VwGH vom 24.03.1994, 92/16/0153
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Steiner, Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 14-1/J-80/1/92, betreffend Eingangsabgaben kraft Gesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe in der Zeit zwischen Februar und Juni 1980 eingangsabgabenpflichtiges Silbergut, welches von unbekannten Tätern durch heimliche Verbringung nach Österreich im Reiseverkehr unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen worden war, sohin Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen worden war, an sich gebracht und verhandelt; auf die erworbenen 2.059,299 kg Bruch- und Altsilber mit einem Feingewicht von 1.602,138 kg wären Eingangsabgaben (Einfuhrumsatzsteuer und Außenhandelsförderungsbeitrag) in Höhe von insgesamt S 1,318.780,-- entfallen. Er habe hiedurch das Vergehen der Abgabenhehlerei unter den erschwerenden Umständen der Gewerbsmäßigkeit nach §§ 37 Abs. 1 lit. a, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen.
Mit Bescheid des Zollamtes Wien vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 174 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Zollgesetz 1955 die Eingangsabgabenschuld kraft Gesetzes im Ausmaß von S 1,031.681,-- an Einfuhrumsatzsteuer und S 17.195,-- an Außenhandelsförderungsbeitrag festgesetzt. Der Beschwerdeführer habe Silber mit einem Feingewicht von 1.242,363 kg in der Zeit zwischen Februar und Juni 1980 an sich gebracht, obwohl ihm die Zollhängigkeit der Ware bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen sei. Außerdem wurde ein Säumniszuschlag verhängt. In der Begründung verwies das Zollamt auf eigene Ermittlungen sowie rechtskräftige Urteile im gerichtlichen Finanzstrafverfahren.
In seinen Rechtsmittelschriften gegen den genannten Bescheid und die abweisende Berufungsvorentscheidung machte der Beschwerdeführer Verjährung geltend. Da die Zollschuld kraft Gesetzes entstanden sei, komme eine Bemessungsverjährung nicht in Betracht, die Verjährungsfrist zur Einhebung sei aber abgelaufen. Die Vortäter hätten Schmuggel und nicht eine Hinterziehung von Eingangsabgaben begangen, sodaß die 10-Jahresfrist des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO nicht zur Anwendung komme.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Die Verjährungsfrist habe am begonnen, sei aber durch den erstinstanzlichen Abgabenbescheid unterbrochen worden. § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO gelte auch für durch Schmuggel hinterzogene Abgaben. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, daß weder die vorgeschriebenen Eingangsabgaben noch der Säumniszuschlag entrichtet werden müsse, sowie "in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren".
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 174 Abs. 3 lit. a Zollgesetz 1988 entsteht die Zollschuld kraft Gesetzes für den, der über eine einfuhrzollpflichtige zollhängige Ware erstmalig vorschriftswidrig so verfügt, als wäre sie im freien Verkehr, oder der eine solche Ware an sich bringt, obwohl ihm die Zollhängigkeit bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, in dem Zeitpunkt, in dem der Tatbestand, an dem die Entstehung der Zollschuld geknüpft ist, verwirklicht ist. Gemäß § 175 Abs. 1 ZollG 1988 (diese Bestimmungen erfuhren im zitierten Umfang durch die Novelle BGBl. Nr. 663/1987 gegenüber der im Tatzeitraum 1980 geltenden Rechtslage keine Änderung) wird die Zollschuld mit ihrem Entstehen fällig.
Der Beschwerdeführer meint nun, eine kraft Gesetzes entstandene Abgabenschuld unterliege nicht der Bemessungs-, sondern nur der Einhebungsverjährung; die fünfjährige Frist des § 238 Abs. 1 BAO habe jedoch am geendet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat vor Inkrafttreten der BAO-Novelle 1980 (BGBl. Nr. 151) mehrfach ausgesprochen, daß eine kraft Gesetzes entstandene Eingangsabgabenschuld nicht der Bemessungs-, sondern nur der Einhebungsverjährung unterliege, weil die Fälligkeit bereits im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestandes entstanden sei und sich an die Fälligkeit nur mehr die Einhebungsverjährung anschließen könne (hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. 2.972/F, hg. Erkenntnis vom , Slg. 3.037/F und vom , Slg. 4.584/F). Der Beschwerdeführer verkennt aber, daß durch die BAO-Novelle 1980 die Bestimmungen des § 207 Abs. 2 und § 238 Abs. 1 BAO entscheidende Änderungen erfahren haben:
Während im § 207 Abs. 2 alter Fassung Abgaben, die kraft Gesetzes entstanden sind, gar nicht ausdrücklich genannt wurden, ist nunmehr vorgesehen, daß bei Zöllen und sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben, soweit die Abgabenschuld kraft Gesetzes entstanden ist, das Recht, die Abgabe festzusetzen (Abs. 1) nach fünf Jahren verjährt. Dazu kam die Einfügung im § 238 Abs. 1 letzter Satz BAO, wonach das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben, keinesfalls früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe verjährt. Durch diese Einfügung im § 238 Abs. 1 BAO sollte erreicht werden, daß das Recht, fällige Abgaben einzuheben und zwangsweise einzubringen, nicht früher verjähren kann als das Recht zu Festsetzung der Abgabe (Stoll, BAO-Handbuch, 592). Nach Art. V Z. 1 der Novelle 1980 sollte die Bestimmung des § 207 Abs. 2 BAO, soweit sich hieraus für Zölle und sonstige Eingangs- oder Ausgangsabgaben eine längere als einjährige Verjährungsfrist ergibt, auf Fälle nicht anzuwenden sein, in denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle (= ) die Verjährung gemäß § 238 BAO bereits eingetreten ist. Die zuletzt genannte Voraussetzung liegt aber hier nicht vor, sodaß § 207 Abs. 2 BAO, insbesondere auch dessen zweiter Satz, zur Anwendung gelangt, weil das Recht, die Abgaben einzuheben, nicht früher verjähren kann (§ 238 Abs. 1 BAO letzter Halbsatz). Entscheidend ist also, ob Abgaben hinterzogen wurden. Der Beschwerdeführer räumt ein, daß er wegen Abgabenhehlerei an Sachen verurteilt wurde, hinsichtlich welcher Schmuggel begangen wurde; weder die Finanzbehörde noch das Gericht hätten festgestellt, daß Abgaben "hinterzogen" worden wären. Es sei streng zwischen Schmuggel gemäß § 35 Abs. 1 FinStrG und Hinterziehung von Eingangsabgaben gemäß § 35 Abs. 2 FinStrG zu unterscheiden. Wenn gemäß § 116 BAO vom Strafgericht bindend festgestellt worden sei, daß (Schmuggel und daher) keine Hinterziehung vorlag, komme die zehnjährige Verjährungsfrist nicht zum Tragen.
Gemäß § 35 Abs. 1 FinStrG macht sich des Schmuggels schuldig, wer eingangs- oder ausgangsabgabenpflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- oder Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzieht. Gemäß § 35 .Abs. 2 FinStrG macht sich der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben schuldig, wer, ohne den Tatbestand des Abs. 1 zu erfüllen, vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben bewirkt. Wird also eine Sache dem Zollverfahren entzogen, kommt es auf die Bewirkung der Verkürzung zur Erfüllung dieses Tatbestandes nicht an; daraus kann aber keineswegs geschlossen werden, daß der Schmuggler nicht auch eine Abgabenverkürzung bewirken kann. Im Strafurteil wurde ausdrücklich festgestellt, daß der Beschwerdeführer Waren erworben hat, auf die Eingangsabgaben in der Höhe von S 1,318.780,-- entfallen wären. Daß eine Verkürzung dieser Abgaben (zumindest in der im erstinstanzlichen Bescheid festgestellten Höhe) bewirkt wurde, ist unbestritten; nie hat der Beschwerdeführer deren Entrichtung behauptet. Es kann nun, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 582/58, festgestellt hat, nicht darauf ankommen, ob der Steuerschuldner selbst die Abgabe hinterzogen hat, sondern nur darauf, ob sie überhaupt hinterzogen worden ist.
In dem in der Beschwerde genannten Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , AZ 13 Os 181/76, wurde nur klargestellt, daß dann, wenn die Waren dem Zollamt gestellt wurden, der Tatbestand des Schmuggels ausgeschlossen sei, daß also die Heranziehung (bloß) des Hinterziehungstatbestandes des § 35 Abs. 2 FinStrG voraussetzt, die Ware sei nicht geschmuggelt worden. Daraus kann aber keinesfalls -schon gar nicht unter Bedachtnahme auf § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO geschlossen werden, daß bei Vorliegen von Schmuggel eine Hinterziehung ausgeschlossen sei. Hinterzogene Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO sind solche, hinsichtlich derer durch Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt wurde. All dies steht nach dem gerichtlichen Finanstrafverfahren fest. Das Silber wurde nicht gestellt, eine Warenerklärung wurde nicht abgegeben, dadurch trat eine Verkürzung von Eingangsabgaben in der Höhe von (jedenfalls) S 1,048.876,-- ein. Somit kommt die 10-Jahresfrist des § 207 Abs. 2 BAO zur Anwendung; sie war zur Zeit der erstinstanzlichen Abgabenfestsetzung nocht nicht abgelaufen.
Was die Verfahrensrüge betrifft, vermag der Beschwerdeführer, der sich mehrfach auf das gerichtliche Strafverfahren bezieht, nicht aufzuzeigen, welche Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG). Er bestreitet weder den Erwerbungszeitraum Februar bis Juni 1980 noch den Umstand, daß der erstinstanzliche Abgabenbescheid rechtzeitig (Zustellung ) erlassen wurde. Welche weiteren Erhebungen zur Frage der Verjährung erforderlich gewesen wären, läßt der Beschwerdeführer offen. Darüber hinaus konnten den Verwaltungsakten keine Verfahrensfehler entnommen werden.
Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erwies, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die SS 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 104/1991. W i e n , am