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VwGH vom 09.07.1997, 95/13/0124

VwGH vom 09.07.1997, 95/13/0124

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Dr. P in R, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat X) vom , Zl. 17-94/4290/02, betreffend Einkommensteuer 1989 bis 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Abspruch über die Einkommensteuer der Jahre 1989 bis 1991 richtet, als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Einkommensteuer der Jahre 1992 und 1993 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheiden vom berichtigte das Finanzamt die gegenüber dem Beschwerdeführer erlassenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1989 bis 1993 gemäß § 293b BAO und erkannte für bisher nach § 37 Abs. 1 EStG 1988 besteuerte Einkünfte diese Steuersatzbegünstigung nicht mehr zu. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, nach dem EStG 1988 gebe es für die selbständige Tätigkeit als Schriftsteller ab dem Veranlagungsjahr 1989 keinen ermäßigten Steuersatz mehr.

In der Berufung vom brachte der Beschwerdeführer vor, daß die Rechtswidrigkeit der berichtigten Bescheide nicht auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht habe. In den Abgabenerklärungen seien Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erklärt und für "bestimmte Beträge" sei im Eingabefeld 423 der Hälftesteuersatz gemäß "§ 37 (2 und 3) oder § 38 EStG" beantragt worden. Darüber hinaus seien diese Beträge nicht einmal einer bestimmten Einkunftsart zugeordnet oder dort angeführt worden. Es hätte sich somit "durchaus um Einnahmen handeln können, die nach wie vor dem Hälftesteuersatz unterliegen". Bei einer Akteneinsicht am sei festgestellt worden, daß sich im Veranlagungsakt 1992 und 1993 keine Beilagen befänden. Aus den Beilagen für die restlichen Jahre sei ebenfalls nicht sofort und eindeutig erkennbar, somit nicht "offensichtlich" gewesen, um welche Art von Einkünften es sich gehandelt habe, für die der Hälftesteuersatz beantragt worden sei. Da somit aus den Abgabenerklärungen keineswegs eine "offensichtliche Unrichtigkeit, gleichsam eine ins Auge springende Unrichtigkeit" zu entnehmen sei, sich für die Jahre 1991, 1992 und 1993 überhaupt keine Beilagen im Akt befänden und aus den Beilagen für die Jahre 1989 und 1990 "kaum feststellbar ist, um welche Art von Einkünften es sich handelt, liegt keine Übernahme einer offensichtlichen Unrichtigkeit vor". Außerdem sei eine Berichtigung nach § 293b BAO im allgemeinen nur dann vorzunehmen, wenn keine andere verfahrensrechtliche Handhabe zur Herbeiführung des richtigen Besteuerungsergebnisses bestehe. So sei bei offener Jahresfrist des § 302 BAO eher die Aufhebung gemäß § 299 BAO vorzuziehen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Im Sachverhaltsteil des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in den Streitjahren als Pfarrer, Mittelschullehrer und Lehrer an einer pädagogischen Akademie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen. Darüberhinaus habe der Beschwerdeführer aus einer nebenberuflichen schriftstellerischen Tätigkeit Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt. In den Einkommensteuererklärungen seien hinsichtlich dieser Einkünfte nachstehende Angaben gemacht worden:

"1989: Bei Einkünften aus selbständiger Arbeit:

"Buchtantiemen, Rundfunkhonorare S 93.161,90" Beim Gesamtbetrag der Einkünfte und bei KZ 423-Einkünfte gemäß § 37 Abs. 2 und 3 oder § 38 EStG =

Antrag auf Hälftesteuersatz "S 93.161,90"

1990-1993 bei KZ 423-Einkünfte gemäß § 37 Abs. 2 und 3 *)

oder § 38 EStG = Antrag auf Hälftesteuersatz

*) es wurden die diesbezüglichen, jeweils den Beilagen entsprechenden Beträge ausgewiesen.

In den Beilagen zu den Einkommensteuererklärungen scheinen hinsichtlich der gegenständlichen Einkünfte als Angaben auf:

1989: Verlag Styria, ORF - Abrechnung S 93.161,90

halber Steuersatz, Ziffer 423

1990: Styria Verlag, Presseverband ORF S 120.732,38

1991: Belege von Verlagen, ORF (423) S 114.358,73

1992:423 Selbständige Einkünfte gem. § 37/2,

3 EStG S 127.161,--

1993:423 Einkünfte gemäß § 37/2, 3 EStG S 115.244,80"

Der Beschwerdeführer habe - so die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides - Nebeneinkünfte aus schriftstellerischer Tätigkeit bezogen, für die der beantragte Hälftesteuersatz berücksichtigt worden sei. Abgesehen davon, daß insbesondere aus den Beilagen zu den Einkommensteuererklärungen 1989 bis 1991 eindeutig erkennbar sei, daß es sich bei den Nebeneinkünften um Buchtantiemen und Rundfunkhonorare gehandelt habe (und dies auch für 1992 und 1993 beispielsweise aus den gleichartigen betragsmäßigen Gliederungen dieser Einkünfte zu entnehmen sei), stehe - "in offensichtlicher Weise" - nicht in Frage, daß es sich um Einkünfte aus selbständiger Arbeit gehandelt habe, für die der beanspruchte Hälftesteuersatz nach der Rechtslage des EStG 1988 zu Unrecht zuerkannt worden sei. Die vom Finanzamt vorgenommene Berichtigung erweise sich auch als Ergebnis einer rechtmäßigen Ermessensübung. Es sei grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen, wobei weiters die auf die Berichtigung der Unrichtigkeiten entfallenden Abgaben nicht geringfügig seien, sodaß diese auch aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung geboten gewesen sei.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.

