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VwGH vom 20.09.1995, 95/13/0011

VwGH vom 20.09.1995, 95/13/0011

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der X-reg GenmbH in W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G, in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl GA 5-1805/1/93, betreffend Haftung für Lohnsteuer sowie Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt das Unternehmen einer Bausparkasse. Im Streitzeitraum gewährte sie Dienstnehmern Bauspardarlehen mit einem Zinssatz von 4,5 % p.a. Anläßlich einer im Jahre 1990 durchgeführten Lohnsteuerprüfung wurden diese Darlehen als Dienstnehmerdarlehen beurteilt, dementsprechend die dem § 3 Z 26 EStG 1972 entsprechende Steuerbefreiung gewährt, darüberhinaus jedoch die Ansicht vertreten, daß die Zinsenersparnis aus der Differenz zwischen 4,5 % und der grundsätzlich für Bauspardarlehen üblichen Verzinsung von 6 % als Vorteil aus dem Dienstverhältnis den Lohnabgaben zu unterziehen seien.

Das Finanzamt erließ, nachdem ein Verfahren über denselben Zeitraum bereits (mit Berufungsvorentscheidung) beendet worden war, einen mit "Wiederaufnahme gemäß § 303 (4) BAO" überschriebenen Bescheid über den Prüfungszeitraum und forderte entsprechende Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge und Zuschläge hiezu nach.

Innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist brachte die Beschwerdeführerin eine Berufung gegen "den Bescheid vom , über den Prüfungszeitraum bis , mit dem das Verfahren für die Jahre 1986 und 1987 wiederaufgenommen worden ist", ein. Darin wandte die Beschwerdeführerin - soweit dies im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch strittig ist - ein, daß bei richtiger rechtlicher Beurteilung eine Steuerpflicht nicht ausgelöst werde, allenfalls nur eine solche für eine Zinsenersparnis von 1 %. Die ermittelte Bemessungsgrundlage sei nicht nachvollziehbar, weil nicht erkennbar sei, inwieweit den teilweise berücksichtigten Einwendungen der Beschwerdeführerin Rechnung getragen worden sei. Die Bemessungsgrundlage sei um im Detail angeführte Beträge (hinsichtlich konkret angeführter Personen) zu korrigieren. Es wurde die ersatzlose Behebung, in eventu die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, daß die nachgeforderten Beträge "auf das gesetzmäßige Maß" herabgesetzt werden und die Berechnung der vorgeschriebenen Beträge nachvollziehbar dargestellt werde, beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung insofern teilweise stattgegeben, als die Bemessungsgrundlage hinsichtlich des bis dahin berücksichtigten Darlehens einer bestimmten Person geringfügig herabgesetzt wurde, im übrigen das Berufungsbegehren aber abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher diese mit Beschluß vom , B 1544/94-3, ablehnte und gleichzeitig dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem subjektiven Recht auf "richtige Anwendungen der Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes und auf die Einhaltung der Verfahrensvorschriften" verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Einzugehen ist zunächst auf die Beschwerderüge, es mangle dem angefochtenen Bescheid an den Voraussetzungen der Wiederaufnahme, weil keine Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien.

Gemäß § 307 Abs 1 BAO ist mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Auch wenn die zitierte Gesetzesbestimmung die Verbindung des Wiederaufnahmebescheides mit dem neuen Sachbescheid anordnet, so ist doch jeder dieser beiden Bescheide für sich einer Berufung zugänglich, wie auch jeder dieser Bescheide für sich der Rechtskraft teilhaftig werden kann (vgl das hg Erkenntnis vom , 85/13/0162). Zur Wiederaufnahme eines Verfahrens bedarf es keiner förmlichen Ausfertigung eines entsprechenden verfahrensrechtlichen Bescheides, doch muß der behördliche Wille, ein bestimmtes Verfahren wiederaufzunehmen, im neuen Sachbescheid zumindest zum Ausdruck kommen. In diesem Sinn reicht ein Vermerk "Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs 4 BAO" hin, das Vorliegen eines (selbständig anfechtbaren) Wiederaufnahmebescheides anzunehmen (vgl das hg Erkenntnis vom , 90/13/0060).

Bei dem mit "Wiederaufnahme gemäß § 303 (4) BAO" überschriebenen "Bescheid über den Prüfungszeitraum" handelt es sich um keinen einheitlichen Bescheid, sondern vielmehr um ZWEI Bescheide, welche jeweils gesondert mit Berufung angefochten (aber auch der Rechtskraft teilhaftig) werden konnten. Damit kann aber dem Beschwerdevorbringen, daß sich die Berufung der Beschwerdeführerin sowohl gegen die Sachentscheidung als auch gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens richtete, nicht gefolgt werden, zumal die Berufung - ungeachtet ihrer Bezeichnung - im Hinblick auf ihren Inhalt nicht als solche gegen die Wiederaufnahmebescheide anzusehen war. Mit keinem Wort wird in diesem Rechtsmittel nämlich auch nur andeutungsweise behauptet, daß die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorlägen. Vielmehr werden darin ausschließlich Einwendungen gegen die neuen Sachbescheide erhoben.

