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VwGH vom 21.10.1993, 92/15/0079

VwGH vom 21.10.1993, 92/15/0079

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der D in R, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. 16-GA3BK-DHu/90, betreffend Feststellung der Einkünfte für das Jahr 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin erwarb im Jahre 1987 im Erbweg einen Miteigentumsanteil an einer bebauten Liegenschaft in Salzburg, X-Gasse. Anläßlich der Veranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 1987 begehrte sie, bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Berechnung der Abschreibung für Abnutzung vom Gebäude die fiktiven Anschaffungskosten zum zugrunde zu legen (§ 16 Abs. 1 Z. 8 lit. b EStG 1972). Unter Vorlage eines Schätzungsgutachtens bezifferte sie den Verkehrswert des Gebäudes mit S 27 Mio und davon ausgehend den Wert ihres Miteigentumsanteiles von drei Vierteln mit S 20,250.000,--.

Das Finanzamt legte der Berechnung der AfA einen anteiligen Verkehrswert von S 4,745.250,-- zugrunde.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin unter anderem geltend, das Finanzamt habe sich mit dem Schätzungsgutachten nicht auseinandergesetzt. Die Vorgangsweise der Abgabenbehörde entspreche auch insoweit nicht dem Gesetz, als die Ertragswertkomponente vollkommen außer acht gelassen worden sei.

In seiner der Berufung teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung ging das Finanzamt von einem Verkehrswert des Miteigentumsanteiles der Beschwerdeführerin von S 12 Mio aus. Begründend führte es aus, die Bemessungsgrundlage sei in Anlehnung an einen im Jahr 1988 in der X-Gasse erzielten Kaufpreis errechnet worden.

In ihrem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte die Beschwerdeführerin vor, ein Interessent habe für den Kauf der Liegenschaft S 30 Mio geboten.

Dem angefochtenen, der Berufung teilweise stattgebenden Bescheid legte die belangte Behörde die bereits in der Berufungsvorentscheidung vertretene Auffassung zugrunde. Begründend wurde dargelegt, die Abgabenbehörde erster Instanz habe den Gebäudewert zuletzt in Anlehnung an den Kaufpreis für ein Nachbarhaus, welches anfangs 1986 und Mitte 1988 verkauft worden sei, auf S 16 Mio geschätzt. Das Gebäude der Beschwerdeführerin werde zu 483 m2 für Wohnzwecke und zu 401 m2 für gewerbliche Zwecke verwendet; das Vergleichsobjekt diene zu 1095 m2 gewerblichen Zwecken. Die jährlichen Einnahmen betrügen beim Vergleichsobjekt S 2,980.000,-- und beim Gebäude der Beschwerdeführerin S 600.000,--. "Laut Statistik" seien die Grundpreise von 1986 auf 1987 um 12,5 % gestiegen, danach sei der Anstieg größer gewesen. Dem Jahr 1986 werde der Indexwert 474 zugeordnet, dem Jahr 1990 der Wert 800. Die Werte der "Zwischenjahre" seien nicht greifbar. In der mündlichen Verhandlung habe der Berichterstatter den Beisitzern den Steuerakt vorgelegt, der das Vergleichsobjekt betreffe. Der Verfasser des Schätzungsgutachtens habe ausgesagt, daß sein Gutachten auf Grund von Vergleichswerten erstellt worden sei. Dem Gutachten könne nicht gefolgt werden, weil es keine Vergleichsobjekte nenne. Hingegen habe die Abgabenbehörde erster Instanz bei ihrer Ermittlung auf Vergleichswerte zurückgegriffen. Bei dem Vergleichsobjekt handle es sich um ein fünfstöckiges Haus in der X-Gasse mit einer bebauten Grundgröße von 536 m2 und einer ausschließlich gewerblich genutzten Nutzfläche von 1095 m2. Die Front zur X-Gasse betrage 18 m, die Tiefe 19,5 m (beim Gebäude der Beschwerdeführerin 14,3 m und 15,45 m). Anfang 1986 sei ein Fünftel dieser Liegenschaft um S 5,45 Mio verkauft worden. Ausgehend von einem Grundpreis von S 18.442,--/m2 im Jahr 1987 ergäbe sich unter Berücksichtigung einer Steigerung von 1986 auf 1987 von 12,5 % für das Jahr 1986 ein Grundpreis von S 16.393,-- (offenbar: je Quadratmeter) und damit ein Grundpreisanteil von

S 1,836.000,--. Für den Quadratmeter Nutzfläche ergebe sich im Jahr 1986 somit ein Verkehrswert von S 16.500,--. Im Juli 1988 sei für den Hälfteanteil an der Vergleichsliegenschaft

