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VwGH vom 25.11.1994, 92/17/0030

VwGH vom 25.11.1994, 92/17/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des L in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR - G 1/91, betreffend Getränkesteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Laut Niederschrift vom fand an diesem Tage eine Getränkesteuer-Revision (Nachschau) des Magistrats der Stadt Wien, MA 4, betreffend den

"Betrieb: G

Betriebsart: Cafe-Bar F

Adresse: Wien, S-Gasse"

für den "Revisionszeitraum 11/86" statt. Nach dem Inhalt dieser Niederschrift war bei dieser Revision für den Magistrat der Revisionsbeamte Leopold H., als Abgabepflichtiger "Hr. G, Inh."

anwesend. Folgende Revisionsunterlagen (Aufzeichnungen) seien vorgelegt und vom Revisionsbeamten stichprobenartig überprüft worden: Wareneingangsbuch, Kassabuch, Einkaufsbelege, Losungsbögen, Inventuren. Durch den Revisionsbeamten seien keine Mängel festgestellt worden. Weiters finden sich dort folgende Vermerke:

"Betriebsende: Nachfolger: L

per

Warenbestand am : siehe "Prüfungsfeststellungen"

Vom Nachfolger übernommen: ja"

Weiters enthält die Niederschrift den Vermerk, die

Bemessung "1-11/1986" über S 69.942,-- werde anerkannt.

In einer Beilage zur genannten Niederschrift wird überdies vermerkt, die Getränkesteuer für den Monat 11/86 sei wegen unvorhergesehener Inhaftierung des Abgabepflichtigen von diesem nicht mehr errechnet worden. Im Akt befindet sich hiezu eine Haftbestätigung des Lg. Gefangenenhauses I Wien, wonach G vom bis in Haft gewesen sei.

Im Akt findet sich weiter ein Arbeitsbericht des bereits erwähnten Revisionsbeamten H., in welchem es im wesentlichen heißt:

"Name: L

Cafe-Bar "F"

...

NF des revidierten Vorgängers G

Erledigungstermin:

...

1. Terminansage am für Revisionsunterlagen am nicht vorgelegt

2. Terminansage am für

Androhung der Schätzung

Revisionsunterlagen am nicht vorgelegt

Sonstige Maßnahmen: Erhebung am Betriebsort (zweimalig)

ZMA-Anfrage

Anfrage bei der Wr. Gebietskrankenkasse Auskunftseinholung bei Herrn B

(Verpächter)

Nachfolgererhebung

Revision am durchgeführt

Revisionsort: MA 4/2

Revisionsergebnis: AB S 9.324,-- (AB -)"

In einem weiteren, mit "Schätzung vom " überschriebenen, vom Revisionsbeamten verfaßten Schriftstück heißt es unter anderem:

"Herr L leistete den für sowie für anberaumten Ladungsterminen zur Vorlage der Geschäftsaufzeichnungen keine Folge.

Die Getränkesteuer war daher gemäß § 145 WAO in Verbindung mit § 9 des Wr. Getränkesteuergesetzes im Wege der Schätzung festzusetzen.

Die Schätzung erfolgte nach Art, Lage und Größe des Betriebes. Es wurde eine durchschnittliche getränkesteuerpflichtige Losung von S 77.700,-- mtl. angenommen.

Schätzung - = 6 Tage, d.h. 1/5 Monat

S 77.700 : 5 = S 15.540,--

Schätzung - S 77.700,--

= Bemessungsgrundlage 25.11. - S 93.240,--

HIEVON 10% GETRÄNKESTEUER S 9.324,--"

