VwGH vom 25.06.1996, 92/17/0103

VwGH vom 25.06.1996, 92/17/0103

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom , Zl. 02/04/90.042, betreffend Haftung für einen Kanalanschlußbeitrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde O), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit zwei Bescheiden vom schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers im Grundeigentum eine (restliche) Kanalanschlußgebühr sowie einen Ergänzungsbeitrag, zusammen in der Höhe von S 35.237,11 vor. Die beiden Abgabenbescheide wurden der Abgabenschuldnerin am 4. Mai bzw. am zugestellt. Die Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen.

1.2. Im Jahr 1988 erwarb der Beschwerdeführer die Liegenschaft.

Mit Bescheid vom forderte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführer als neuen Eigentümer des Grundstückes gemäß § 2 Abs. 5 des Kanalabgabegesetzes, LGBl. für das Burgenland Nr. 41/1984 (im folgenden: Bgld KanalAbgG 1984) in Verbindung mit § 172 Bgld LAO, LGBl. Nr. 2/1963, auf, die von der Abgabenschuldnerin als ehemaliger Grundstückseigentümerin geschuldeten Kanalisationsbeiträge in der Höhe von S 35.237,11 binnen eines Monates zu entrichten. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Abgabenschuld bei der früheren Eigentümerin trotz Anmeldung der Forderung im Konkursverfahren nicht hereingebracht werden können. Der Beschwerdeführer hafte nach den zitierten Bestimmungen als Rechtsnachfolger im Eigentum.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und wendete Verjährung ein. Er habe die Liegenschaft in einem Versteigerungsverfahren, das unabhängig vom Konkursverfahren durchgeführt worden sei, erworben, wobei es in den Versteigerungsbedingungen ausdrücklich geheißen habe, es seien vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot keine Dienstbarkeiten, Ausgedinge oder Reallasten zu übernehmen. Die Gemeinde Oggau hätte die Möglichkeit gehabt, die ihr vom Bezirksgericht Eisenstadt rechtzeitig bekanntgegebenen Versteigerungsbedingungen durch Einspruch abzuändern.

1.3. Mit Bescheid vom wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde diese Berufung als unbegründet ab. Nach der Begründung dieses Bescheides sei die Abgabenforderung an die Voreigentümerin keinesfalls verjährt, da diese Forderung mehrmals eingemahnt worden sei. Der neue Eigentümer hafte zur ungeteilten Hand, wobei es unerheblich sei, auf welche Weise er das Eigentum am Grundstück erworben habe. Es treffe zu, daß die Liegenschaft nicht im Konkursverfahren erworben worden sei.

Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung.

1.4. Mit Bescheid vom gab die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung dieser Vorstellung keine Folge. Nach der Begründung dieses Bescheides sei der Abgabenbetrag bei der Abgabenhauptschuldnerin am und am eingemahnt worden; die Anmeldung der Forderung im Konkursverfahren sei am erfolgt. Die Verjährungsfrist habe daher mit Ablauf des Jahres 1987 neu zu laufen begonnen, sodaß der am ergangene Haftungsbescheid innerhalb der Verjährungsfrist liege. Unter den in den Versteigerungsbedingungen genannten "Reallasten" könnten öffentliche Abgaben nicht verstanden werden; diese hätten dingliche Wirkung.

1.5. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, nicht zur Haftung herangezogen zu werden, verletzt. In der Begründung der Beschwerde wird geltend gemacht, der Beschwerdeführer habe erstmals mit Zustellung des Haftungsbescheides vom von der Abgabenforderung Kenntnis erlangt. Eine Unterbrechung der Verjährung könne dem Beschwerdeführer daher nicht entgegengehalten werden. Zwischen der rechtskräftigen Vorschreibung des Kanalanschlußbeitrages gegenüber der Voreigentümerin im Jahr 1983 und dem Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides vom (richtig: 1989) lägen mehr als fünf Jahre, sodaß gemäß § 185 Bgld LAO Verjährung eingetreten sei.

1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, auf die der Beschwerdeführer replizierte.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Mit rechtskräftigen Bescheiden des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurden der Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers im Grundeigentum Kanalanschlußgebühren vorgeschrieben.

