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VwGH vom 28.05.1997, 95/13/0287

VwGH vom 28.05.1997, 95/13/0287

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Dr. F in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 6/1 - 1404/93-05, betreffend Einkommensteuer 1989 bis 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezog in den Streitjahren Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus Kapitalvermögen und daneben auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, in deren Rahmen ihm auch Entgelte aus Diensterfindungen zuflossen, die patentrechtlich geschützt sind. Die unter diesem Titel dem Beschwerdeführer zugeflossenen Beträge wurden gemäß § 67 Abs. 7 EStG 1988 teilweise dem festen Steuersatz von 6 % und darüber hinaus dem Lohnsteuertarif unterzogen.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist lediglich die Frage strittig, ob dem Beschwerdeführer für jene Teile seiner Einkünfte aus patentrechtlich geschützten Erfindungen, die dem Lohnsteuertarif unterzogen worden waren, die Begünstigung des § 38 EStG 1988 zusteht.

Die belangte Behörde verneinte diese Frage im nunmehr angefochtenen Bescheid mit der Begründung, daß eine Anerkennung des begünstigten Steuersatzes gemäß den §§ 37, 38 EStG 1988 nur im Wege der Veranlagung erfolgen könne. Da es sich bei den Einkünften für die Diensterfindung um lohnsteuerpflichtige Einkünfte handle, finde eine Veranlagung nur in den in § 41 EStG 1988 taxativ aufgezählten Fällen statt, sofern nicht eine Pflichtveranlagung nach § 39 EStG 1988 stattzufinden habe. In § 41 EStG 1988 aber sei die Zuerkennung des ermäßigten Steuersatzes nicht als Veranlagungsgrund angeführt. Lägen also nur nichtselbständige Einkünfte vor, dann könne wegen des Hälftesteuersatzes keine Veranlagung stattfinden und der Hälftesteuersatz demnach auch nicht gewährt werden. Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, die Begünstigung der §§ 37, 38 EStG 1988 auch auf Diensterfindungen im Rahmen der nichtselbständigen Einkünfte auszudehnen, so hätte er dies als eigenen Veranlagungstatbestand in § 41 EStG 1988 aufnehmen müssen. Es sei im vorliegenden Fall zwar gemäß § 39 EStG 1988 eine Pflichtveranlagung durchzuführen, weil der Beschwerdeführer auch andere Einkünfte beziehe. Es könne die Begünstigung der §§ 37, 38 EStG 1988 aber dennoch nicht gewährt werden, da es dann vom Zufall abhängen würde, ob der Hälftesteuersatz zu gewähren sei oder nicht, je nachdem, ob ein Steuerpflichtiger neben seinen nichtselbständigen Einkünften auch andere Einkünfte beziehen würde. Dies bedeutete eine Ungleichbehandlung der Bezieher von nichtselbständigen Einkünften. Eine solche Ungleichbehandlung stellte es aber auch dar, wenn patentrechtlich geschützte Erfindungen eines Beziehers nichtselbständiger Einkünfte die Tarifbegünstigung nach den §§ 37, 38 EStG 1988 genießen würden, weil durch die gleichzeitige Anwendung zweier steuerlicher Begünstigungen der nichtselbständige Erfinder dann stets besser als der selbständige Erfinder gestellt wäre, dem nur eine Begünstigung zustünde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit seinem Beschluß vom , B 1239/94, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Vor diesem Gerichtshof begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtwidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung, sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Anwendung des Hälftesteuersatzes gemäß §§ 37, 38 EStG 1988 auf jene Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter Diensterfindungen als verletzt anzusehen, die über das zusätzliche Jahressechstel gemäß § 67 Abs. 7 EStG 1988 hinausgehen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 beträgt die Lohnsteuer, soweit die sonstigen Bezüge innerhalb eines Kalenderjahres S 8.500,-- übersteigen, 6 %, wenn der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen) erhält.

Gemäß § 67 Abs. 7 EStG 1988 in seiner für die Streitjahre geltenden Fassung sind auf Grund lohngestaltender Vorschriften im Sinne des § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 7 gewährte Prämien für Verbesserungsvorschläge im Betrieb sowie Vergütungen an Arbeitnehmer für Diensterfindungen im Ausmaß eines Sechstels der bereits zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge, mit den Steuersätzen des Abs. 1 zu versteuern (zusätzliches Sechstel); Abs. 2 zweiter und dritter Satz ist anzuwenden.

