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VwGH vom 13.03.1992, 92/17/0057

VwGH vom 13.03.1992, 92/17/0057

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR-C 10/91, betreffend Haftung für Dienstgeberabgabe und Lohnsummensteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und aus dem ihr in Ablichtung angeschlossenen angefochtenen Bescheid geht der folgende entscheidungswesentliche Sachverhalt hervor:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer "für den Rückstand an Dienstgeberabgabe und Lohnsummensteuer der A-GesmbH in W, in der Höhe von S 11.007,-- für den Zeitraum 1/88-8/90, haftbar gemacht und aufgefordert, diesen Betrag gemäß § 171 WAO binnen einem Monat ab Zustellung zu entrichten, widrigenfalls die zwangsweise Eintreibung veranlaßt wird".

Zur Begründung wurde - soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist - ausgeführt, es sei Aufgabe des Geschäftsführers, nachzuweisen, daß ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen sei, weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfülle, die Gründe darzutun habe, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden könne, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen sei. Wenn der Beschwerdeführer nicht die Fähigkeit zur Ausübung der Funktion als Geschäftsführer gehabt habe, hätte er sich nicht als solcher bestellen lassen dürfen. Im übrigen hätte er sich vor der Bestellung bei einem Rechtskundigen (zB. Rechtsanwalt, Notar) über die mit der Funktion eines Geschäftsführers verbundenen Verpflichtungen informieren lassen können, wenn er darüber keine eigenen Kenntnisse besessen habe. Es liege auf der Hand, daß die Erklärungen eines am Sachausgang Interessierten für eine objektive Information nicht ausreichend sein könnten. Im übrigen habe der Beschwerdeführer nach seiner eigenen Darstellung seit Mai 1990 um die prekäre finanzielle Lage der Gesellschaft gewußt. Dessenungeachtet habe er keine zielführenden Handlungen gesetzt, entweder die mit seiner Funktion verbundenen Verpflichtungen zu erfüllen oder aus der Funktion auszuscheiden. Ein mangelndes Verschulden liege daher nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der beantragt wird, "den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben". Nach seinem gesamten Vorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, nicht zur Haftung für die in Frage stehende Steuerschuld herangezogen zu werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 WAO haften die in den § 54 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 54 Abs. 1 haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die dem von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/17/0121) zu mit diesen Bestimmungen gleichartigen Rechtsvorschriften in anderen Landesabgabenordnungen sowie in der Bundesabgabenordnung setzt eine darauf gestützte Haftungsinanspruchnahme voraus, daß die rückständigen Abgaben uneinbringlich wurden und dies auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen ist. Neben dem Eintritt eines objektiven Schadens - Ausfall der gegen den Vertretenen gerichteten Abgabenforderung - und dem Verschulden des Vertreters ist ein Rechtswidrigkeitszusammenhang - die Verletzung von Vertreterpflichten führt zur Uneinbringlichkeit - erforderlich. Das tatbestandsmäßige Verschulden kann in einem vorsätzlichen oder in einem fahrlässigen Handeln oder Unterlassen bestehen. Fahrlässig die Verpflichtung, für die Abgabenentrichtung Sorge zu tragen, vernachlässigt zu haben, wird angenommen, wenn der Vertreter keine Gründe darlegen kann, wonach ihm die Erfüllung unmöglich war.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist allein strittig, ob der Beschwerdeführer schuldhaft seine Pflichten im Sinne der oben angeführten Abgabenvorschriften verletzt hat. Das Beschwerdevorbringen läßt sich dahingehend zusammenfassen, der Vorwurf der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer sich nicht hätte zum Geschäftsführer bestellen lassen dürfen, wenn er nicht die Fähigkeit zur Ausübung dieser Funktion gehabt habe, gehe ins Leere. Dem Beschwerdeführer sei nämlich nicht bewußt geworden, mit der Unterschriftsleistung beim Notar die Funktion eines Geschäftsführers einer Ges.m.b.H. bzw. die Verantwortung eines selbständigen Unternehmers zu übernehmen. Der Beschwerdeführer habe nicht einmal gewußt, was eine derartige Gesellschaft bedeute. Weder an seiner Stellung als Malergehilfe noch an der Höhe seines Lohnes habe sich etwas geändert. Er habe nach wie vor die Weisungen des Hauptgesellschafters befolgt, ohne die geringste Möglichkeit der Kenntnisnahme der geschäftlichen Tätigkeit der Gesellschaft oder der Einflußnahme auf diese zu erhalten.

Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die Schuldlosigkeit des Beschwerdeführers an der Nichterfüllung seiner Obliegenheiten darzutun. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, daß ein Geschäftsführer, der sich in der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten durch die Gesellschafter oder durch dritte Personen behindert sieht, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden hat. Auch binden im Innenverhältnis erteilte Weisungen den Geschäftsführer insoweit nicht, als sie ihn zur Verletzung zwingender gesetzlicher Verpflichtungen nötigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/13/0148, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Ein für die Haftung relevantes Verschulden liegt aber auch dann vor, wenn sich der Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere auch den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/15/0021). In der behaupteten mangelnden Einflußmöglichkeit auf die Geschäftsführung der Gesellschaft vermag der Verwaltungsgerichtshof daher ein fehlendes Verschulden an der Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeit und damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erkennen.

Auch mit der behaupteten Unkenntnis der rechtlichen Stellung eines Geschäftsführers einer Ges.m.b.H. kann eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in Hinsicht auf ein mangelndes Verschulden des Beschwerdeführers nicht aufgezeigt werden. Hätten doch beim Beschwerdeführer schon anläßlich seiner Bestellung zum Geschäftsführer - wie die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend erkannt hat - zumindest Bedenken über seine mit dieser Stellung verbundenen Rechte und Pflichten entstehen müssen. Derart liegt in der Unterlassung von Erkundigungen ein zumindest fahrlässiges Verhalten und ist die Rechtsunkenntnis auch vorwerfbar, weil Rechtskenntnis bei Anwendung der gehörigen Aufmerksamkeit hätte erreicht werden können.

Da aus diesen Gründen schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, ist die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.