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VwGH vom 16.07.1996, 95/14/0148

VwGH vom 16.07.1996, 95/14/0148

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Dr. C in V, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 13/14/2-Bk/Kr-1995, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt erließ gegenüber dem Beschwerdeführer nach § 295 Abs. 3 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide für 1985 und 1988 (Ausfertigungsdatum ), mit denen es im Gegensatz zu den vorangegangenen Bescheiden Einkünfte aus der Beteiligung als echter stiller Gesellschafter (1985: S 200.000,--; 1988:

S 10.000,--) nicht anerkannte. Der Beschwerdeführer brachte sodann eine Berufung mit folgendem Wortlaut ein:

"Berufung gegen die Wiederaufnahme gem. § 303 Abs. 4 BAO

BETREFFEND EINKOMMENSTEUER 1985 UND 1988

"Mit Bescheid vom wurde das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer 1985 und 1988 von amtswegen wiederaufgenommen. Gegen diesen Bescheid zugestellt am , erhebe ich das Rechtsmittel der Berufung und beantrage die ersatzlose Aufhebung dieses Bescheides sowie die erklärungsgemäße Veranlagung entsprechend dem ursprünglichen Bescheid für die Jahre 1985 und 1988.

Begründung:

Bezüglich der Wiederaufnahme wende ich ein, daß gemäß dem Erkenntnis des VwGH vom 27. Feber 1985, (83/13/0056, 0089/0090) der Wegfall der Ungewißheit über das Vorliegen einer Einkunftsquelle allein keinen Wiederaufnahmegrund darstellt.

Bei Wiederaufnahme dürfen gem. § 303 BAO nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel in Betracht kommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und deren Kenntnis allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Die rechtliche Beurteilung einer bestimmten Tätigkeit als Liebhaberei ist aber weder eine Tatsache noch ein Beweismittel in Sinne des § 303 BAO.

Bei der Beurteilung handelt es sich nämlich um die rechtliche Würdigung eines bestimmten Sachverhaltes und nicht um Fakten, die eine geänderte Sachverhaltsannahme rechtfertigen. Die Änderung der rechtlichen Beurteilung eines schon bekannt gewesenen Sachverhaltes rechtfertigt jedoch für sich allein keinen abgabenbehördlichen Eingriff in die Rechtskraft eines Abgabenbescheides (vgl. Stoll, BAO, 727 und die dort zitierte Rechtsprechung).

Weiters kann auch in der anderen rechtlichen Würdigung der Umwandlung der P-AG, die nunmehr von der Finanzverwaltung als Beendigung der echten stillen Gesellschaft gewertet wird, keine neu hervorgekommene Tatsache erblickt werden. Im übrigen ist es denkunmöglich eine Tatsache, die erst 1988 existent wurde, als Wiederaufnahmegrund für die Veranlagungen der Jahre 1985 und 1988 heranzuziehen.

Daher berufe ich hiermit gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der ursprünglichen Bescheide 1985 und 1988 und beantrage die erklärungsgemäße Veranlagung."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unzulässig zurück. Die Berufung richte sich ausdrücklich gegen die Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO betreffend Einkommensteuer für 1985 und 1988. Die Berufungsbegründung enthalte ausschließlich Ausführungen zur Unzulässigkeit der Wiederaufnahme der Verfahren. Da im gegenständlichen Fall Bescheide, die die Wiederaufnahme der Verfahren verfügen würden, nicht ergangen seien, richte sich die Berufung gegen nicht existente Bescheide. Da ein Wiederaufnahmebescheid ein gesondert anfechtbarer und gesondert anfechtungsbedürftiger Verwaltungsakt sei, könne die Berufung auch nicht als gegen die gemäß § 295 Abs. 3 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide für 1985 und 1988 gewertet werden. Die Berufung sei sohin gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO nicht zulässig.

Mit Beschluß vom , B 1678/95, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab. Sie wurde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof bringt der Beschwerdeführer vor, er sei im Recht auf Sachentscheidung über seine Berufung verletzt. Er habe im Abgabenverfahren unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß er die Entscheidung des Finanzamtes mit Berufung bekämpfen wolle, sich durch deren Inhalt beschwert erachte und die Überprüfung begehre. Es sei ihm lediglich bei der Formulierung der Berufung der Fehler unterlaufen, daß er darauf vertraut habe, das Finanzamt habe die richtige Form der Erledigung gewählt. Er habe daher nicht erkannt, daß dem Finanzamt ein Fehler unterlaufen sei. Es wäre rechtsstaatlich bedenklich, wollte man dieses Nichterkennen eines behördlichen Fehlers dahin umdeuten, daß die Berufung den erstinstanzlichen Bescheid nicht habe bekämpfen wollen.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, das Finanzamt hätte rite mit Wiederaufnahme der Verfahren nach § 303 Abs. 4 BAO vorgehen müssen, geht ins Leere. Da tatsächlich nicht eine Wiederaufnahme der Verfahren verfügt worden ist, sondern nach § 295 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide erlassen worden sind, geht es im gegenständlichen Fall nur darum, ob die Berufung des Beschwerdeführers gegen diese Einkommensteuerbescheide gerichtet war.

Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozeßerklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2610). Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 375/75).

Die geänderten Einkommensteuerbescheide mit Ausfertigungsdatum verfügen nicht die Wiederaufnahme der Verfahren nach § 303 Abs. 4 BAO. Sie ändern aber das Ergebnis der durch die vorangegangenen Einkommensteuerbescheide abgeschlossenen Einkommensteuerverfahren. Der Beschwerdeführer bringt in seinem Antrag zum Ausdruck, daß mit den Bescheiden vom die Veranlagung geändert worden sei und er die Wiederherstellung des normativen Standes der vorangegangenen Einkommensteuerbescheide anstrebe. Solcherart kann der Erklärung objektiv der Inhalt beigemessen werden, daß die Einkommensteuerbescheide vom - hinsichtlich ihrer verfahrensrechtlichen Grundlage - bekämpft werden sollen. Da der objektive Erklärungsinhalt eine derartige Deutung zuläßt, hätte die belangte Behörde nicht jene Deutung heranziehen dürfen, die dem Beschwerdeführer die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994. Der Ersatz der Stempelgebühren war zuzusprechen für eine weitere Ausfertigung der beschwerde und drei Ausfertigungen des ergänzenden Schriftsatzes.