VwGH vom 14.12.2000, 95/15/0028

VwGH vom 14.12.2000, 95/15/0028

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der Stadtgemeinde W, vertreten durch Dr. Arnold, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ 5-1858/92, betreffend u.a. Haftung für Lohnsteuer für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge einer im Jahr 1991 für den Zeitraum bis bei der beschwerdeführenden Gemeinde durchgeführten Lohnsteuerprüfung traf der Prüfer u.a. die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin für bestimmt bezeichnete Dienstnehmer pauschale bzw überhöhte Schmutz- und Gefahrenzulagen als steuerfreie Bezüge ausbezahlt habe, obwohl diese Bezüge (bzw der nicht angemessene Anteil) steuerpflichtig seien.

Den Prüfungsfeststellungen folgend erließ das Finanzamt einen mit datierten Bescheid, mit welchem es Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag festsetzte.

Die Beschwerdeführerin brachte Berufung ein und begehrte, dass die Nachforderung von Lohnsteuer hinsichtlich der ausbezahlten Schmutzzulagen und der an den Desinfektor geleisteten Gefahrenzulage (insgesamt ein Lohnsteuerbetrag von 73.088 S) aufgehoben werde. Auf Grund der Nebengebührenordnung der Gemeinde würden den Gemeindearbeitern Schmutzzulagen gewährt. Die Gemeinde habe stets bei der Änderung der Nebengebührenordnung mündlich Kontakt mit dem Finanzamt betreffend die steuerliche Behandlung der Zulagen und Entschädigungen aufgenommen. Bedienstete, die zur Lenkung, Wartung und Instandhaltung des Lkw und des Traktors eingeteilt seien, erhielten monatlich eine fixe Schmutzzulage. Für die in der Nebengebührenordnung taxativ aufgezählten Arbeiten erhielten die Bediensteten pro Stunde eine Schmutzzulage in Höhe von 30% des Stundenlohnes. Der Friedhofswärter erhalte eine betraglich festgelegte Schmutzzulage. Der Desinfektor erhalte eine monatlich gleich bleibende Gefahrenzulage. Die Arbeiten, für die Schmutzzulage gewährt werde, seien in der Nebengebührenordnung taxativ aufgezählt. Die geleisteten Arbeiten würden vom Vorarbeiter nach Art und Dauer aufgezeichnet. Aus einem amtsinternen Vermerk der Beschwerdeführerin aus dem Jahr 1975 sei ersichtlich, dass das Finanzamt gegen die steuerfreie Behandlung der vorgenannten Zulagen keine Bedenken habe. Demnach seien die Zulagen bis Ende 1990 steuerfrei ausbezahlt worden. Auch bei den inzwischen durchgeführten Lohnsteuerprüfungen sei die Steuerfreiheit anerkannt worden. Erst im Zuge der im Jahr 1991 durchgeführten Lohnsteuerprüfung sei nur mehr ein geringer Teil der Schmutzzulagen als steuerfrei anerkannt und die Gefahrenzulage zur Gänze als steuerpflichtig behandelt worden. Es werde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin im Hinblick auf das Inkrafttreten des EStG 1988 mit Schreiben vom die gültige Nebengebührenordnung dem Finanzamt zur Feststellung der Steuerfreiheit der Zulagen vorgelegt habe; dabei habe die Beschwerdeführerin bemerkt, dass sie die Zulagen zur Gänze steuerfrei behandle. Nach der am abgehaltenen Schlussbesprechung über die Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum 1986 bis 1990 sei ein neuerliches Ersuchen um Feststellung der Steuerpflicht an das Finanzamt gerichtet worden (Schreiben vom ). Darin sei festgehalten worden, dass die Zulagen - wie in der Schlussbesprechung vereinbart - wie folgt behandelt würden: Die monatlich fixen Schmutzzulagen seien wie die Gefahrenzulage des Desinfektors steuerpflichtig, die übrigen Schmutzzulagen seien zu einem Drittel steuerfrei. Die beiden Eingaben seien vom Finanzamt mit Schreiben vom beantwortet worden; dabei sei zum Ausdruck gebracht worden, dass gegen die Vorgangsweise der Beschwerdeführerin keine Bedenken bestünden. Im gegenständlichen Fall ergebe sich die Steuerfreiheit der Zulagen nach Ansicht der Beschwerdeführerin aus folgenden