VwGH vom 07.10.1993, 92/16/0106
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
92/16/0108
92/16/0107
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde 1. des OK in S 2. des FR in W und 3. des KP in S, alle vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland 1. vom , Zl. GA 14-1/K-377/1/91,
2. vom , Zl. GA 14-1/K-377/1/2/91, und 3. vom , Zl. GA 14-1/K-377/1/3/91, je betreffend Zollschuld kraft Gesetzes (Eingangsabgaben), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom wurde folgender Schuldspruch gefällt (vgl. OZ 119 der Verwaltungsakten):
"OK, KP und FR sind schuldig, sie haben am I.) OK in Drasenhofen
1.) vorsätzlich eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich 40 Kartons Zigaretten verschiedener Marken, unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen (Verkürzungsbetrag und somit Bemessungsgrundlage gemäß § 35 Abs. 4 FinStrG: S 703.324,--);
2.) zu seinem Vorteil vorsätzlich Monopolgegenstände einem monopolrechtlichen Einfuhrverbot zuwider durch die zu Punkt I./1.) genannte Handlung eingeführt (Bemessungsgrundlage gemäß § 44 Abs. 2 lit. c FinStrG: S 688.500,--);
II.) KP und FR dadurch zur Ausführung der zu Punkt I.) bezeichneten Finanzvergehen beigetragen, daß sie OK in Zwirzina/Polen zusagten, sie würden ihm beim Umladen des Schmuggelgutes in Österreich behilflich sein, sodann in Drasenhofen ihren LKW der Verzollung beim dortigen Zollamt etwa 1/2 Stunde vor OK stellten, um sich zu vergewissern, ob der geplante Schmuggel im Hinblick auf die Kontrollen an diesem Tag auch tatsächlich durchführbar war und schließlich in S OK dabei unterstützten, das Schmuggelgut in einen VW-Bus umzuladen.
OK, KP und FR haben hiedurch das Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG in Tateinheit mit dem Finanzvergehen des vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs. 1 lit. c FinStrG, KP und FR als Beteiligte gemäß § 11 FinStrG begangen und werden hiefür nach § 35 Abs. 4 FinStrG und § 44 Abs. 2 FinStrG unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 2 FinStrG
OK zu einer Geldstrafe von
S 200.000,-- (zweihunderttausend)
für den Fall der Uneinbringlichkeit 2 Monate Ersatzfreiheitsstrafe,
KP zu einer Geldstrafe von
S 80.000,-- (achtzigtausend)
für den Fall der Uneinbringlichkeit 3 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe;
FR zu einer Geldstrafe von
S 100.000,-- (einhunderttausend)
für den Fall der Uneinbringlichkeit 4 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe sowie sämtliche Angeklagte gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.
Gemäß § 23 Abs. 4 und 5 FinStrG, § 38 Abs. 1 StGB wird die Verwahrungshaft bei
OK vom , 12.45 Uhr bis , 11.45 Uhr, bei KP vom , 12.45 Uhr bis , 11.20 Uhr und bei FR vom , 12.45 Uhr bis , 12.35 Uhr auf die verwirkten Freiheitsstrafen angerechnet.
Gemäß § 17 Abs. 1 und 2 lit. a, 35 Abs. 4 und 44 Abs. 3 FinStrG werden die 400.000 Stück Zigaretten zugunsten des Bundes für verfallen erklärt."
Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht gab mit Urteil vom den dagegen von der Staatsanwaltschaft Korneuburg und vom Zollamt Wien erhobenen Berufungen insoweit Folge, als die verhängten Geldstrafen beim Erstbeschwerdeführer auf S 400.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 4 Monate Ersatzfreiheitsstrafe, beim Zweitbeschwerdeführer auf S 200.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 2 Monate Ersatzfreiheitsstrafe, und beim Drittbeschwerdeführer auf S 300.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 3 Monate Ersatzfreiheitsstrafe, erhöht wurden.
Mit den im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die von den Beschwerdeführern gegen die Bescheide des Zollamtes Wien 1. vom , 2. vom und 3. vom (womit dem Erstbeschwerdeführer gemäß § 174 Abs. 3 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 2 ZollG entstandene Abgabenschulden samt Säumniszuschlag zur Entrichtung vorgeschrieben und der Zweit- und Drittbeschwerdeführer dafür als Haftende gemäß § 11 BAO i.V.m.
§ 224 Abs. 1 leg. cit. in Anspruch genommen worden waren) erhobenen Berufungen als unbegründet ab.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens vertrat die belangte Behörde unter Hinweis auf die rechtskräftige gerichtliche Verurteilung der drei Beschwerdeführer (soweit dies für den Beschwerdefall noch von Interesse ist) die Meinung, das Verhalten des Erstbeschwerdeführers habe gemäß § 174 Abs. 3 lit. a ZollG eine Eingangsabgabenschuld kraft Gesetzes entstehen lassen. Zur Realisierung dieser Abgabenschuld, die keineswegs eine Bestrafung darstelle, bedürfe es der erlassenen Bescheide. Die gerichtliche Bestrafung der Beschwerdeführer einschließlich des Verfallsausspruches könne die Vorschreibung der Eingangsabgabe nicht verhindern. Die Geltendmachung der Sachhaftung stehe im verfahrensrechtlichen Ermessen der Behörde und komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil die betreffende Sache kraft Verfalles bereits im Eigentum des Bundes stünde. Die Geltendmachung der Haftung des Zweit- und Drittbeschwerdeführers verstoße nicht gegen das Doppelbestrafungsverbot.
