VwGH vom 13.12.1995, 95/13/0246
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der "A"-GmbH in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 8 - 2247/89, betreffend Haftung für Lohnsteuer sowie Festsetzung von Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag und Säumniszuschlag für den Zeitraum vom bis zum , zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeschrift und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Im Zuge von Lohnsteuerprüfungen für den Zeitraum vom bis zum war festgestellt worden, daß für die Bezüge des an der Beschwerdeführerin beteiligten Geschäftsführers keine lohnabhängigen Abgaben einbehalten und abgeführt worden waren, obwohl die Beschwerdeführerin für Zwecke der Veranlagung zur Einkommensteuer ihres Geschäftsführers Lohnzettel mit ausgewiesener Lohnsteuer ausgestellt hatte. Mangels Vorlage von Lohnverrechnungsunterlagen wurden die lohnabhängigen Abgaben im Schätzungswege ermittelt, worauf das Finanzamt die Beschwerdeführerin bescheidmäßig zur Haftung für Lohnsteuer heranzog und ihr gegenüber ferner Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag festsetzte und Säumniszuschlag vorschrieb. In ihrer Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, daß die Gehaltszahlungen an ihren Geschäftsführer buchhalterisch zwar gutgeschrieben worden seien, daß der Geschäftsführer aber "infolge Zahlungsschwierigkeiten seitens der Beschwerdeführerin tatsächlich nicht verfügen habe können".
Nach dem Ersuchen des Finanzamtes um Darlegung, inwiefern triftige wirtschaftliche Gründe für das Unterbleiben einer Auszahlung der Geschäftsführerbezüge vorgelegen gewesen sein sollten, von der Beschwerdeführerin unbeantwortet belassen worden waren, ergingen abweisliche Berufungsvorentscheidungen, in welchen das Finanzamt darauf hinwies, daß Einnahmen gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1972 in jenem Kalenderjahr bezogen würden, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen seien, wobei unter Zufluß auch eine Gutschrift zu verstehen sei, über welche der Empfänger verfügen könne. Verfüge ein an der Gesellschaft überdies beteiligter Geschäftsführer, daß sein Gehalt nicht auszubezahlen sei, sondern der Gesellschaft zur Verfügung stehen solle, dann sei dies eine Verfügung über zugeflossene Einnahmen. Zwingende wirtschaftliche Gründe, welche eine andere Betrachtungsweise geböten, habe die Beschwerdeführerin nicht dargestellt.
Nach Anträgen der Beschwerdeführerin auf Entscheidung über ihre Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurden diese mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf die zutreffende Begründung der Berufungsvorentscheidungen als unbegründet abgewiesen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und jene infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht; die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des Bescheides, wobei sie sich ihrem Vorbringen nach durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf als verletzt ansieht, nicht zur Haftung für Lohnsteuer und zur Zahlung von Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag für einen Arbeitslohn herangezogen zu werden, über welchen ihr Geschäftsführer wirtschaftlich nicht habe verfügen können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ein Betrag ist gemäß § 19 Abs. 1 der Einkommensteuergesetze dann als zugeflossen anzusehen, wenn der Empfänger über ihn tatsächlich und rechtlich verfügen kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 93/14/0155, ÖStZB 1994, 459, und vom , 92/15/0048, ÖStZB 1993, 537).
Daß der Verfügungsmacht ihres Geschäftsführers über die gutgeschriebenen Bezüge ein rechtliches Hindernis entgegengestanden wäre, behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Daß der Geschäftsführer einer Gesellschaft grundsätzlich auch die tatsächliche Verfügungsmacht über zu seinen Gunsten ausgestellte Gutschriften innehat, ist nicht zu bezweifeln (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom , 89/13/0202). Daß die Beschwerdeführerin schlechthin und permanent zahlungsunfähig gewesen wäre, hat sie mit dem in der Beschwerde angeführten Vorbringen über das Leiden an "Auftragsmangel" und über "Zahlungsschwierigkeiten" nicht tauglich behauptet. Die ihr vom Finanzamt eingeräumte Gelegenheit zur nachvollziehbaren Darstellung jener wirtschaftlichen Situation, welche eine Verfügung des Geschäftsführers über die gutgeschriebenen Beträge im konkreten Zeitraum nicht zugelassen hätte, hat die Beschwerdeführerin nicht genutzt. An ihr wäre es gelegen, den ihrem Rechtsstandpunkt entsprechenden Sachverhalt in einer der behördlichen Feststellung zugänglichen Weise dar- und unter Beweis zu stellen. Der Inhalt der Abgabenerklärungen und der ihnen angeschlossenen Bilanzen konnte die nach Lage des Falles erforderliche Beantwortung der behördlichen Anfrage über die wirtschaftliche Unmöglichkeit einer Verfügung des Geschäftsführers über seine Bezüge schon deswegen nicht ersetzen, weil aus Abgabenerklärungen und entsprechenden Bilanzen entnehmbare Verbindlichkeiten und Verluste eines Unternehmens über seine Liquiditätslage noch keine verläßliche Auskunft geben. Hat die Beschwerdeführerin die behördlichen Anfragen zur Klärung des von ihr behaupteten Sachverhaltes nicht beantwortet, dann war es nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde der Beschwerdeführerin dies als Verletzung ihrer Mitwirkungspflichten angelastet hat, weil ohne ein die Liquiditätslage der Beschwerdeführerin im maßgebenden Zeitraum konkret nachvollziehbar darstellendes Sachvorbringen kein rechtlicher Grund dafür bestand, am Zufluß der Bezüge an den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zu zweifeln. Die der Abgabenbehörde in der Bestimmung des § 115 BAO auferlegte Verpflichtung findet im Spannungsverhältnis zu den Obliegenheiten des Abgabepflichtigen nach § 119 BAO dort ihre Grenze, wo der Abgabepflichtige die Leistung des ihm zukommenden Beitrags zur Sachverhaltsermittlung verweigert (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 92/13/0027, 0028, ÖStZB 1995, 260).
Da der Inhalt der Beschwerde schon erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wodurch sich die Erlassung eines aus dem Grunde der §§ 24 Abs. 1 und 29 VwGG ansonsten gebotenen Mängelbeseitigungsauftrages nach § 34 Abs. 2 VwGG erübrigte.
Wien, am