Umständen: Die vorangegangenen Lohnsteuerprüfungen hätten die Steuerfreiheit nie in Zweifel gezogen, bereits im Jahr 1975 seien die Zulagen vom Finanzamt zur Gänze als steuerfrei anerkannt worden. Eine gesetzliche Änderung sei durch das EStG 1988 nicht eingetreten. Aus dem Schreiben des Finanzamtes vom ergebe sich, dass keine Bedenken gegen die Ausführungen in der Anfrage vom bestünden. Es gelange auch der Grundsatz von Treu und Glauben zur Anwendung, weil auf die Anfrage vom bis zur Lohnsteuerprüfung im Juli 1991 keine eindeutige Mitteilung des Finanzamtes ergangen sei, dass die Zulagen nicht mehr zur Gänze steuerfrei seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , 81/14/0085, festgehalten, dass Treu und Glauben nicht eingewendet werden könnten, wenn der Arbeitgeber von der Möglichkeit einer Lohnsteuerauskunft nach § 90 EStG keinen Gebrauch gemacht habe. Im gegenständlichen Fall habe die Beschwerdeführerin aber von dieser Anrufungsauskunft Gebrauch gemacht und die vorgeschlagene Vorgangsweise von der Behörde, wenn auch mit ziemlicher Verspätung, bestätigt erhalten. Diese Bestätigung sei am ergangen. Am sei allerdings der Bescheid über die Geltendmachung der Lohnsteuerpflicht erlassen worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid seien Schmutz- und Gefahrenzulagen nachversteuert worden. Die Beschwerdeführerin begründe ihr Berufungsbegehren auf Beseitigung dieser Nachversteuerung ausschließlich mit dem Grundsatz von Treu und Glauben. Nach Ansicht der belangten Behörde könne die Beschwerdeführerin aus ihrem amtsinternen Vermerk aus dem Jahr 1975 keine Rechte ableiten. Einerseits handle es sich dabei nicht um eine Auskunft im Rahmen einer Anfrage nach § 90 EStG 1972, andererseits könne aus einer unrichtigen Gesetzesauslegung in der Vergangenheit kein Recht auf Beibehaltung dieser Vorgangsweise abgeleitet werden. Auch aus dem Inhalt der Anfrage vom könne die Beschwerdeführerin keine Rechte ableiten, weil der in der Anfrage enthaltene Hinweis auf die gänzliche Steuerfreiheit die Beurteilung durch das Finanzamt nicht ersetzen oder vorwegnehmen könne. Im Zeitpunkt der zweiten Anfrage vom sei der Beschwerdeführerin die Rechtsmeinung des Finanzamtes bereits durch die Lohnsteuerprüfung bekannt gewesen. Im Antwortschreiben des Finanzamtes vom sei zwar nicht nur auf die neuerliche Anfrage vom , sondern auch auf die Anfrage vom Bezug genommen worden. Dadurch habe aber nicht die vom Finanzamt im Rahmen der Lohnsteuerprüfung vertretene Auffassung revidiert werden sollen. Die Verletzung von Treu und Glauben ergebe sich auch nicht daraus, dass die Beschwerdeführerin zwar von der Möglichkeit der Anfrage nach § 90 EStG Gebrauch gemacht, aber keine Antwort erhalten habe. Wenn die Steuerfreiheit der Zulagen bei früheren Lohnsteuerprüfungen nicht beanstandet worden sei, so könne daraus kein Anspruch auf Beibehaltung einer unrichtigen Verwaltungspraxis abgeleitet werden. Erkenne eine Behörde, dass die von ihr geübte Verwaltungspraxis unrichtig gewesen sei, so sei sie verpflichtet, von der als gesetzwidrig erkannten Verwaltungspraxis abzurücken.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die nach § 90 EStG erteilte Lohnsteuerauskunft stellt keinen Bescheid dar (vgl Hofstätter/Reichel, § 90 EStG 1988 Tz 1). Die Auskunftserteilung kann daher nicht mit Berufung bekämpft werden; sie kann von der Behörde jederzeit wieder geändert oder zurückgenommen werden. Eine unrichtige Auskunft bzw die Änderung oder Zurücknahme einer Auskunft kann die Behörde aber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben binden, wenn die Partei im Vertrauen auf eine - nicht erkennbar und nicht offenkundig - unrichtige Auskunft Dispositionen gesetzt hat, und der Partei dadurch ein Vertrauensschaden erwächst (vgl Doralt, EStG4, § 90 Tz 5, 7ff).