Es war daher nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde von der Rechtskraft des Wiederaufnahmebescheides ausging. Dies ganz abgesehen davon, daß eine allfällige Berufung gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens im Hinblick auf die ausschließlich hinsichtlich des Sachbescheides beantragte Rechtsmittelfristverlängerung verspätet gewesen wäre.

Die Beschwerdeführerin rügt aber auch, daß für sie nicht feststellbar sei, welche Beträge an Lohnabgaben auf den einzelnen Dienstnehmer entfallen. Vorweg ist sie darauf hinzuweisen, daß die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen in der Berufung, im gegenständlichen Fall wäre eine pauschale Nachforderung der Lohnabgaben gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1972 nicht gerechtfertigt, im Schriftsatz vom (OZ 17 der Verwaltungsakten) ausdrücklich nicht aufrechterhielt. Den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, die diesbezüglich bereits in der Berufung erhobene Verfahrensrüge sei nicht nachvollziehbar, weil der Beschwerdeführerin die Berechnungsgrundlagen hinsichtlich der Zinsenersparnisse mit dem Ersuchen um Stellungnahme bereits vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zugegangen seien, in der Folge hiezu aber keine Äußerung der Beschwerdeführerin eingelangt sei, tritt die Beschwerdeführerin nicht entgegen. Damit ist aber auch für den Gerichtshof eine diesbezügliche Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht zu erkennen. Zu Recht weist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf hin, daß die Beschwerdeführerin in der Berufung zu im erstinstanzlichen Bescheid berücksichtigten Zinsenersparnissen einzelner Arbeitnehmer Stellung genommen hat. Eine solche Stellungnahme wäre wohl nicht möglich, wenn die Beschwerdeführerin nicht im Detail über die den jeweiligen Arbeitnehmern zugerechneten Zinsenersparnisse informiert gewesen wäre. Warum den diesbezüglichen Einwendungen der Beschwerdeführerin in der Berufung - mit einer Ausnahme - von der belangten Behörde nicht Rechnung getragen wurde, wird im angefochtenen Bescheid aber, bezogen auf den jeweiligen Dienstnehmer, konkret begründet.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit rügt die Beschwerdeführerin, daß die belangte Behörde die als Vorteile aus dem Dienstverhältnis beurteilten Zinsenersparnisse unrichtig berechnet hätte. Bei richtiger Berechnung hätte die belangte Behörde feststellen müssen, welches Entgelt die Arbeitnehmer für die Gewährung der begünstigten Bauspardarlehen unter Berücksichtigung des effektiven Zinssatzes (nicht des nominellen Zinssatzes von 4,5 %) tatsächlich bezahlt hätten. Gemäß den Spar- und Darlehensbedingungen für Bausparverträge würden die Zinsen durch vierteljährliche Vorausbelastung berechnet und überdies diverse Nebengebühren

(zB Darlehensbereitstellungsgebühr) anfallen, sodaß der effektive Zinssatz rund 0,5 Prozentpunkte mehr als der nominelle Zinssatz betrage. Ausgehend von dem ermittelten effektiven Zinssatz wäre der zu besteuernde gewährte Vorteil gemäß § 15 Abs 2 EStG 1972 gegenüber den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes zu errechnen gewesen.

Damit vermag die Beschwerdeführerin eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen: Unbestritten ist, daß den Dienstnehmern der Beschwerdeführerin Darlehen zu mit Ausnahme des Zinssatzes gleichen Konditionen gewährt wurden wie Bausparern, die nicht Dienstnehmer der Beschwerdeführerin waren. Damit durfte die belangte Behörde aber den Vorteil der Dienstnehmer der Beschwerdeführerin aus den begünstigten Bauspardarlehen allein auf den Unterschied der (nominellen) Zinssätze abstellen. Darf doch nicht übersehen werden, daß der durch die Art der Zinsenberechnung und durch Berücksichtigung von Nebenkosten höhere Effektivzinssatz in völlig gleicher Weise auch die (nominell) mit 6 % verzinsten Bauspardarlehen treffen, insofern daher von einer effektiven Verzinsung von rd 6,5 % auszugehen wäre. Die Differenz von 1,5 Prozentpunkten (um welche die Dienstnehmer der Beschwerdeführerin die Bauspardarlehen günstiger bekommen haben) bleibt daher gewahrt, unabhängig davon, ob man die nominelle oder die effektive Zinshöhe betrachtet. Aber auch der Umstand, daß die belangte Behörde als üblichen Mittelpreis des Verbrauchsortes für Bauspardarlehen einen (nominellen) Zinssatz von 6 % annahm, stößt angesichts der notorischen Höhe dieses Zinssatzes für derartige Darlehen auf keine Bedenken.

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf die Einkommen- bzw Lohnsteuerrichtlinien beruft, ist darauf nicht einzugehen, weil es sich hiebei mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt um keine für den Verwaltungsgerichtshof beachtliche Rechtsquelle handelt. Zu Unrecht beruft sich die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auch auf den Grundsatz von Treu und Glauben, weil allgemeinen Verwaltungsanweisungen nicht die gleiche Wirkung beigemessen werden kann wie einer verbindlichen Auskunft für einen Einzelfall (vgl das hg Erkenntnis vom , 87/14/0051).

Da die in der Beschwerde gerügten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.