Mit Bescheid vom schrieb der Magistrat der Stadt Wien, MA 4/7, dem nunmehrigen Beschwerdeführer L "gemäß der §§ 1, 3 und 9 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2, in der geltenden Fassung und des Beschlusses des Wiener Gemeinderates vom , Br.Z. 921, über die Ausschreibung einer Abgabe auf den Verbrauch von Bier, verlautbart im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 17 vom , sowie der §§ 145 und 149 Abs. 2 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962 in der geltenden Fassung" für die Zeit vom bis eine Getränkesteuer im Betrage von S 9.324,-- zuzüglich eines Verspätungszuschlages von S 932,-- und eines Säumniszuschlages von S 186,-- vor. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, der Beschwerdeführer habe es trotz "schriftlicher Terminansage" für und , verbunden mit der Androhung der Schätzung, unterlassen, die für die Feststellung der Bemessungsgrundlage für die Getränkesteuer für die Zeit vom 25. November bis (Betriebsende) belangreichen Geschäftsaufzeichnungen vorzulegen. Es müsse daher die Getränkesteuer für diese Zeit gemäß § 9 des Getränkesteuergesetzes in Verbindung mit § 145 WAO im Wege der Schätzung ermittelt und wegen Nichtabrechnung gemäß § 149 Abs. 2 von Amts wegen festgesetzt werden. Als Grundlage dieser Schätzung diene die vom "Vorgänger erzielte getränkesteuerpflichtige Losung unter Hinzurechnung eines zwanzigprozentigen Sicherheitszuschlages von monatlich

77.700 S" ausschließlich Umsatz- und Getränkesteuer sowie Alkoholabgabe. Anschließend wird in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides die im Bericht des Revisionsorganes vom aufgestellte Berechnung wiedergegeben sowie die Verhängung des Verspätungs- und des Säumniszuschlages begründet.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte darin vor, er sei für die Getränkesteuergebarung des Betriebes in Wien, S-Gasse, "nicht zuständig". Die Unternehmer seien der Konzessionsinhaber G sowie D.

Im Akt findet sich sodann die Ablichtung eines Schreibens des B an den Magistrat der Stadt Wien vom , worin es unter anderem heißt, er habe niemals Herrn G den Betrieb in Wien, S-Gasse, verpachtet. Soviel er, B, wisse, sei G entweder Geschäftsführer oder Kompagnon des Pächters L gewesen.

Mit Vorhalt vom teilte der Magistrat dem Beschwerdeführer mit, daß er nach der Aktenlage für den Revisionszeitraum vom 25. November bis für den Betrieb in Wien, S-Gasse, für die gesamte Steuergebarung verantwortlich gewesen sei. Dies werde auch von B in seinem Schreiben vom bestätigt.

In der hiezu erstatteten Stellungnahme vom brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, er habe weder eine handelsrechtliche noch eine arbeitsrechtliche Funktion gehabt und sei nicht "Unternehmer dieses Unternehmens" gewesen.

Mit Schreiben vom teilte der Revisionsbeamte der MA 4/7 über Aufforderung mit, die im Bericht vom zitierten Aussagen seien von Herrn B telefonisch abgegeben worden. Hiebei bezieht sich der Revisionsbeamte auf einen weiteren, nach der Aktenlage bei der MA 4 freilich erst am eingegangenen Bericht vom . Darin heißt es:

"Herr L übernahm per die bis von Herrn G betriebene "F"-Bar. Wie Herr B als Lokalverpächter dazu erklärte, wurde der Betrieb aufgrund aufgetretener Meinungsdifferenzen per geschlossen und der Pachtvertrag aufgekündigt."

Im Akt findet sich sodann ein Schreiben der Wirtschaftstreuhänderin Dr. E vom , in welchem es heißt:

"Betrifft: D & L GesnbR (vormals)

G & L GesnbR (jetzt)

F-Bar ...

Namens meiner Mandantschaft teile ich mit, daß Herr D per aus der Gesellschaft ausgeschieden ist.

Seinen Anteil (50 %) übernahm mit allen Rechten und Pflichten Herr G, ... Die Gesellschaft lautet nun auf G & L GesnbR."