Weil das Finanzamt bestimmte Schmutz- und Gefahrenzulagen nicht als nach § 68 EStG 1972 bzw EStG 1988 steuerfrei beurteilt hat, hat es der Beschwerdeführerin gegenüber die Haftung für Lohnsteuer geltend gemacht. Die vom Finanzamt vorgenommene Vorschreibung von Dienstgeberbeitrag und Zuschlag von Dienstgeberbeitrag betrifft nicht die Schmutz- und Gefahrenzulagen. Die Beschwerde gegen den die Entscheidung des Finanzamt bestätigenden angefochtenen Bescheid betrifft also ausschließlich die Steuer auf die Schmutz- und Gefahrenzulagen und somit die Geltendmachung der Haftung für Lohnsteuer. Die Heranziehung zur Haftung stellt eine Ermessensentscheidung dar. Auf die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob der Grundsatz von Treu und Glauben vor der Abgabenbehörde trotz des durch Art 18 Abs 2 B-VG festgelegten Legalitätsprinzips allenfalls auch außerhalb des Bereiches der Ermessensübung Berücksichtigung finden kann, braucht daher nicht eingegangen zu werden.

Die Beschwerdeführerin verweist auf die in ihren Akten befindliche "Gesprächsnotiz" aus dem Jahr 1975. Es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass sich diese Notiz nicht auch in den Akten des Finanzamtes finde. Es sei unerfindlich, warum hier keine Auskunft iSd § 90 EStG 1972 vorliegen solle. Ein Beweis für die Richtigkeit ihres Vorbringens sei auch darin zu sehen, dass weitere Lohnsteuerprüfungen keine Beanstandungen erbracht hätten.

Die belangte Behörde weist in ihrer Gegenschrift zutreffend darauf hin, dass die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren kein Vorbringen betreffend eine "Gesprächsnotiz" erstattet hat. In der Berufung wurde lediglich von einem "amtsinternen Vermerk aus dem Jahre 1975" gesprochen, aus welchem sich ergebe, dass das Finanzamt gegen die steuerfreie Behandlung der Zulagen keine Bedenken habe. Die Beschwerdeführerin hat in der Berufung auch vorgebracht, dass die Zulagen bereits im Jahr 1975 vom Finanzamt als steuerfrei anerkannt worden seien. Sie hat weiters darauf verwiesen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Arbeitgeber Treu und Glauben nur einwenden könne, wenn er eine Anrufungsauskunft nach § 90 EStG eingeholt hat, die Beschwerdeführerin aber von dieser Auskunftsmöglichkeit Gebrauch gemacht und mit Schreiben vom Anwort erhalten habe. Bei dem mit der Erledigung des Finanzamtes vom beantworteten Auskunftsersuchen handelt es sich um die Eingabe vom (und die Eingabe vom ). Solcherart ergibt sich aus dem von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen in keiner Weise, dass mit dem Hinweis auf den Vermerk aus dem Jahr 1975 das Vorliegen einer Auskunft iSd § 90 EStG behauptet wurde. Der angesprochene Vermerk konnte sich durchaus auf andere Vorgänge, wie etwa ein Gespräch mit einem Lohnsteuerprüfer beziehen, wobei zu beachten ist, dass es nicht Inhalt des Prüfungsauftrages ist, Hinweise für ein künftiges (außerhalb des Prüfungszeitraumes) gelegenes Verhalten zu geben (vgl das hg Erkenntnis vom , 87/14/0079, SlgNF 6249/F).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag es unter diesen Umständen nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde nicht vom Vorliegen einer Auskunftserteilung iSd § 90 EStG 1972 im oder vor dem Jahr 1975 ausgegangen ist. Der Umstand, dass im Rahmen von Lohnsteuerprüfungen die Steuerfreiheit von Zulagen unbeanstandet geblieben ist, ist kein Nachweis für die Erteilung einer Lohnsteuerauskunft nach § 90 EStG.