§ 37 Abs. 1 EStG 1988 hatte in seiner für die Streitjahre geltenden Fassung folgenden Wortlaut:

"§ 37. (1) Der Steuersatz ermäßigt sich


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1.
für außerordentliche Einkünfte (Abs. 2),
2.
für Einkünfte aus besonderen Waldnutzungen (Abs. 3),
3.
für Einkünfte aus offenen Ausschüttungen (Abs. 4) sowie
4.
für Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter Erfindungen (§ 38)

auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes."

Gemäß § 38 Abs. 1 EStG 1988 ermäßigt sich der Steuersatz auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes, wenn im Einkommen Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter Erfindungen durch andere Personen enthalten sind, wobei diese Begünstigung nur dem Erfinder selbst zusteht.

Auf der Basis dieser für die Streitjahre geltenden Rechtslage ist dem Beschwerdeführer recht zu geben, wenn er die Verweigerung der Anwendung des begünstigten Steuersatzes auf jene Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter Diensterfindungen, die über das zusätzliche Jahressechstel nach § 67 Abs. 7 EStG 1988 hinausgehen, als rechtswidrig ansieht. Die Bestimmungen der §§ 37, 38 EStG 1988 finden sich in dem mit dem Wort "Tarif" überschriebenen dritten Teil des Einkommensteuergesetzes. Eine Aussage des Inhaltes, daß die Tarifermäßigung für die dort genannten Einkommensteile nur für Einkünfte bestimmter der in § 2 Abs. 3 EStG 1988 aufgezählten Einkunftsarten gelten sollten, ist dem Gesetz, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid selbst einräumen muß, nicht zu entnehmen. Damit ist das Schicksal des angefochtenen Bescheides aber bereits besiegelt. Gewährt das Gesetz für bestimmte Einkommensteile eine Tarifbegünstigung, ohne sie auf Einkünfte einer bestimmten Einkunftsart zu beschränken, dann steht diese Tarifbegünstigung dem Steuerpflichtigen zu, der die Tatbestandsvoraussetzungen der Tarifbegünstigung verwirklicht. Einer zusätzlichen gesetzlichen Anordnung des der belangten Behörde der Begründung des angefochtenen Bescheides nach vorschwebenden Inhaltes, daß Bezieher bestimmter Einkunftsarten von der gesetzlich normierten Tarifbegünstigung umfaßt seien, bedurfte es hiezu nicht. Dieses vom Gerichtshof gefundene Auslegungsergebnis steht im Einklang mit dem Schrifttum (Hofstätter/Reichel/Fellner/Fuchs/Zorn, Die Einkommensteuer, EStG 1988, Kommentar, TZ 4 zu § 38 EStG 1988, und Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, TZ 7 zu § 38 EStG 1988); für dieses Ergebnis spricht des weiteren auch der Umstand, daß sich der Gesetzgeber des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818, dazu veranlaßt sah, der Bestimmung des § 37 EStG 1988 einen sechsten Absatz anzufügen, welcher dahin lautete, daß auf Einkünfte, die zum Teil mit dem festen Satz des § 67 versteuert werden, der ermäßigte Steuersatz nicht anzuwenden ist, womit die bis dahin geltende Rechtslage im Sinne eines Ausschlusses von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von der in Rede stehenden Tarifbestimmung umgestaltet wurde.

Der im angefochtenen Bescheid getroffene Hinweis auf den Wortlaut des § 41 EStG 1988 trägt den behördlichen Standpunkt im Beschwerdefall schon deswegen nicht, weil im Beschwerdefall eine Veranlagung des Beschwerdeführers vorzunehmen war und auch vorgenommen wurde. Die von der belangten Behörde angestellten Erwägungen zu einer Gleichheitswidrigkeit einer Anwendung der Tarifbestimmungen der §§ 37, 38 EStG 1988 im Fall einer Pflichtveranlagung nach § 39 EStG 1988 gegenüber dem Fehlen eines solchen Veranlagungstatbestandes bei einem anderen Steuerpflichtigen mit vergleichbaren Einkommensteilen können dem Beschwerdeführer nicht den ihm aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch auf Anwendung der steuerlichen Begünstigung nehmen und wären vielmehr erst in einem Fall anzustellen, in welchem einem Steuerpflichtigen mangels Vorliegens eines Veranlagungstatbestandes die Tarifermäßigung lediglich aus diesem Grunde nicht gewährt werden könnte.

Der angefochtene Bescheid erwies sich somit als inhaltlich rechtswidrig und war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.