Mit weiterem Vorhalt vom teilte die MA 4/7 dem Beschwerdeführer mit, daß der Betrieb Cafe-Bar "F" im Zeitraum vom 25. November bis aufrechterhalten worden sei. Da D per aus der D & L GesnbR ausgeschieden sei und G, der seinen Anteil (50 %) mit allen Rechten und Pflichten in die G & L GesnbR übernommen habe, vom bis in Haft gewesen sei, liege nahe, daß der Beschwerdeführer den Betrieb geführt habe und somit für die ordnungsgemäße Steuergebarung verantwortlich gewesen sei. Der Betrieb sei von Jänner 1987 bis September 1987 geschlossen gewesen und erst wieder ab Oktober 1987 von einem Dritten weitergeführt worden.

In der hiezu erstatteten Stellungnahme vom brachte der Beschwerdeführer vor, es entziehe sich seiner Kenntnis, wessen sich G in seiner haftbedingten Abwesenheit zur Führung des Unternehmens bedient habe. Der Beschwerdeführer sei es jedenfalls nicht gewesen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies die Magistratsabteilung 4/7 die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. In der Begründung wird hiezu ausgeführt, die F-Bar sei von einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht geführt worden, der der Beschwerdeführer angehört habe. Nach Hinweis auf "§ 5 Abs. 2" (gemeint offenbar: § 4 Abs. 2) WAO führte die Erstbehörde weiters aus, es handle sich hiebei um eine primäre Abgabenpflicht, die nicht von einer durch die innergesellschaftliche Aufgabenverteilung zugewiesenen Verantwortlichkeit abhängig sei und dadurch auch nicht ausgeschlossen werden könne.

In seinem hiezu erstatteten Vorlageantrag brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, ein Haftungstatbestand nach § 5 Abs. 2 WAO sei nicht verwirklicht. Hinsichtlich der Schätzung beziehe sich die Erstbehörde lapidar auf "die vom Vorgänger erzielte ... Losung", ohne konkret zu sagen, um welchen Vorgänger es sich hiebei handle, auf welchen Zeitraum sich die erwähnte "Losung" beziehe und auf Grund welcher Umstände (Belege etc.) gerade ein Betrag von S 77.700,-- herangezogen worden sei. Die Erstbehörde habe in diesem Zusammenhang gegen ihre Pflicht, die Schätzungsunterlagen in einem einwandfreien Verfahren zu ermitteln, verstoßen. Sie hätte die Pflicht gehabt, die von ihr herangezogenen Schätzungsunterlagen im einzelnen dem Berufungswerber vorzuhalten, und habe durch Mißachtung dieser Pflicht das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt. Weiters sei in keiner Weise nachprüfbar, warum und auf Grund welcher Erwägungen die Erstbehörde in der "Berufungsentscheidung" (offenbar gemeint: Berufungsvorentscheidung) zur Auffassung gelangt sei, die F-Bar werde von einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht betrieben und es sei der Beschwerdeführer Gesellschafter dieser Gesellschaft. Es wäre Aufgabe der Erstbehörde gewesen, die in Frage kommenden Personen B, G und D sowie den Beschwerdeführer selbst zu vernehmen. Steuerpflichtig sei, wer steuerpflichtige Getränke entgeltlich abgebe. Der Beschwerdeführer erfülle dieses Tatbestandsmerkmal jedenfalls nicht.

Laut Aktenvermerk der MA 4/7 vom konnten die drei zuletzt genannten Zeugen nicht vernommen werden, weil B am nach USA, genaue Adresse unbekannt, verzogen und D nach Thailand ausgewandert sei. G habe auf zwei Zeugenladungen nicht reagiert. Es werde das Protokoll zur Hauptverhandlung und das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien im Verfahren 8a Vr 13160/86 übermittelt, in denen die Aussagen des Angeklagten G und des Zeugen L über die Betriebsverhältnisse der "F"-Bar enthalten seien.

