersuchen müssen. Mit diesem Vorbringen ist für den Beschwerdeführer schon deshalb nichts zu gewinnen, weil er nicht aufzeigt, aus welcher gesetzlichen Bestimmung sich im gegenständlichen Fall die Haftung Dritter für seine Einkommensteuerschulden ergeben sollte. Die Verwirklichung eines Haftungstatbestandes ist dem Verwaltungsgerichthof auch aus der Aktenlage nicht erkennbar.

Die Beschwerde ist aber aus folgenden Gründen im Recht:

Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muß schon im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages entsprechend dargetan werden, sofern sie nicht ohnedies außer Streit steht, wovon aber im Beschwerdefall nicht ausgegangen werden kann. Die Begründung müßte in diesem Zusammenhang jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren (vgl das hg Erkenntnis vom , 92/15/0115).

Ein Sicherstellungsbescheid ist kein abschließender Sachbescheid iSd § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinhebung zuzuordnende Sofortmaßnahme, die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß die spätere Einbringung der Abgaben gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, daß sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann; es genügt vielmehr, daß die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Tatbestandes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe (vgl die Anführung der voraussichtlichen Höhe in § 232 Abs. 2 lit. a BAO) sowie für die Gefährdung bzw wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 92/15/0115).

Der angefochtene Bescheid genügt den Begründungsanforderungen nicht. Er enthält - trotz der entsprechenden Berufungseinwendungen - keine Sachverhaltsfeststellungen und dementsprechend auch keine diesbezügliche Beweiswürdigung zur Frage, durch welches konkrete Verhalten der Beschwerdeführer die Abgabenansprüche ausgelöst habe; er enthält auch nicht einmal eine kursorische Andeutung, aus welchen Überlegungen sich die Höhe der Abgabenschuld ergebe. Zwar verweist der angefochtene Bescheid auf die - nach Erlassung des erstinstanzlichen Sicherstellungsbescheides ergangenen - Einkommensteuerbescheide 1989 bis 1991. Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber nicht festzustellen, daß in diesem Verweis allenfalls eine taugliche Begründung erblickt werden könnte, weil der vorgelegte Verwaltungsakt diese Einkommensteuerbescheide nicht enthält. Weil aber - wie oben ausgeführt - Prozeßgegenstand im Berufungsverfahren gegen einen Sicherstellungsauftrag die Frage ist, ob die im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Sicherstellungsauftrages dafür erforderlichen Voraussetzungen gegeben gewesen sind, ergibt sich jedenfalls aus nachträglich erlassenen Abgabenbescheiden keine Bindungswirkung, die die Behörde von ihrer Begründungspflicht entbinden könnte.

Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift die Verwirklichung des Abgabentatbestandes daraus ableitet, daß der Beschwerdeführer in der Vernehmung vom angegeben habe, er habe im Rahmen der H-GmbH & CO KG wissentlich durch die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen Steuern hinterzogen, ist darauf hinzuweisen, daß selbst ausführliche Darlegungen in der Gegenschrift - wovon hier nicht gesprochen werden kann - die fehlenden Erörterungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen vermögen (siehe die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit,

3. Auflage, Seite 607, Abs. 3 und 4 angeführte

hg. Rechtsprechung). Zudem ist dem Protokoll über die erwähnte Vernehmung lediglich folgendes zu entnehmen: Die unerwartet hohen Investitionskosten für den Gastronomiebetrieb der KG (ca. 30 Mio. S) hätten zu einer entsprechenden Fremdmittelbelastung geführt. Der Beschwerdeführer sei daher "gezwungen" gewesen, Abgaben zu hinterziehen. Er habe wissentlich für die KG unrichtige Abgabenerklärungen eingereicht, es sei nämlich ein Teil der Gastronomieerlöse nicht erfaßt worden. Aus diesen Ausführungen läßt sich aber - insbesondere im Hinblick auf die offenkundige Zinsbelastung der KG - nicht ohne weitergehende Überlegungen auf die - im Vernehmungsprotokoll mit keinem Wort erwähnte - Einkommensteuerschuld des Beschwerdeführers schließen. Im übrigen enthält auch die Gegenschrift keine zumindest kursorische Darlegung zur Frage der ungefähren Höhe der Abgabenschulden.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994. Der Ersatz der Beilagengebühr war nur für eine Ablichtung des angefochtenen Bescheides zuzusprechen.