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VwGH vom 29.09.1997, 97/17/0257

VwGH vom 29.09.1997, 97/17/0257

Beachte

Nachstehende Beschwerde(n) wurde(n) zur gemeinsamen Entscheidung verbunden 97/17/0258 - 0279

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in A, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zlen. UVS 40.15-28/97-2, UVS 40.15-27/97-2, UVS 40.15-26/97-2,

UVS 40.15-25/97-2, UVS 40.15-24/97-2, UVS 40.15-23/97-2,

UVS 40.15-22/97-2, UVS 40.15-21/97-2, UVS 40.15-20/97-2,

UVS 40.15-19/97-2, UVS 40.15-18/97-2, UVS 40.15-17/97-2,

UVS 40.15-16/97-2, UVS 40.15-15/97-2, UVS 40.15-14/97-2,

UVS 40.15-13/97-2, UVS 40.15-12/97-2, UVS 40.15-11/97-2,

UVS 40.15-10/97-2, UVS 40.15-9/97-2, UVS 40.15-8/97-2, UVS 40.15-3/97-2, UVS 40.15-2/97-2, betreffend Abweisung der Wiederaufnahme von rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte mit der Eingabe vom die Wiederaufnahme der im Zeitraum vom bis mit insgesamt 23 Bescheiden der belangten Behörde rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren betreffend Übertretung des Steiermärkischen Parkgebührengesetzes in Verbindung mit der Grazer Parkgebührenverordnung. Dies mit der in den angefochtenen Bescheiden wiedergegebenen und in der Beschwerde nicht bestrittenen Begründung, aus einer dem Beschwerdeführer am zugestellten Entscheidung des UVS Steiermark folge, daß für die nach 1979 in der Grazer Innenstadt und in den anschließenden Bezirken gelegenen Kurzparkzonen keine Gebührenpflicht bestehe, weil eine rechtswirksame Normierung einer Abgabepflicht fehle. Dies gelte insbesondere für den Bereich der flächendeckenden Kurzparkzonen in der Grazer Innenstadt. Es lägen daher die Wiederaufnahmsgründe des § 69 Abs. 1 Z. 2 und 3 AVG vor.

Mit Bescheiden vom wies die belangte Behörde die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren als unbegründet ab und führte in der Begründung näher aus, aus welchen Gründen keine "neu hervorgekommenen Tatsachen" im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG bzw. keine anderslautende Vorfragenentscheidung im Sinne der Z. 3 des § 69 Abs. 1 AVG vorliege.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der "die inhaltliche Rechtwidrigkeit und die unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache selbst, insbesondere unrichtige Interpretation der Bestimmung der §§ 69 Abs. 1 Z. 2 und 3 AVG" geltend gemacht wird. Die angefochtenen Bescheide verletzten den Beschwerdeführer "in seinen Rechten, daß über seinen Antrag auf Wiederaufnahme von Verfahren vor dem UVS Steiermark nicht entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen entschieden wurde, sondern sein Wiederaufnahmeantrag gemäß § 69 Abs. 1 und 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG abgewiesen wurde".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer beantragte in den in Rede stehenden verwaltungsbehördlichen Verfahren die Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren und machte dabei das Vorliegen der Wiederaufnahmsgründe des § 69 Abs. 1 Z. 2 und 3 AVG geltend. Über diese Anträge hatte die belangte Behörde mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden abzusprechen. Auf eine Entscheidung über eine amtswegige Aufhebung der rechtskräftigen Bescheide nach § 52a VStG bestand kein Rechtsanspruch. Eine solche Entscheidung ist auch nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Bei den in dieser Bestimmung bezeichneten "Tatsachen und Beweismitteln" muß es sich um neu hervorgekommene, dh um solche handeln, die bereits zur Zeit des Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden. Mit "Tatsachen" sind Geschehnisse im Seinsbereich, nicht etwa Rechtsänderungen oder spätere Gutachten über Tatsachen, mit "Beweismittel" Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 588).