In der Folge wurde dem Beschwerdeführer ein Auszug des Protokolles aus dem genannten Strafverfahren vorgehalten und er wurde mit weiterem Vorhalt vom unter Hinweis auf die im Abgabenverfahren bestehende Wahrheits-, Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht aufgefordert, binnen zwei Wochen konkret darzulegen, welcher Teil seiner am vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien abgelegten Zeugenaussage falsch sei. Diese Aussage, welche den Zeitraum bis September 1986 beträfe, sei für den Bemessungszeitraum nur dann ohne Bedeutung, wenn der Beschwerdeführer zuvor die Betriebsführung auf seine Rechnung beendet habe bzw. aus der den Betrieb betreibenden Gesellschaft ausgeschieden sei. Es ergehe daher an den Beschwerdeführer die Aufforderung, innerhalb der angeführten Frist zu dieser Frage ein klares, zeitlich geordnetes und detailliertes Sachverhaltsvorbringen zu erstatten und gegebenenfalls Beweismittel vorzulegen bzw. anzubieten.

In der hiezu erstatteten Äußerung vom wies der Beschwerdeführer den "Vorwurf einer falschen Zeugenaussage ... energisch" zurück. Bei den Aussagen des Beschwerdeführers handle es sich um die Äußerungen eines juristischen Laien, aus denen überdies für den relevanten Zeitraum vom 25. November bis überhaupt nichts zu gewinnen sei. Der geplante Vertrag mit B sei gar nicht zustandegekommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien die Berufung ab und ergänzte den angefochtenen Bescheid dahin, daß sich die Abgabenvorschreibung auch auf § 4 Abs. 2 WAO stütze. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe im mehrfach erwähnten Strafverfahren als Zeuge am unter anderem zu Protokoll gegeben:

"Herr G ist mir bekannt. Ich kenne ihn durch die F. Anfänglich war er im Lokal Gast und danach war er mein Partner, er war Mitgesellschafter in der F, ab November 1985 war er

Mitgesellschafter in der F. ... G und ich hatten einen

mündlichen Vertrag miteinander. ... Ich hatte auch mit Herrn B,

dem Besitzer der F einen mündlichen Vertrag, ich habe ihm für das Lokal S 350.000,-- übergeben. Ich war Pächter der F und hatte einen mündlichen Pachtvertrag mit Herrn B. Zu einem schriftlichen Vertrag mit Herrn B ist es nie gekommen, da er nie Zeit hatte. Zuerst war an der Gesellschaft D beteiligt, dieser ist dann ausgestiegen und nach ihm ist Herr G gekommen ... Eine Zeitlang war ich alleiniger Pächter der F, bis sich Herr G dann eingekauft hat. Mit diesem Einkaufen hatte er die gleichen Rechte und Ansprüche wie ich. Wir wollten immer einen Vertrag mit Herrn B machen, dieser ist jedoch nie zustandegekommen. ..."

