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VwGH vom 14.05.1992, 92/16/0013

VwGH vom 14.05.1992, 92/16/0013

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Ladislav, über die Beschwerde des Franz K in St, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , GZ. 71-GA5-DTa/91, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schenkungsvertrag vom schenkte Friederike K., die Mutter des Beschwerdeführers, diesem einen Barbetrag von S 62.500,--, worauf dem Beschwerdeführer vom zuständigen Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Schenkungssteuer in Höhe von S 1.300,-- vorgeschrieben wurde.

Mit "Schenkungs- zugleich Abtretungsvertrag" vom übertrug Friederike K. Anteile an der E. GmbH schenkungsweise unter anderem an den Beschwerdeführer. Nach einer Mitteilung des Betriebsfinanzamtes vom betrug der gemeine Wert des Gesellschaftsanteils zum S 51,-- für S 100,-- Nominalbetrag. Nach Punkt 8. des Vertrages hatten alle Kosten der Errichtung und "Vergebührung" des Vertrages die Übernehmer zu tragen. Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt der Übergeberin Schenkungssteuer vor. Soweit der Bescheid den Erwerb des Beschwerdeführers von Anteilen im Nominalbetrag von S 62.500,-- zum Gegenstand hatte, machte die vorgeschriebene Schenkungssteuer S 37,-- aus.

In einem beim Finanzamt unter BRP. 17156/85 erfaßten Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vom verzichtete der Beschwerdeführer gegenüber seinen Eltern Ludwig und Friederike K. auf das ihm nach diesen zustehende Erb- und Pflichtteilsrecht. Nach Punkt 4. dieses Vertrages wurde ein Entgelt für diese Verzichtsleistung weder gefordert noch gegeben.

Das Finanzamt forderte im Oktober 1985 Ludwig K. zur Einreichung einer "Abgabenerklärung S" auf. In dieser vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers eingereichten "Abgabenerklärung S" wurde auf die Vorschenkungen eines Barbetrages von S 62.500,-- sowie des oben bezeichneten GmbH-Anteils hingewiesen.

Nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung erging am an den Beschwerdeführer ein Schenkungssteuerbescheid, womit für den Erwerbsvorgang vom unter Berücksichtigung der Vorschenkung vom Schenkungssteuer in Höhe von S 437.219,-- vorgeschrieben wurde.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde gegen den Anspruch Verjährung eingewendet. Die Schenkungen vom und vom seien ordnungsgemäß angezeigt worden. Der an Friederike K. ergangene Bescheid vom sei rechtskräftig und unterliege der "Verjährungsfrist". In der Zusendung der Abgabenerklärungen an Ludwig K. könne keine Unterbrechungshandlung hinsichtlich der Schenkung der Friederike K. an ihre Kinder erblickt werden.

Nach einem entsprechenden Vorhalt der belangten Behörde wurde vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers in einer Eingabe vom insbesondere ausgeführt, die Abgabenbehörde habe mit dem an Friederike K. ergangenen Bescheid vom ihr Ermessen ausgeübt, an welchen Gesamtschuldner sie ihr Leistungsgebot richten will. Mit diesem Bescheid habe die Abgabenbehörde die gesamte Schenkung der GmbH-Anteile erfaßt. Eine Heranziehung der übrigen Gesamtschuldner wäre nur im Wege eines Haftungsbescheides möglich gewesen. Solange der Bescheid an Friederike K. aufrecht ist, könnten nicht an die übrigen Gesamtschuldner weitere Bescheide ergehen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat darin die Auffassung, daß eine ordnungsgemäße Anzeige einer Schenkung (auch) Angaben über Vorschenkungen umfaßt. Da die Abgabenbehörde erst durch die "Abgabenerklärung S" vom Kenntnis von der Vorschenkung erlangt habe, habe die Bemessungsverjährung erst mit Beginn des Jahres 1986 begonnen. Die Abgabenbehörde habe den Beschwerdeführer zu Recht als Gesamtschuldner mittels eines an ihn gerichteten Abgabenbescheides in Anspruch nehmen können.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, der Verjährung. Nach dem ersten Satz des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle beträgt die Verjährungsfrist - abgesehen von Eingangs- und Ausgangsabgaben in bestimmten Fällen sowie von Verbrauchsteuern - fünf Jahre. Die Verjährung beginnt in diesen Fällen gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Wird jedoch ein der Erbschafts- und Schenkungssteuer oder der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß der Abgabenbehörde angezeigt, so beginnt die Verjährung des Rechtes zur Festsetzung dieser Abgaben nicht vor Ablauf des Jahres, in dem die Abgabenbehörde von dem Erwerbsvorgang Kenntnis erlangt (vgl. § 208 Abs. 2 BAO).