Ein Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG kann von vornherein nur ein Umstand sein, der den Sachverhalt betrifft, der dem das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheid zugrundegelegt wurde. Eine in einem anderen Verfahren geäußerte Rechtsansicht kann niemals einen Wiederaufnahmegrund nach dieser Bestimmung darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. Nr. 2.054 A).

Nachträglich sich ergebende rechtliche Bedenken gegen die Richtigkeit eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides bilden keinen Wiederaufnahmegrund (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2300/77).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß das nachträgliche Erkennen, daß im abgeschlossenen Verfahren Verfahrensmängel oder gar eine unrichtige rechtliche Beurteilung seitens der Behörde vorgelegen seien, ebensowenig einen Grund zur Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG bildet wie etwa das nachträgliche Bekanntwerden von Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes, aus denen sich ergibt, daß die von der Behörde im abgeschlossenen Verfahren vertretene Rechtsauffassung verfassungs- oder gesetzwidrig war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/10/0072).

Die Beschwerde stützt den Wiederaufnahmeantrag auf den - durch die am zugestellte Entscheidung des UVS Steiermark - nachträglich bekanntgewordenen Umstand des Fehlens rechtmäßiger Bestimmungen der Abgabepflicht in den in der Grazer Innenstadt gelegenen Kurzparkzonen auch in den bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren. Die belangte Behörde habe damit - nach den Beschwerdebehauptungen - in diesen Verfahren eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide jedoch nicht auf. Die belangte Behörde war nämlich im Recht, wenn sie die Voraussetzungen der Wiederaufnahme der Verfahren nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG als nicht gegeben erachtete, weil eine behauptete unrichtige rechtliche Beurteilung allein keinen Grund zur Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG bildet. Sollte jedoch in der Entscheidung des UVS Steiermark vom das Hervorkommen eines dem Beschwerdeführer bisher nicht bekannten wesentlichen Sachverhaltsmomentes (Art und Weise der Verkehrszeichenaufstellung) erblickt werden, so läßt sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht entnehmen, daß er in den Ausgangsverfahren ohne sein Verschulden diese Umstände nicht erkannt und vor der belangten Behörde geltend gemacht hat.

Nach § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

Unter einer Vorfrage im Sinne des § 38 AVG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 7.632 A) eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren, zu entscheiden ist. Präjudiziell - und somit Vorfragenentscheidung in verfahrensrechtlich relevantem Sinn - ist nur eine Entscheidung, die eine Rechtsfrage betrifft, deren Beantwortung für die Hauptfragenentscheidung unabdingbar, das heißt eine notwendige Grundlage ist, und die diese in einer die Verwaltungsbehörde bindenden Weise regelt.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde in den 23 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren das Gegebensein der Abgabepflicht jeweils im Rahmen ihrer Vorfragenentscheidungen bejaht. Auch in der am zugestellten Entscheidung war dies wieder nur eine solche Vorfrage, die jedoch in diesem Verfahren anders als in den vorangegangenen Verfahren entschieden wurde. Die belangte Behörde änderte somit ihre als Vorfrage zu lösende Rechtsansicht der Rechtmäßigkeit der Abgabepflicht in den Grazer Kurzparkzonen. Die Änderung der Beurteilung einer Vorfrage durch die Behörde ist jedoch kein Grund für die Wiederaufnahme des Verfahren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 478 A). Die mit zugestellte Entscheidung des UVS Steiermark bildet für die bereits rechtskräftig gewordenen und mit Beschwerden vor den Höchstgerichten unbekämpft gebliebenen Verfahren somit keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG. Mangels Vorliegens von Wiederaufnahmegründen war die belangte Behörde im Recht, wenn sie entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers die rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahren nach § 69 Abs. 1 Z. 2 und 3 AVG nicht wiederaufnahm und die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen keiner neuerlichen Überprüfung unterzog.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.