Mit seiner Äußerung im Schriftsatz vom , daß der Vorwurf einer falschen Zeugenaussage energisch zurückgewiesen werde, habe der Beschwerdeführer selbst zugegeben, daß seine Angaben als Zeuge der Wahrheit entsprächen. Wenn auch die rechtliche Beurteilung des Vorganges der Abgabenbehörde obliege, ändere dies nichts daran, daß die Tatsachenangaben des Beschwerdeführers nur den Schluß zuließen, er habe als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts den Betrieb der "F" geführt. Er habe den Betrieb von B gepachtet, wobei der Umstand, daß es zu keinem schriftlichen Vertrag gekommen sei, ohne rechtliche Relevanz sei. Die einzige denkmögliche Alternative zur Annahme einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehe darin, daß der Beschwerdeführer den Betrieb ad personam geführt und daß G lediglich ein Darlehen zur Verfügung gestellt habe oder stiller Gesellschafter gewesen sei. Diese Alternative könnte an der Abgabepflicht des Beschwerdeführers nichts ändern, sodaß die Prüfung dieser Frage auf sich beruhen könne. Diese Beurteilung werde durch die weiteren Verfahrensergebnisse gestützt. So habe G bei der Steuerprüfung vom niederschriftlich zu Protokoll gegeben, daß der Beschwerdeführer per der Betriebsnachfolger sei. Auch B habe schriftlich bestätigt, daß der Beschwerdeführer sein Pächter gewesen sei. Hiezu käme noch das oben wiedergegebene Schreiben der Steuerberaterin Dr. E vom . In der Berufung habe sich der Beschwerdeführer auf das bloße Bestreiten verlegt und damit seine Mitwirkungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gröblich verletzt. Der Beschwerdeführer habe trotz Aufforderung der Behörde nicht dargelegt, daß er nach dem September 1986 aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeschieden sei bzw. diese den Betrieb nicht mehr geführt habe. Da weder die Aktenlage noch das Berufungsvorbringen dafür einen Hinweis böten, stehe die Steuerpflicht des Beschwerdeführers auch für den Bemessungszeitraum fest. Es erübrige sich damit auch die Einvernahme der beantragten Zeugen. Die Berechnung der Getränkesteuer sei im Bescheid der ersten Instanz ausführlich dargelegt worden. Taugliche Einwände lägen gegen die Schätzung weder dem Grunde noch der Höhe nach vor. Dafür, daß die Unterlassung der fristgerechten Einreichung der Getränkesteuererklärungen unverschuldet erfolgt sei, gebe die Aktenlage keinen Anhaltspunkt. Weil ohne Tätigwerden der Abgabenbehörde die Gefahr bestanden hätte, daß der Abgabengläubiger seines Abgabenanspruches verlustig gehe, sei der Verspätungszuschlag in der Höhe von 10 % festzusetzen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach seinem Vorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, keine Getränkesteuer entrichten zu müssen. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. Nr. 2 idF. LGBl. Nr. 32/73, unterliegt die entgeltliche Abgabe von Getränken mit Ausnahme von Bier und Milch an den Letztverbraucher einer Steuer nach Maßgabe dieses Gesetzes. Beschließt der Gemeinderat, daß die entgeltliche Abgabe von Bier an den Letztverbraucher einer Steuer unterliegt, so gelten für die Einhebung dieser Steuer der § 3 Abs. 2, die §§ 4 und 5 Abs. 2, sowie die §§ 7, 8 und 9 dieses Gesetzes. Gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. ist zur Entrichtung der Steuer verpflichtet, wer steuerpflichtige Getränke entgeltlich abgibt (Steuerpflichtiger).

Gemäß Z. 1 der Verordnung des Wiener Gemeinderates vom , Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 17/1985, S. 15, unterliegt die entgeltliche Abgabe von Bier an den Letztverbraucher einer Steuer. Die Steuer beträgt 10 vH. des Entgelts (Kleinhandelspreises). Gemäß Z. 2 der Verordnung finden die §§ 2, 5 Abs. 1 und der § 6 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2, sinngemäß Anwendung.

Gemäß § 4 Abs. 2 WAO, LGBl. Nr. 21/1962 idF. LGBl. Nr. 38/1983, sind Personen, die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind, (ebenfalls) Gesamtschuldner; dies gilt insbesondere auch für die Gesellschafter (Mitglieder) einer nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähigen Personenvereinigung (Personengemeinschaft) hinsichtlich jener Abgaben, für die diese Personenvereinigung (Personengemeinschaft) als solche abgabepflichtig ist.