S 14,520.846,-- bezahlt worden, davon für den Grund

S 3,750.000,-- (ergibt einen Quadratmeterpreis von S 21.246,--); zurückgerechnet auf den Quadratmeter Nutzfläche ergebe dies einen Wert von S 19.673,--. Wenn man nun bedenke, daß die Preise für Liegenschaften jährlich etliche Prozentpunkte gestiegen seien, die vergleichbare Liegenschaft an Grundfläche um mehr als die Hälfte und an der ertragreicheren gewerblichen Nutzfläche um mehr als das Zweieinhalbfache größer sei, dabei aber umgerechnet nur

S 27,25 Mio (1986) bzw. S 29,4 Mio (1988) gekostet habe, so sei der Schluß angebracht, daß der geschätzte Preis für das Grundstück der Beschwerdeführerin von S 31,5 Mio (1987) bei weitem nicht der Wirklichkeit entspreche. Der von der Abgabenbehörde erster Instanz angenommene Wert von S 18.000,-- je Quadratmeter Nutzfläche erscheine im Vergleich daher bereits an der oberen Grenze des Schätzungsspielraumes zu liegen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 8 lit. b EStG 1972 bemißt sich die AfA bei einem nicht zum Betriebsvermögen gehörenden Gebäude, das nach dem unentgeltlich erworben wurde, auf Antrag nach dem Betrag, der für die Anschaffung im Zeitpunkt des Erwerbes hätte aufgewendet werden müssen.

Im Beschwerdefall war die Abgabenbehörde vor die Aufgabe gestellt, die "fiktiven Anschaffungskosten" des Gebäudes zum zu ermitteln; dies konnte nur im Schätzungswege geschehen (vgl. Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar2, § 6 Rz 109).

Das Gesetz enthält keine ins einzelne gehende Vorschrift, wie die fiktiven Anschaffungskosten von der Abgabenbehörde zu schätzen sind. Es gelten daher die diesbezüglichen allgemeinen Vorschriften der BAO (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 87/13/0075), nach denen die Abgabenbehörde bei der Schätzung des - dem Marktpreis (Verkehrswert) entsprechenden - Betrages, der für den Erwerb eines Gebäudes der entsprechenden Beschaffenheit zum Stichtag hätte aufgewendet werden müssen, vorzugehen hatte.

Das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Schätzungsgutachten ist als Beweismittel zu werten. Es besteht jedoch keine Verpflichtung der Abgabenbehörde, die Ergebnisse eines solchen Gutachtens zu übernehmen, weil es ihr nicht versagt ist, die fiktiven Anschaffungskosten auf andere geeignete Weise zu ermitteln (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom , Zl. 87/13/0075). Im Beschwerdefall liegt darin, daß die belangte Behörde das Gutachten ihrer Schätzung nicht zugrunde legte, schon deshalb keine Rechtswidrigkeit, weil sich der Gutachter auf die Heranziehung von Vergleichspreisen beruft, die Vergleichsobjekte aber nicht konkret bezeichnet. Damit fehlt dem Gutachten die Nachprüfbarkeit; schon aus diesem Grund entsprach es dem Gesetz, das Gutachten der Ermittlung der Anschaffungskosten nicht zugrunde zu legen. Es erübrigt sich daher auch eine Auseinandersetzung mit jenen Darlegungen der Beschwerde, die sich gegen jene (weiteren) Überlegungen richten, die die belangte Behörde im Zusammenhang mit dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachten angestellt hat.

Im Beschwerdefall bleibt somit zu prüfen, ob die belangte Behörde bei ihrer Schätzung die Grundsätze eines mängelfreien Verfahrens und bei ihrer Beweiswürdigung die Denkgesetze beachtet hat. Liegen diese Voraussetzungen vor, dann unterliegen die Ergebnisse der Schätzung als Resultat eines einwandfreien Ermittlungsverfahrens und einer schlüssigen Beweiswürdigung keiner weitergehenden verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.

Die von der belangten Behörde angewendete Methode, den Verkehrswert mit Hilfe der tatsächlich beim Erwerb von Vergleichsliegenschaften bzw. Miteigentumsanteilen gezahlten Kaufpreise zu ermitteln, ist als solche nicht zu beanstanden. Bei der Anwendung dieser Methode kann sinngemäß auf jene Grundsätze, die der Verwaltungsgerichtshof für die Wertableitung aus Vergleichspreisen bei der Ermittlung des gemeinen Wertes (§ 10 Abs. 2 BewG) entwickelt hat (vgl. hiezu das Erkenntnis vom , Zl. 90/15/0155, und die dort angeführte Vorjudikatur), zurückgegriffen werden.