Gegen diese Bescheide richtet sich die von den drei Beschwerdeführern gemeinsam erhobene, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren Rechten auf eine fehlerfreie Ermessensübung bzw. darauf verletzt, die vorgeschriebenen Verpflichtungen nicht auferlegt zu erhalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 174 Abs. 3 lit. a entsteht die Zollschuld für den, der über eine einfuhrzollpflichtige zollhängige Ware erstmalig vorschriftswidrig so verfügt, als wäre sie im freien Verkehr, oder der eine solche Ware an sich bringt, obwohl im die Zollhängigkeit bekannt war oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, kraft Gesetzes.
Gemäß § 178 Abs. 1 ZollG haften Waren, für die die Zollschuld unbedingt oder bedingt entstanden ist, ohne Rücksicht auf die Rechte anderer Personen für den auf sie entfallenden Zoll und können aus diesem Grund nach Maßgabe des § 20 der Bundesabgabenordnung vom Zollamt beschlagnahmt werden. Die Haftung beginnt mit dem Entstehen und endet mit dem Erlöschen der Zollschuld.
Gemäß § 176 leg. cit. erlischt die Zollschuld (abgesehen von hier nicht interessierenden Fällen) durch Entrichtung des Zolles.
Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte, wenn sie nicht selbst abgabepflichtig sind, für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.
Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Gemäß § 17 Abs. 7 FinStrG geht das Eigentum an den für verfallen erklärten Gegenständen mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Bund über; Rechte dritter Personen erlöschen, sofern sie nicht gemäß Abs. 5 anerkannt wurden.
Gemäß § 26 Abs. 2 FinStrG hat das Gericht (in den Fällen einer bedingten Strafnachsicht und einer bedingten Entlassung gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit.) dann, wenn mit dem Finanzvergehen eine Abgabenverkürzung oder ein sonstiger Einnahmenausfall verbunden ist, dem Verurteilten die Weisung zu erteilen, den Betrag, den er schuldet oder für den er zur Haftung herangezogen werden kann, zu entrichten. Wäre die unverzügliche Entrichtung für den Verurteilten unmöglich oder mit besonderen Härten verbunden, so ist ihm hiefür eine angemessene Frist zu setzen, die ein Jahr nicht übersteigen darf.
Die Beschwerdeausführungen erschöpfen sich in zwei Argumenten: Zum einen machen die Beschwerdeführer geltend, der Erstbeschwerdeführer habe beantragt, die auferlegte Abgabenschuld durch Geltendmachung der Sachhaftung aus den für verfallen erklärten Waren zu decken, zum anderen erachten sie die Abgabenbehörde im vorliegenden Fall für unzuständig, weil bereits das Gericht i.S. des § 26 Abs. 2 FinStrG auch über die damals noch offene Zollschuld "abgesprochen" hätte. Wenn bei einem Finanzvergehen eine Abgabenverkürzung oder ein sonstiger Einnahmenausfall gegeben sei, sei es nämlich Aufgabe des Gerichtes, auch über diesen abzusprechen.
Dem ist folgendes zu entgegnen:
Die Beschwerdeführer übersehen zunächst grundlegend, daß § 53 FinStrG den Gerichten unter den dort näher geregelten Voraussetzungen nur die Kompetenz zur Ahndung von Finanzvergehen überträgt, nicht aber die Zuständigkeit zur Abgabenerhebung. Der Einwand, die belangte Behörde sei gar nicht zuständig gewesen, geht daher von vornherein ins Leere, woran auch die von den Beschwerdeführern bemühte Bestimmung des § 26 Abs. 2 leg. cit. schon deshalb nichts zu ändern vermag, weil im vorliegenden Fall das Strafgericht gar keine bedingte Strafnachsicht ausgesprochen und daher auch keine Weisung gemäß § 26 Abs. 2 FinStrG erteilt hat.
Was den Umstand anlangt, daß betreffend 400.000 Stück Zigaretten vom Strafgericht der Verfall ausgsprochen wurde, sind die Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß es sich beim Verfall gemäß § 17 FinStrG um eine Strafe, und zwar um eine sogenannte Nebenstrafe handelt (vgl. z.B. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, 10. Lieferung, 70, Anm. 1 zu § 17 FinStrG), die völlig unabhängig von der durch das Finanzvergehen bewirkten Abgabenverkürzung ist, wobei auch eine nachträgliche Abgabenentrichtung den Verfall nicht abwenden kann. Ebenso wie die in einem Finanzstrafverfahren verhängten Geldstrafen und Wertersatzstrafen (letztere treten gemäß § 19 FinStrG unter bestimmten, dort näher geregelten Voraussetzungen an die Stelle des Verfalles) nicht auf eine gemäß § 174 Abs. 3 lit. a ZollG entstandene persönliche Pflicht zur Entrichtung der Zollschuld anzurechnen sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/16/0155, Slg. N.F. Nr. 6157/F), hat dies für einen ausgesprochenen Verfall zu gelten, weil es sich bei den Strafen der §§ 15 ff FinStrG nicht um Abgaben i.S. der BAO handelt.
Da überdies eine persönliche Zollschuld niemals auf die zollpflichtige Ware, geschweige denn mit deren Heranziehung zur dinglichen Haftung auf den Zollgläubiger übergeht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1181/56, Slg. N.F. Nr. 1679/F, auf welches zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), muß auch das auf die Sachhaftung des § 178 ZollG gestützte Argument der Beschwerdeführer von vornherein versagen und braucht daher auf das rechtliche Schicksal einer mit der erwähnten Haftung belegten Sache durch den Verfallausspruch gar nicht weiter eingegangen zu werden.
Da sich sohin die angefochtenen Bescheide als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten erweisen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Im Hinblick auf die durch die oben zitierte hg. Rechtsprechung klargestellten Rechtsfragen konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 104/1991.