Nach herrschender Meinung gestattet diese Gesetzesstelle die Berichtigung eines Bescheides dann, wenn er qualifiziert rechtswidrig ist; d.h., wenn der Bescheid auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht. Offensichtliche Unrichtigkeit liegt vor, wenn sie ohne nähere Untersuchungen im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/15/0008, m. w.N.).

Die belangte Behörde ist darin im Recht, wenn sie im angefochtenen Bescheid davon ausging, daß die - unbestritten - unzulässige Zuerkennung des begünstigten (Hälfte)Steuersatzes nach § 37 Abs. 1 EStG 1988 für die Jahre 1989 bis 1991 auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruhte. In diesen Jahren war nämlich aus den - oben wiedergegebenen - Angaben in den Steuererklärungen und den Beilagen hiezu ohne weitere Ermittlungen deutlich erkennbar, daß es sich bei den in Rede stehenden Einkünften um im Geltungsbereich des EStG 1988 nicht mehr begünstigungsfähige Autoren(Rundfunk)honorare handelte. Die für die Jahre 1989 bis 1991 vorgenommene Bescheidberichtigung nach § 293b BAO läßt auch ansonsten keine Rechtswidrigkeit erkennen:

Die Möglichkeit zur Bescheidberichtigung nach § 293b (auf Antrag der Partei oder von Amts wegen) wurde gerade deswegen durch das AbgÄG 1989, BGBl. Nr. 660/1989, - unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten der EDV-unterstützten (Sofort)Veranlagungstätigkeit - geschaffen, um dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung auch dann zum Durchbruch zu verhelfen, wenn für den Einsatz anderer - bisher vorhandener - verfahrensrechtlicher Instrumente (so einer Wiederaufnahme nach § 303 BAO oder einer Bescheidbehebung nach § 299 BAO) die Voraussetzungen fehlen. Es kann daher grundsätzlich kein Ermessensmißbrauch darin gesehen werden, wenn die Behörde etwa über die Grenze der Jahresfrist einer Bescheidbehebung nach § 299 BAO (i.V.m. § 302 Abs. 1 BAO) hinaus eine Bescheidberichtigung nach § 293b BAO vornimmt. Die Zweckmäßigkeit der erfolgten Berichtigung ergibt sich damit bereits aus dem Ziel der gesetzlichen Norm des § 293b BAO, welches die Herbeiführung eines der Gleichmäßigkeit der Besteuerung entsprechenden Ergebnisses ist, wobei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit gegenüber jenem der Rechtsbeständigkeit der Vorrang einzuräumen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/14/0150, m. w.N.). Billigkeitsgründe, die der Berichtigung entgegengestanden wären, wurden in der Berufung nicht vorgebracht und auch aus der Beschwerde ist nicht erkennbar, welche Billigkeitserwägungen gegen die Durchführung der vorgenommenen Berichtigung sprechen könnten. Hinsichtlich des vom Beschwerdeführer herangezogenen Grundsatzes von "Treu und Glauben" ist darauf hinzuweisen, daß hier ein Vertrauen auf eine rechtsunrichtige Beurteilung der Behörde im allgemeinen nicht geschützt ist (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/15/0208, 0209). Auf das Ausmaß der Aufmerksamkeit oder Vernachlässigung der gebotenen Sorgfalt der Behörde - so habe laut Beschwerde die Behörde in all den Jahren die Zulässigkeit des begünstigten Steuersatzes "nicht hinterfragt" - kommt es in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht entscheidend an (vgl. nochmals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/15/0008).

Was die Bescheidberichtigung für die Jahre 1992 und 1993 anlangt, wird in der Beschwerde zutreffend darauf hingewiesen, daß in diesen Jahren aus den Abgabenerklärungen (und den Beilagen) der Sachverhalt betreffend die Herkunft der mit "Selbständige Einkünfte" bzw. "Einkünfte" gemäß

"§ 37/2, 3 EStG" bezeichneten Einkunftsbeträge nicht ersichtlich war. Es war damit in diesen Jahren aus den Abgabenerklärungen auch nicht offensichtlich erkennbar, daß der beantragte begünstigte Steuersatz nicht hätte gewährt werden dürfen. Die Zuerkennung war im Sinne des hg. Erkenntnisses vom , 95/15/0008, mit früheren aktenkundigen Umständen auch nicht unvereinbar. Damit lagen aber die Voraussetzungen für die Anwendung des verfahrensrechtlichen Instrumentes des § 293b BAO für die Jahre 1992 und 1993 nicht vor.

Insgesamt war daher die Beschwerde betreffend die Jahre 1989 bis 1991 gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, hingegen betreffend die Jahre 1992 und 1993 der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.