Danach ist bei der Schätzung der fiktiven Anschaffungskosten eines Gebäudes anhand von Vergleichswerten insbesondere folgendes zu beachten: Zutreffende, für die Ableitung des Verkehrswertes taugliche Vergleichspreise liegen dann vor, wenn die Wertfaktoren des zu bewertenden Gebäudes und der Vergleichsobjekte in den wesentlichen preisbestimmenden Merkmalen (insbesondere Alter, Ausstattung, Bauzustand und Ertrag; vgl. hiezu das Erkenntnis vom , Zl. 85/13/0068) übereinstimmen oder, obwohl so eine Übereinstimmung nicht hinsichtlich aller preisbestimmenden Merkmale besteht, immerhin noch eine zuverlässige Wertableitung aus den Vergleichspreisen möglich ist. Unter Bedachtnahme auf die preisbildenden Faktoren kann der Verkehrswert gegebenenfalls durch Vornahme von Ab- und Zuschlägen ermittelt werden. In erster Linie kommen Vergleichspreise aus solchen Verkäufen in Betracht, die in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum für die Bemessung maßgeblichen Zeitpunkt (hier: dem ) liegen; muß auf Verkaufsfälle zurückgegriffen werden, die zeitlich in größerer Entfernung vor oder nach dem maßgeblichen Zeitpunkt liegen, muß geprüft werden, ob in der Zwischenzeit nennenswerte Schwankungen im Preisniveau eingetreten sind. Eingetretene Preisschwankungen infolge veränderter Marktverhältnisse oder Veränderungen des Geldwertes sind sodann durch Zu- oder Abschläge auszugleichen. Verkaufsfälle, bei denen der zeitliche Abstand zum Feststellungszeitpunkt zu groß sind, können keinen Vergleichsmaßstab bilden.

Schließlich sind nur solche Vergleichspreise zu berücksichtigen, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften des Gebäudes bei einer Veräußerung zu erzielen wären, wobei ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen sind. Weicht der bei einer Veräußerung eines ansonsten vergleichbaren Gebäudes erzielte Preis in besonders auffälliger Art und Weise (nach oben oder nach unten) von dem durch Heranziehung einer Mehrzahl von Vergleichspreisen ermittelten Preisgefüge ab, indiziert dies das Vorliegen ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse; ein solcher Preis ist nur zu berücksichtigen, wenn das Vorliegen ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse auf Grund einer den Vergleichsfall betreffenden besonderen Prüfung ausgeschlossen werden kann (vgl. hiezu nochmals das Erkenntnis vom , Zl. 90/15/0155).

Den soeben dargelegten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Schätzung der Anschaffungskosten, die sich der Methode der Heranziehung von Vergleichspreisen bedient, genügt die Vorgangsweise der belangten Behörde bei ihrer Schätzung schon deshalb nicht, weil sich die belangte Behörde mit der Heranziehung von Preisen, die ein einziges Vergleichsobjekt betreffen, begnügt hat. Die belangte Behörde hatte im Ergebnis einen MARKTPREIS zu ermitteln. Die Beobachtung EINES Veräußerungsgeschäftes (bzw. - wie im Beschwerdefall - zweier Geschäfte, die Miteigentumsanteile an demselben Objekt betreffen) bildet aber keine taugliche Grundlage für die Ermittlung eines Marktpreises. Eine mängelfreie Feststellung eines Marktpreises setzt voraus, daß anhand der Beobachtung einer Mehrzahl von Verkaufsfällen ein Preisgefüge ermittelt wird. Bei der Ermittlung des Marktpreises sind - wie oben bereits dargelegt wurde - solche Preise, die in auffälliger Art und Weise von dem durch Heranziehung einer Mehrzahl von Vergleichspreisen ermittelten Preisgefüge abweichen, nur zu berücksichtigen, wenn das Vorliegen ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse auf Grund einer den Vergleichsfall betreffenden besonderen Prüfung ausgeschlossen werden kann. Die Vorgangsweise der belangten Behörde bietet keinerlei Gewähr dafür, daß ein vom allgemeinen Preisgefüge in auffälliger Weise abweichender Preis überhaupt als solcher erkannt werden könnte. Dazu kommt, daß es die belangte Behörde unterlassen hat, der Beschwerdeführerin vor Erlassung ihres Bescheides unter Anführung konkreter, das Vergleichsobjekt betreffender Daten die Gelegenheit einzuräumen, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.

Der belangten Behörde ist somit bei der Ermittlung der Vergleichsgrundlage ein Verfahrensmangel unterlaufen, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie bei dessen Vermeidung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben; eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdeausführungen bedurfte es nicht.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.