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, für eine Getränkesteuerpflicht auf der Basis des erstinstanzlichen Bescheides komme nur die entgeltliche Abgabe entsprechender Getränke durch den Beschwerdeführer im relevanten Zeitraum vom 25. November bis in Frage. Dagegen habe sich die Berufung gewendet und es sei dies somit "Sache des Berufungsverfahrens" im Sinne des § 224 WAO gewesen. Die belangte Behörde hingegen nehme jetzt den Beschwerdeführer nicht wegen des Faktums in Anspruch, selbst Getränke im Sinne des § 1 Getränkesteuergesetz entgeltlich abgegeben zu haben, sondern, gestützt auf § 4 Abs. 2 WAO als Gesellschafter einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht. Damit habe aber die belangte Behörde einen Sachverhalt zum Gegenstand ihres Bescheides gemacht, der mit der "Sache" des erstinstanzlichen Verfahrens nicht mehr ident sei.

Darin vermag der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer nicht zu folgen. Gemäß § 224 Abs. 1 erster Satz WAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht gemäß § 213 zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. "Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle (ebenso wie im Sinne des § 289 Abs. 1 BAO und der entsprechenden Bestimmungen anderer Landesabgabenordnungen) ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz darf sohin in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, nicht einen Sachbescheid (im Ergebnis erstmals) erlassen. Sie darf beispielsweise nicht erstmals eine Abgabe überhaupt oder eine andere Abgabe als die von den Abgabenbehörden erster Instanz festgesetzte Abgabe vorschreiben, EINE PERSON ERSTMALS IN EINE SCHULDNERPOSITION VERWEISEN etc. (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 89/17/0067, 0068, und vom selben Tage, Zlen. 90/17/0333, 0334, sowie die dort jeweils angeführte weitere Rechtsprechung).

Eine Auswechslung der Sache im Sinne dieser Rechtsprechung liegt jedoch im Beschwerdefall nicht vor. Zutreffend hat die belangte Behörde zumindest sinngemäß zum Ausdruck gebracht, es sei für den Sachausgang ohne rechtliche Bedeutung, ob der Beschwerdeführer als Einzelunternehmer oder als Gesellschafter einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht abgabepflichtig wurde. Die Neufassung des § 4 Abs. 2 WAO durch die Novelle LGBl. Nr. 38/1983 ermöglicht es - ebenso wie die gleichlautende Änderung des § 6 Abs. 2 BAO durch die BAO-Novelle 1980 -, die Gesellschafter einer nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähigen Personenvereinigung (unmittelbar) als Gesamtschuldner für Abgaben in Anspruch zu nehmen, die materiell-rechtlich Abgaben der Vereinigung sind (vgl. Stoll, BAO Kommentar I, 92). Letzteres trifft für die Wiener Getränkesteuer - und damit auch für die Steuer auf die entgeltliche Abgabe von Bier - zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 16/3169/79, 81/16/0022, dessen Ausführungen zu § 4 Abs. 2 WAO zufolge Änderung der Rechtslage freilich überholt sind). Der Beschwerdeführer wurde also keineswegs durch die Berufungsentscheidung erstmals in die Position des Abgabenschuldners verwiesen. Aus diesem Grunde sind auch die weiteren umfangreichen Ausführungen des Beschwerdeführers zur Frage, ob im Beschwerdefall eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht vorlag oder nicht, ohne Relevanz.

An sich zu Recht rügt der Beschwerdeführer weiters, es sei nicht konkret festgestellt worden, daß die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (erg.: oder der Beschwerdeführer) im konkreten Zeitraum (25. November bis ) im Sinne des § 5 Abs. 1 Getränkesteuergesetz steuerpflichtige Getränke entgeltlich abgegeben habe. Der damit aufgezeigte Begründungs-(und damit Verfahrens-)mangel ist jedoch im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nicht wesentlich, weil die belangte Behörde auch bei seiner Vermeidung zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können.