Unter einer solchen "ordnungsgemäßen Anzeige" im Sinne des § 208 Abs. 2 BAO kann nur eine solche verstanden werden, die gegenüber der zuständigen Abgabenbehörde zeitgerecht, richtig und vollständig erstattet wird. Der Lauf der Bemessungsverjährungsfrist wird also erst dann in Gang gesetzt, wenn der zuständigen Abgabenbehörde durch entsprechende Mitteilungen, Erklärungen etc. durch den hiezu Verpflichteten alle den steuerpflichtigen Tatbestand bildenden Umstände und Verhältnisse bekanntgegeben worden sind. Die zuständige Abgabenbehörde muß vom steuerpflichtigen Erwerbsvorgang tatsächlich in einer Weise und in einem Umfang Kenntnis erlangt haben, daß ein vollständiges Bild über den abgabenrechtlich relevanten Sachverhalt gewonnen werden kann und demgemäß eine sachgerechte Abgabenfestsetzung objektiv möglich geworden ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/16/0023).

Die Bestimmungen des § 11 ErbStG über die Berücksichtigung sogenannter Vorschenkungen gehören zu den im I. Teil unter Z. 3 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 zusammengefaßten Vorschriften über die "Berechnung der Steuer". Die im § 11 ErbStG angeordnete Zusammenrechnung der innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallenden Vermögensvorteile ist für die Festsetzung der Steuer vom jeweiligen Erwerbsvorgang von maßgeblicher Bedeutung. Ohne Kenntnis der innerhalb der Zehn-Jahres-Frist angefallenen früheren Erwerbe ist der Abgabenbehörde somit eine sachgerechte Abgabenfestsetzung objektiv nicht möglich. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers umfaßt also die Ordnungsmäßigkeit der Anzeige nach § 208 Abs. 2 BAO nicht allein die bloße Tatsache des Erwerbsvorganges an sich, sondern jedenfalls auch alle Umstände, die für die Berechnung der Steuer maßgebend sind.

Auch wenn jedoch der Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt worden ist, so hatte die zuständige Abgabenbehörde erster Instanz dadurch, daß bei ihr der aus der Sicht des streitgegenständlichen Erwerbsvorganges eine "Vorschenkung" darstellende Erwerbsvorgang des Jahres 1981 ordnungsgemäß angemeldet worden war, bereits im Jahre 1983 von der schenkungsweisen Abtretung in einer Weise Kenntnis erlangt, daß bereits mit der Anzeige des Abtretungsvertrages eine sachgerechte Abgabenfestsetzung möglich geworden ist. Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung kommt es dabei nicht darauf an, auf welche Weise die Abgabenbehörde erster Instanz eine aktenmäßige Erfassung der Vorschenkungen sicherstellen kann, zumal sie in Bemessungsfällen, in denen keine Angaben über Vorschenkungen enthalten sind, nach § 161 Abs. 2 BAO vorgehen kann.

Im Beschwerdefall begann somit bei sinnvoller Auslegung des § 208 Abs. 2 BAO die Verjährung mit Ablauf des Jahres 1983. Auf Grund ihrer unrichtigen Rechtsauffassung hat die belangte Behörde keine Feststellungen hinsichtlich der im Berufungsverfahren relevierten Frage, ob die Verjährung durch eine von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlungen unterbrochen worden ist, getroffen. Mit den Ausführungen in der Gegenschrift über das Vorhandensein von Unterbrechungshandlungen konnte die fehlende Begründung des angefochtenen Bescheides nicht nachgeholt werden, zumal die Akten insoweit nicht vorgelegt wurden, als sich die belangte Behörde auf ein Feststellungsverfahren beim Finanzamt Salzburg-Land bezog. Im gegebenen Zusammenhang ist für die Durchführung des fortgesetzten Verfahrens darauf hinzuweisen, daß die in der Gegenschrift vertretene Auffassung, die Zusendung der "Steuererklärung S" im Oktober 1985 stelle eine Unterbrechungshandlung dar, unrichtig ist. Wie auch aus dem Aktenzeichen des Finanzamtes erkennbar ist, betraf die Zusendung der Steuererklärung an Ludwig K. ausschließlich den (offenkundig steuerfreien) Erwerbsvorgang vom . Diese Amtshandlung wurde damit keinesfalls zur Geltendmachung des Anspruches der streitgegenständlichen Schenkungssteuer unternommen.