Die Beschwerde geht sodann ausführlich auf das Auskunftsersuchen vom ein, mit welchem dem Finanzamt offen gelegt worden sei, dass die Beschwerdeführerin von der Steuerfreiheit der Zuschläge ausgehe. Unbestritten ist allerdings, dass eine Beantwortung dieses Auskunftsersuchens erst durch das Schreiben des Finanzamtes vom erfolgt ist. Daraus folgt aber, dass die Auskunftserteilung noch nicht vorgelegen ist, als die Beschwerdeführerin die Lohnverrechnung für den hier strittigen Zeitraum von 1986 bis 1990 vorgenommen hat. In welcher Weise die Auskunft vom die Beschwerdeführerin dann zu - für sie nachteilige - Dispositionen verlasst habe, wird in der Beschwerde nicht dargetan und ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar. Schon deshalb ist für den Beschwerdefall aus dieser Auskunftserteilung vom vor dem Hintergrund des Grundsatzes von Treu und Glauben nichts zu gewinnen. Der Umstand, dass die Anfrage über einen langen Zeitraum unbeantwortet geblieben ist, führt nicht zu einer Bindung der Behörde an die im Anfrageschreiben zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung.

Der belangten Behörde kann schließlich auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, dass die Bindung an eine in der Vergangenheit im Zuge der Lohnsteuerprüfungen geübte Verwaltungspraxis nicht besteht und die Abgabenbehörde von einer als unrichtig erkannten Rechtsauffassung abgehen kann (vgl das hg Erkenntnis vom , 92/15/0037).

Die Beschwerdeführerin bringt abschließend vor, die von ihr ausbezahlten Schmutz- und Gefahrenzulagen hätte die belangte Behörde ohnedies nach der Vorschrift des § 68 EStG 1972 bzw 1988 steuerfrei behandeln müssen.

Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Der im Prüfungsbericht - auf diesen bezieht sich der erstinstanzliche Bescheid - angeführte Umstand, dass die Zuschläge entweder überhöht ausbezahlt oder pauschal berechnet worden seien und deshalb (teilweise) der Besteuerung unterlägen, ist sie nämlich im Verwaltungsverfahren nie entgegengetreten. Im Übrigen wird auch in der Beschwerde nicht dargetan, dass hinsichtlich der pauschal, nämlich mit einem bestimmten monatlichen Betrag gewährten Gefahrenzulage für den Desinfektors und Erschwerniszulagen für Lenker von Lkw, Traktoren und Straßenkehrmaschinen die Voraussetzung der Steuerfreiheit, dass die Arbeiten tatsächlich überwiegend unter den erschwerten Umständen erfolgt sind (vgl das hg Erkenntnis vom , 97/13/0163), vorgelegen wären. In der Beschwerde wird auch nicht konkret dargetan, dass jene Schmutzzulagen, welche von den Abgabenbehörde als überhöht und daher nur im Ausmaß von 50% als steuerfrei behandelt worden sind, als angemessen und daher nicht überhöht zu beurteilen gewesen wären.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl 416/1994.

Wien, am