Wie oben dargestellt hat nämlich die Abgabenbehörde erster Instanz dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom ausdrücklich vorgehalten, daß der gegenständliche Betrieb im genannten Zeitraum aufrechterhalten worden sei. Dies hat der Beschwerdeführer niemals (geschweige denn konkret und unter Behauptung eines seiner Meinung nach anders gelagerten Sachverhaltes) bestritten. Zutreffend verweist die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf, daß es dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Mitwirkungspflicht jedoch oblegen wäre, diesen Beweisergebnissen auf Grund des genannten Vorhaltes konkrete Behauptungen entgegenzusetzen. Gemäß § 138 Abs. 1 BAO (§ 107 WAO) haben auf Verlangen der Abgabenbehörde die Abgabepflichtigen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie deren Richtigkeit zu beweisen bzw. glaubhaft zu machen (Vorhaltsverfahren). Kommt der Abgabepflichtige dieser Verpflichtung zur Klärung des Sachverhalts nicht nach, ist es im allgemeinen nicht Aufgabe der Behörde, noch zusätzliche Erhebungen zu pflegen; sie wird vielmehr auf Grund des vorliegenden Beweismaterials in freier Beweiswürdigung ihre Entscheidung zu fällen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0225). Insbesondere erfordert es die Mitwirkungspflicht, daß sich der Abgabepflichtige nicht darauf beschränkt, ihm vorgehaltene konkrete Erhebungsergebnisse für unrichtig zu erklären, ohne diesen Erhebungsergebnissen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten (Erkenntnis vom , Zlen. 864/80, 2324/80, und vom , Zl. 91/17/0054). Die belangte Behörde durfte daher auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse, insbesondere der Angaben des G in der Niederschrift vom sowie der telefonischen Auskünfte des B, in unbedenklicher Weise davon ausgehen, daß der gegenständliche Betrieb in der fraglichen Zeit so wie bisher weitergeführt wurde.

Im Recht ist der Beschwerdeführer allerdings, wenn er der belangten Behörde Begründungsmängel im Zusammenhang mit der durchgeführten Schätzung vorwirft.

Gemäß § 145 Abs. 1 WAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenverwaltung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Gemäß § 145 Abs. 3 WAO ist (unter anderem) zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Daß im vorliegenden Fall die Schätzungsbefugnis der belangten Behörde gegeben war, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Ist eine Schätzung grundsätzlich zulässig, so steht zwar nach ständiger Rechtsprechung die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode der Abgabenbehörde im allgemeinen frei, doch muß das Schätzungsverfahren einwandfrei abgeführt und es müssen die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge schlüssig und folgerichtig sein. Bei einer behördlichen Schätzung der Besteuerungsgrundlagen handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht um eine Ermessensmaßnahme, sondern um einen Akt der Tatsachenfeststellung, wobei es das Ziel der Schätzung ist, mit ihrer Hilfe der Wahrheit möglichst nahe zu kommen. Die Schätzung soll der Ermittlung derjenigen Besteuerungsgrundlagen dienen, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Die Anwendung eines Sicherheitszuschlages gehört an sich zu den Elementen der Schätzung; denn es kann - ohne gegen die Denkgesetze zu verstoßen - angenommen werden, daß bei mangelhaften Aufzeichnungen nicht nur die nachgewiesenermaßen nicht verbuchten Vorgänge, sondern auch noch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden. Bei der Bemessung eines Sicherheitszuschlages, dessen Aufgabe es ist, das Risiko möglicher WEITERER Unvollständigkeiten von Aufzeichnungen auszugleichen, sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. hiezu zuletzt etwa das Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0106, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Die Behörden des Abgabenverfahrens sind, wie sich aus den Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid ergibt, von der vom "Vorgänger" G erzielten getränkesteuerpflichtigen Losung unter Hinzurechnung eines zwanzigprozentigen Sicherheitszuschlages ausgegangen. Der Formulierung "unter Hinzurechnung eines zwanzigprozentigen Sicherheitszuschlages von monatlich

77.700 S" im Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz kommt hiebei zwar keine entscheidende Bedeutung zu, weil aus der folgenden Berechnung hervorgeht, daß sich die Zahl von S 77.700,-- bereits auf die geschätzte monatliche Bemessungsgrundlage EINSCHLIEßLICH "Sicherheitszuschlag" bezog.