Im Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld gegenüber der Primärschuldnerin stand das Gesetz vom über die Einhebung einer Gebühr für den Anschluß an die Gemeindekanalanlagen, LGBl. für das Burgenland Nr. 1/1957, in Kraft. Gemäß § 4 Abs. 2 letzter Satz dieses Gesetzes haften neben dem bisherigen Eigentümer für die Kanalanschluß- und Sondergebühr auch die neuen Eigentümer zur ungeteilten Hand. Dieselbe Haftungsbestimmung enthält auch das Bgld KanalAbgG 1984 im § 2 Abs. 5, wonach für die Kanalisationsbeiträge neben dem bisherigen Eigentümer der neue Eigentümer zur ungeteilten Hand haftet.

Gemäß § 172 Bgld LAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht.

§ 185 Abs. 1 und 2 Bgld LAO lauten:

"(1) Das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

(2) Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Bescheides gemäß § 153 unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen."

2.2. Im Beschwerdefall ist die Abgabenprimärschuld für die beiden Teilbeträge am 4. und am fällig geworden.

Der Liegenschaftserwerb durch den Beschwerdeführer erfolgte im März 1988. Der erstinstanzliche Haftungsbescheid vom wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt. Frühere, zur Durchsetzung des fälligen Abgabenanspruches gegenüber dem Beschwerdeführer unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlungen sind unbestritten nicht erfolgt.

Nach der Rechtsprechung zur Unterbrechung der Verjährung des Einhebungsrechtes im Landesabgabenrecht und nach der früheren Rechtsprechung zum vergleichbaren § 238 Abs. 2 BAO vermag eine nur gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern gerichtete Unterbrechungshandlung den davon nicht betroffenen anderen Gesamtschuldner nicht zu schaden. Einhebungsmaßnahmen, die nur gegen einen von mehreren Mitschuldnern gerichtet sind, betreffen nur dessen Einhebungsverhältnis und unterbrechen nur die gegen diesen Schuldner laufende Verjährungsfrist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1384/65, vom , Zl. 75/65, und vom , Zl. 92/17/0217). Auch gegenüber einem Haftenden kommt einer nur gegen den Hauptschuldner gesetzten Unterbrechungshandlung keine Wirksamkeit zu (vgl. zur BAO z.B. das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 3117/F; zum Landesabgabenrecht das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/17/0047). Das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 91/13/0037, demzufolge Amtshandlungen nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung des in § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem unterbrechen, der als Zahlungspflichtiger in Betracht komme, ohne daß es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen gerichtet hätten, ist zur Bundesabgabenordnung ergangen. Die bisherige Rechtsprechung geht vom Begriff der Durchsetzung "des Anspruches" aus und stellt daher das konkrete Schuld- und Prozeßrechtsverhältnis, das sich beim Haftungspflichtigen als ein potentielles, wenn auch erst durch den Haftungsbescheid zu aktualisierendes (Schuld)Rechtsverhältnis darstellt, in den Vordergrund. Ihre Beibehaltung für den Bereich der im Beschwerdefall anzuwendenden Bgld LAO bedeutet mangels Identität der auszulegenden Gesetzesbestimmungen kein Abgehen von der erwähnten neueren Rechtsprechung des Gerichtshofes im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG.

Eine die Einhebungsverjährung unterbrechende Amtshandlung gegenüber dem Beschwerdeführer ist innerhalb der Verjährungsfrist nicht erfolgt. Der Beschwerdeführer wurde erst nach Ablauf dieser Frist mit dem Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Dies erweist sich als rechtswidrig, weil die Inanspruchnahme des Haftenden voraussetzt, daß das Einhebungsrecht des Abgabengläubigers gegenüber dem Haftenden noch nicht verjährt ist.

2.3. Dadurch, daß die belangte Gemeindeaufsichtsbehörde diese Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides der mitbeteiligten Gemeinde nicht wahrgenommen und den Bescheid des Gemeinderates nicht aufgehoben hat, belastete sie auch ihrerseits den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz stand für die Beschwerde (4 x S 120,--) und den angefochtenen Bescheid (S 60,--) zu; das diesbezügliche Mehrbegehren war abzuweisen.

2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.