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VwGH vom 24.11.1997, 97/17/0117

VwGH vom 24.11.1997, 97/17/0117

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 30.16-19/96-16, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und des Einspruches gegen die Strafverfügung i.A. Übertretung des Steiermärkischen Parkgebührengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

er angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt Graz vom wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, die Zulassungsbesitzerin (eine näher bezeichnete GmbH) des angeführten Kraftfahrzeuges habe es unterlassen, der Aufforderung den Namen und die Adresse jener Person bekanntzugeben, der dieses Fahrzeug am von 15.21 bis 15.33 Uhr überlassen worden sei, zu entsprechen. Für diese Verwaltungsübertretung sei der Beschwerdeführer gemäß § 9 VStG als der zur Vertretung der Zulassungsbesitzerin nach außen Berufene verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Der Beschwerdeführer habe damit eine Verwaltungsübertretung nach § 6 Abs. 5 des Steiermärkischen Parkgebührengesetzes iVm § 5 Abs. 4 der Grazer Parkgebührenverordnung begangen. Aus diesem Grunde werde über ihn gemäß § 5 Abs. 1 der Grazer Parkgebührenverordnung eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt.

Die Behörde verfügte die Zustellung dieser Strafverfügung mittels RSa an die Sitzadresse der GmbH, bei der der Beschwerdeführer Geschäftsführer war. Nach dem zweiten Zustellversuch wurde die Sendung beim Postamt am hinterlegt.

Mit Schreiben vom übermittelte der Bürgermeister der Stadt Graz dem Beschwerdeführer die Strafverfügung mit dem Bemerken, sie sei durch Hinterlegung bereits rechtskräftig geworden, und forderte ihn zur Zahlung auf.

Der Beschwerdeführer beantragte mit seiner Eingabe vom gegen die in Rede stehende Strafverfügung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil ihm keine Strafverfügung zugekommen sei. Als Beweis führte er eine näher bezeichnete Person an. Des weiteren erhob er gegen die Strafverfügung Einspruch, weil er nicht das nach § 9 VStG zuständige Organ sei.

Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der Stadt Graz den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG zurück und gleichzeitig auch den Einspruch gegen die Strafverfügung vom gemäß § 49 Abs. 1 und 3 VStG als verspätet zurück. Dies mit der Begründung, die Ermittlungen bei der Österreichischen Post- und Telegrafenverwaltung hätten ergeben, daß der Zusteller den Empfänger unter Hinweis auf die Hinterlegung am ersucht habe, am an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein. Der zweite Zustellversuch am sei erfolglos verlaufen. Die Hinterlegung des Schriftstückes sei gemäß § 17 ZustG erfolgt, wobei eine Verständigung über die Hinterlegung in den Briefkasten eingelegt worden sei. Eine vorübergehende Ortsabwesenheit sei vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden, so daß die Zustellung mit Beginn der Hinterlegungsfrist gesetzmäßig erfolgt sei und die Rechtsmittelfrist mit Ablauf des geendet habe. Es lägen daher keine Gründe für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor. Die Frist zur Einbringung des Einspruches habe mit Ablauf des geendet. Da der Einspruch gegen die Strafverfügung erst am der Post zur Beförderung übergeben worden sei, sei dieser als verspätet zurückzuweisen gewesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, ihm sei - unter Mißachtung der Grundsätze der Wahrung des Parteiengehörs - das Ermittlungsergebnis bei der Österreichischen Post- und Telegrafendirektion nicht zur Kenntnis gebracht worden. Des weiteren sei die von ihm namhaft gemachte Auskunftsperson nicht geladen und einvernommen worden.

Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte sie aus, sie gehe aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens davon aus, daß sämtliche Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Zustellung der Strafverfügung an den Beschwerdeführer im Wege der Hinterlegung vorgelegen seien und auch eine allen gesetzlichen Anforderungen entsprechende Hinterlegung stattgefunden habe. Eine Sanierung eines vorangegangenen Zustellmangels durch die mit Schreiben der belangten Behörde vom erfolgte Zusendung der Strafverfügung an den Beschwerdeführer sei nicht in Frage gekommen. Das Zustellorgan hatte seinen Angaben nach nicht nur keinerlei Grund, bei der Zustellung im September 1995 daran zu zweifeln, daß sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten habe, sondern der Beschwerdeführer habe auch weder im erstinstanzlichen Verfahren noch anläßlich der Berufungsverhandlung eine im Sinne des § 17 Abs. 3 ZustG allenfalls zu berücksichtigende Ortsabwesenheit von der Abgabestelle im Zeitpunkt der Hinterlegung bzw. der Zustellversuche geltend oder glaubhaft gemacht. Der belangten Behörde stehe überdies keinerlei Recht zu, zu beurteilen, inwieweit die vom Beschwerdeführer selbst angeführte nur sporadische Anwesenheit am Firmensitz einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung zuträglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe anläßlich der Berufungsverhandlung in keiner Weise glaubhaft gemacht, daß er zum Zeitpunkt der Hinterlegung von der Abgabestelle abwesend gewesen sei und vom Zustellvorgang nicht hätte Kenntnis erlangen können. Er habe zur Hinterlegungszeit aktenkundig in Graz gewohnt, somit im selben Ort, in dem sich auch die Abgabestelle befinde und habe seine Abwesenheit (wie z.B. Urlaub) nicht einmal behauptet. Die Frist zur Erhebung eines Einspruches sei bis einschließlich gelaufen, der erst am zur Post gegebene Einspruch sei daher wegen Fristversäumnis zurückzuweisen gewesen. Da keine Gründe geltend gemacht werden konnten, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigten, sei die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und in seinem Recht auf Einleitung des ordentlichen Verfahrens und Aufhebung der Strafverfügung aufgrund seines Einspruches verletzt. Weiters erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Durchführung des von ihm beantragten Zeugenbeweises verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Will eine Behörde davon ausgehen, eine Sendung sei durch Hinterlegung zugestellt, so trifft sie von Amts wegen die Pflicht festzustellen, ob durch die Hinterlegung eine Zustellung bewirkt wurde und ob etwa der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/15/0139). Daher ist vor der Zurückweisung einer Berufung oder eines Rechtsbehelfs wegen Verspätung das Parteiengehör zu wahren (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/13/0276).