Die belangte Behörde hat OHNE NÄHERE BEGRÜNDUNG die bei den mit G durchgeführten Revisionen festgestellte Bemessungsgrundlage für den fraglichen Zeitraum um 20 % erhöht. Sie hat hiebei insbesondere außer acht gelassen, daß nach der Niederschrift vom für den diesbezüglichen Prüfungszeitraum KEINE Mängel der Unterlagen festgestellt werden konnten.

Abgesehen von diesem Begründungsmangel hat die belangte Behörde aber auch, wie der Beschwerdeführer mit Recht bemerkt, diesbezüglich das Parteiengehör verletzt. Dem Abgabepflichtigen sind nämlich nicht nur das Schätzungsergebnis, sondern auch die Ausgangspunkte, Überlegungen, Schlußfolgerungen und die angewendete Schätzungsmethode zur Kenntnis zu bringen, um ihm Gelegenheit zu geben, dazu entsprechend Stellung zu nehmen (vgl. auch hiezu das bereits erwähnte Erkenntnis vom und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Auch dies ist nicht geschehen; weder wurden dem Beschwerdeführer das von G anerkannte Ergebnis der Revision vom noch die Überlegungen bekanntgegeben, weshalb sich die Behörde zu einer (wie erwähnt unrichtig als "Sicherheitszuschlag" bezeichneten) Erhöhung dieser Bemessungsgrundlage für den gegenständlichen Abgabenzeitraum veranlaßt sah.

Dieser Verfahrensmangel ist auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Die weiteren vom Beschwerdeführer gerügten Verfahrensmängel liegen allerdings nicht vor. Richtig ist zwar, daß das Schreiben des B vom dem Beschwerdeführer nicht im Wortlaut vorgehalten wurde sowie daß aus diesem Schreiben entgegen der Formulierung des Vorhalts vom NICHT hervorgeht, der Beschwerdeführer sei für den gegenständlichen Abgabenzeitraum "für die gesamte Steuergebarung verantwortlich" gewesen.

Wenn der Beschwerdeführer allerdings meint, er hätte bei Vorhalt dieses Schreibens unter anderem behaupten können, er sei NICHT Pächter des gegenständlichen Unternehmens gewesen, was auch durch Einvernahme der Zeugen G und B sowie seiner Person hätte festgestellt werden können, so läßt er seine eigene Zeugenaussage im mehrfach erwähnten Strafverfahren außer acht, wo er ausdrücklich bestätigt hat, selbst Pächter der F-Bar gewesen zu sein. In der Vorhaltsbeantwortung vom hat er den "Vorwurf einer falschen Zeugenaussage ... energisch zurückgewiesen" und damit deren Richtigkeit ausdrücklich anerkannt. Es bestand daher kein Anlaß mehr, über dieses Thema die genannten Zeugen zu vernehmen. War der Beschwerdeführer jedoch im fraglichen Zeitraum Pächter und war G - was gleichfalls auf Grund der Aktenlage in unbedenklicher Weise festgestellt werden durfte - seit inhaftiert, so konnte der Beschwerdeführer nicht ernstlich behaupten, er sei für den Abgabenzeitraum für steuerliche Belange nicht "verantwortlich" gewesen.

Ähnliches gilt für den Umstand, daß dem Beschwerdeführer auch das Schreiben der Steuerberaterin Dr. E vom nicht wörtlich vorgehalten wurde. Der Beschwerdeführer hat nämlich in seiner Zeugenaussage vor dem Strafgericht auch eindeutig deponiert, daß D schon vor dem Beginn der (in welcher Form immer erfolgten) Beteiligung des G an der Führung der F-Bar aus dem Betrieb ausgeschieden war.

Aus obigen Gründen war jedoch der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.