VwGH vom 24.10.2000, 95/14/0085

VwGH vom 24.10.2000, 95/14/0085

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde der A GmbH in W, vertreten durch Dr. Klaus Dieter Strobach und Dr. Wolfgang Schmidauer, Rechtsanwälte in 4710 Grieskirchen, Stadtplatz 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , 27/1-7/F-1995, betreffend Aufhebung der Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1990 bis 1992 gemäß § 299 Abs 1 lit c BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin wurde am mit einem Stammkapital von 500.000 S gegründet. Gegenstand des Unternehmens der Beschwerdeführerin ist die Planung, die Projektierung, die Errichtung und der Betrieb von Fremdenverkehrs- und Hotelprojekten, insbesondere des Hotelprojektes Alpenreithof H. Der Alpenreithof H sollte im Anschluss an den bereits bestehenden Bauernhof eines der Gesellschafter der Beschwerdeführerin errichtet werden, wobei Reitern in einer luxuriösen Klubatmosphäre ein Erlebnisurlaub geboten werden sollte. Es sollte insbesondere "Almreiten" geboten werden. Zu diesem Zweck sollten auch einige Almhütten adaptiert werden, um es so den Reitern zu ermöglichen, ausgehend vom "Basishotel" mehrtägige Reitwanderungen durchzuführen. Daneben sollten auch die üblichen Leistungen von Reitbetrieben (Reitschulbetrieb, Kutschen- und Schlittenfahrten) angeboten werden.

Bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides wurden weder Baumaßnahmen gesetzt noch Einnahmen erzielt. Es wurde bloß eine den vorgelegten Verwaltungsakten beigeschlossene umfangreiche Machbarkeitsstudie erstellt. In den Erläuterungen zur Bilanz 1992 wurde angemerkt, die Beschwerdeführerin sei iSd Insolvenzrechtes überschuldet.

Ohne Ermittlungen vorzunehmen anerkannte das Finanzamt mittels endgültiger Bescheide die in den Jahren 1986 bis 1992 erklärten Verluste von insgesamt rund 8,1 Mio S, die insbesondere auf Grund geltend gemachter Planungs-, Verwaltungs- und Kapitalkosten entstanden sind, und ließ die geltend gemachten Vorsteuern zum Abzug zu

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde die endgültig erlassenen Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1990 bis 1992 gemäß § 299 Abs 1 lit c BAO auf, wobei sie zur Begründung ausführte, obwohl auf Grund des gegebenen Sachverhaltes das Vorliegen einer Einkunftsquelle bezweifelt werden müsse, habe das Finanzamt ohne Ermittlungen vorzunehmen erklärungsgemäß endgültige Bescheide erlassen. Da das Finanzamt somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen habe, bei deren Einhaltung anders lautende Bescheide hätten erlassen werden können, sei sie als Oberbehörde berechtigt, die Bescheide in Ausübung des Aufsichtsrechtes aufzuheben. Die im freien Ermessen erfolgte Ausübung des aufsichtsbehördlichen Behebungsrechtes gründe sich insbesondere auf den Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit vor dem der Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit sowie auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Dem Interesse der Beschwerdeführerin an der Nichtaufhebung der Bescheide komme im Vergleich zum öffentlichen Interesse an der Behebung in Anbetracht der nicht bloß geringfügigen Rechtswidrigkeit der Bescheide geringes Gewicht zu.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerdeführerin behauptet, die von der belangten Behörde gegebene Begründung hinsichtlich der Ausübung des ihr bei einer aufsichtsbehördlichen Maßnahme eingeräumten Ermessens reiche für die Aufhebung der Bescheide nicht aus.

Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat das ihr bei Ausübung des Aufsichtsrechtes nach § 299 Abs 1 lit c BAO zustehende Ermessen, wenn auch kurz, so doch ausreichend begründet. Wie der Verwaltungsgerichtshof seit dem verstärkten Senat vom , 16/0747/79, 16/0749/79, Slg Nr 5567/F, in ständiger Rechtsprechung (vgl beispielsweise das Erkenntnis vom , 92/16/0068) ausgeführt hat, kommt im Bereich des § 299 BAO dem Prinzip der Rechtmäßigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zu. Das bei der Aufhebung eines Bescheides der Behörde eingeräumte Ermessen wird regelmäßig dann iSd Gesetzes gehandhabt, wenn die Oberbehörde bei Wahrnehmung einer nicht bloß geringfügigen Rechtswidrigkeit mit Aufhebung der bereits rechtskräftigen Bescheide vorgeht.

Die nicht bloß geringfügige Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Bescheide ergibt sich schon daraus, dass sich Bescheide, die vom Vorliegen einer Liebhaberei ausgehen, ganz wesentlich von jenen unterscheiden, die vom Vorliegen einer Einkunftsquelle ausgehen. Ist noch ungewiss, ob eine Liebhaberei oder eine Einkunftsquelle vorliegt, so hat die Abgabenbehörde zunächst vorläufige Bescheide zu erlassen. Nach Ablauf des Beobachtungszeitraumes ist dies endgültig zu entscheiden. Ohne Ermittlungen vorzunehmen ist das Finanzamt zur Ansicht gelangt, die Tätigkeit der Beschwerdeführerin stelle eine Einkunftsquelle dar. Damit hat es bei dem von der Beschwerdeführerin offen gelegten Sachverhalt die ihm gemäß § 115 Abs 1 BAO auferlegte Verpflichtung, die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind, verletzt. Das Finanzamt hat somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung anders lautende Bescheide hätten erlassen werden können.

Daran vermögen die Ausführungen der Beschwerdeführerin, ein Zweifel des Finanzamtes, ob überhaupt eine Einkunftsquelle vorliege, reiche zur Aufhebung der Bescheide durch die belangte Behörde nicht aus, nichts zu ändern. Denn nicht Zweifel des Finanzamtes haben zur Aufhebung der Bescheide geführt, sondern der Umstand, dass das Finanzamt bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften anders lautende Bescheide hätte erlassen können.

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde hätte die Ermessensentscheidung des Finanzamtes, es liege eine Einkunftsquelle vor, nicht durch eine gegenteilige Ermessensentscheidung aufheben dürfen, sind nicht nachvollziehbar. Denn bei Lösung der Frage, ob eine Einkunftsquelle oder eine Liebhaberei vorliegt, ist der Abgabenbehörde kein Ermessen eingeräumt. Vielmehr hat sie diese Frage auf Grund des gegebenen oder des noch ermittelnden Sachverhaltes zu lösen.

Da das Finanzamt das Vorliegen von Liebhaberei überhaupt nicht geprüft hat, somit auch nicht festgestellt hat, ob bei der von der Beschwerdeführerin ausgeübten Tätigkeit das Vorliegen von Einkünften oder das von Liebhaberei zu vermuten ist, erweist sich die Aufhebung der Bescheides des Finanzamtes zur Gänze als mit der Rechtslage im Einklang stehend.

Mit der Behauptung, die belangte Behörde habe die Aufhebung der Bescheide mit ihrer Überschuldung iSd Insolvenzrechtes begründet und auch nicht ausgeführt, welche zusätzlichen Ermittlungen das Finanzamt hätte anstellen sollen, zeigt die Beschwerdeführerin keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Denn die belangte Behörde hat die Aufhebung der Bescheide nicht mit der Überschuldung der Beschwerdeführerin, sondern damit begründet, dass das Finanzamt bei Erlassung der Bescheide Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung anders lautende Bescheide hätten erlassen werden können. Bei der gänzlichen Ignorierung der Bestimmungen der §§ 115, 138 und 161 BAO durch das Finanzamt brauchte die belangte Behörde auch nicht mehr ausführen, welche Ermittlungen das Finanzamt hätte anstellen müssen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am