Zur Durchführung des fortgesetzten Verfahrens wird weiters darauf hingewiesen, daß es nach ständiger Rechtsprechung im Ermessen der Behörde liegt, ob sie das Leistungsgebot an einen der Gesamtschuldner und an welchen Gesamtschuldner oder an mehrere oder alle Gesamtschuldner richten will (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/16/0011). Daraus folgt, daß die Behörde auch nach Erlassung eines Abgabenbescheides an einen der Gesamtschuldner einen (weiteren) Bescheid an einen vorerst nicht zur Abgabenleistung herangezogenen Gesamtschuldner richten kann (soferne die Behörde nicht die Rechtsfolgen des § 101 BAO hat eintreten lassen). Durch die Rechtskraft des in einem anderen Verfahren erlassenen Bescheides ist der später herangezogene Gesamtschuldner dabei in seinen Verteidigungsmöglichkeiten nicht beschränkt (vgl. den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 4129). In diesem Sinne ist auch der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, daß der Ausgang des Erstverfahrens für das nachfolgende Berufungsverfahren nicht präjudiziell ist (vgl. das Erkenntnis vom , 81/16/0098). Aus diesen Grundsätzen folgt aber, daß entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bei sukzessiver Erlassung von Abgabenbescheiden an mehrere Gesamtschuldner das Leistungsgebot der weiteren Abgabenbescheide vom ersterlassenen Bescheid sehr wohl abweichen kann. Auch dann, wenn das Finanzamt die Schenkungssteuer gegenüber einem von mehreren Gesamtschuldnern rechtskräftig festgesetzt hat, kann es somit diese Steuer gegenüber einem anderen Gesamtschuldner höher festsetzen (vgl. das Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes vom , II R 189/83, BStBl 1988 II, S. 188).

Ein Grundsatz, daß auch bei sukzessive herangezogenen Gesamtschuldnern das Leistungsgebot gleich hoch sein muß, kann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch nicht den Bestimmungen der §§ 257 und 290 BAO entnommen werden. Durch diese Bestimmungen sollen lediglich einheitliche Entscheidungen im BERUFUNGSVERFAHREN, aber nicht im Abgabenverfahren schlechthin herbeigeführt werden. Überdies bedeutet auch eine einheitliche Berufungsentscheidung nicht notwendigerweise eine Entscheidung mit gleichem Leistungsgebot (vgl. Fellner, Das Gesamtschuldverhältnis im Abgabenrecht, SWK 1991, A V 5).

Der dargestellten Auffassung steht auch nicht entgegen, daß die im ersten Bescheid vorgeschriebene Abgabe (im Beschwerdefall, Bescheid vom über eine Schenkungssteuer von S 37,--) vom Steuerschuldner entrichtet worden ist. Es trifft zwar zu, daß die Abgabenschuld bei ihrer Entrichtung durch einen der Gesamtschuldner erlischt und das Gesamtschuldverhältnis damit sein Ende findet (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 3625/F). Diese Rechtsfolge tritt aber nur insoweit ein, als tatsächlich die Abgabenschuld entrichtet worden ist. Ist sie von dem zunächst in Anspruch genommenen Abgabenschuldner - wie im Beschwerdefall auf Grund einer unrichtigen bescheidmäßigen Vorschreibung - nur zum Teil entrichtet worden, so ist es im übersteigenden Ausmaß nicht zu einem Erlöschen des Gesamtschuldverhältnisses gekommen.

Im Hinblick auf die unzutreffende Rechtsauffassung der belangten Behörde zur Beurteilung der Verjährung war der angefochtene Bescheid jedoch gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, womit es sich erübrigte, auf die weiteren Beschwerdeausführungen einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.