Wird ein Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelf im Zusammenhang mit einem Wiedereinsetzungsantrag erhoben, ändert dies nichts an der in Rede stehenden amtswegigen Feststellungspflicht, weil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begrifflich nur möglich ist, wenn tatsächlich eine Frist versäumt wurde. Wurde mangels Zustellung keine Frist versäumt, dann fehlt eine wesentliche Voraussetzung eines Wiedereinsetzungsantrages.

Da im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat, der gemäß § 51 Abs. 1 VStG über Berufungen in Verwaltungsstrafsachen zu entscheiden hat, kein Neuerungsverbot besteht, muß ein neues Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat berücksichtigt werden (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/11/0001).

Zustellung nach dem ZustG darf nur an einer Abgabestelle erfolgen. Diese hat die Behörde von Amts wegen zu ermitteln. Nicht die Partei ist daher für das Fehlen einer Abgabestelle darlegungs- und beweispflichtig, sondern die Behörde für ihr Vorliegen. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren mit seiner Tatsachenbehauptung, er halte sich am Sitz der GmbH nur selten (einmal monatlich) auf, die Abgabenstelleneigenschaft des Sitzes der GmbH, deren Geschäftsführer er ist, bestritten. Die belangte Behörde hätte daher die Abgabestelleneigenschaft von Amts wegen nachzuweisen gehabt. Feststellungen, daß der Sitz der GmbH die Wohnung, Unterkunft oder Kanzlei, Geschäftsraum oder Betriebsstätte des Beschwerdeführers als Empfänger sei, hat die belangte Behörde nicht getroffen. Ebensowenig läßt sich den Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Bescheid entnehmen, daß es sich bei den Räumen am Sitz der GmbH um den Arbeitsplatz des Geschäftsführers handelt.

Arbeitsplatz ist die feste Arbeitsstätte eines Erwerbstätigen, dessen örtlicher Mittelpunkt seiner Tätigkeit weder als Betriebsstätte noch als Geschäftsraum oder Kanzlei aufgefaßt werden kann. Der Arbeitsplatz kann - bei einem unselbständig Tätigen - auch in einer Wohnung, Betriebsstätte, an einem Sitz, in einem Geschäftsraum oder in einer Kanzlei liegen. Ein Arbeitsplatz liegt jedoch nicht vor, wenn der Empfänger z.B. seinen Urlaub konsumiert oder als Beamter suspendiert ist (Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, Manz (1983), 34).

Außerdem müßte, um von einer Abgabestelle des Arbeitsplatzes sprechen zu können, der Erwerbstätige dort regelmäßig zur Verrichtung von Arbeiten anwesend sein (EvBl 1988/22; MietSlg 40822). Hievon kann keine Rede sein, wenn der Aufenthalt nur etwa einmal monatlich erfolgt. Völlig ungeklärt blieb auch, ob der Geschäftsführer überhaupt auf Grund seiner Organstellung bei der GmbH eine Erwerbstätigkeit entfaltet und bejahendenfalls, ob dies in den Räumen am Sitz der GmbH erfolgt.

Wie der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist, hat die belangte Behörde auf diese Rechtslage keine Rücksicht genommen und die Sache nur unter dem Gesichtspunkt des § 17 Abs. 1 ZustG zu lösen versucht. Solcherart hat sie die Rechtslage verkannt und deshalb ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Als Folge dessen blieb der entscheidungswesentliche Sachverhalt ungeklärt. War die belangte Behörde der Auffassung, es sei die Rechtsmittelfrist versäumt worden, dann wäre auf das vom Beschwerdeführer im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Vorgebrachte einzugehen und darzulegen gewesen, aus welchen Gründen der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "zurückzuweisen" war.

Der angefochtene Bescheid, mit dem sowohl die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch der Einspruch gegen die Strafverfügung vom zurückgewiesen wurde, läßt infolge der verfehlten Rechtsansicht der belangten Behörde wesentliche Sachverhaltsfeststellungen sowie eine mängelfreie Begründung vermissen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordung BGBl. Nr. 416/1994.