VwGH vom 26.11.1997, 95/13/0003
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des OM in W, vertreten durch Dr. Franz Stadler, Rechtsanwalt in Wien I, Reischachstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat II, vom , Zl. 6/1-1181/94, betreffend Feststellung von Einkünften für 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus dem angefochtenen Bescheid, der von der belangten Behörde verfaßten Gegenschrift und den von der belangten Behörde vorgelegten Akten ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer - ein Steuerberater - bildete zum mit Heinz J, gleichfalls Steuerberater, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Betrieb einer Steuerberatungskanzlei in W. Der Gewinn der Gesellschaft wurde durch eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelt. Laut einer am von der M (= Name des Beschwerdeführers) Wirtschaftstreuhand GmbH ausgestellten Rechnung erwarb die Gesellschaft bürgerlichen Rechts von dieser GmbH unter anderem einen Kundenstock um S 750.000,--. Der Kundenstock wurde nach einem in den Akten befindlichen Anlagenverzeichnis (für das Jahr 1984) als abnutzbares Wirtschaftsgut behandelt.
Im Jahre 1988 wurde die Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgelöst. Nach einer in den Akten erliegenden Rechnung vom veräußerte der Beschwerdeführer seinen "Hälfteanteil an der Kanzleigemeinschaft" an Heinz J um S 5,000.000,--.
In den Akten befindet sich weiters die Ablichtung eines von den Eltern des Beschwerdeführers, Franz M (gleichfalls Steuerberater mit einem Steuerberatungsunternehmen in B) und Martha M errichteten "gemeinschaftlichen Testamentes" vom . Darin setzten sich die Ehegatten wechselseitig zum Erben ein; die beiden Kinder, darunter der Beschwerdeführer, wurden im Punkt III des Testaments auf den Pflichtteil beschränkt "mit dem Ersuchen, dasselbe zinsenlos bis zum Ableben des überlebenden Ehegatten zu stunden". Als "Vermächtnis" wurde hinsichtlich der "Wirtschaftstreuhandkanzlei" des Franz M. bestimmt, daß (nach dem Ableben des Franz M) das Unternehmen zunächst drei Jahre als Witwenfortbetrieb zu führen sei; nach drei Jahren sollte der Beschwerdeführer die Kanzlei übernehmen.
Weiters erliegt in den Akten ein Notariatsakt über einen "Kaufvertrag" vom , wonach der Vater des Beschwerdeführers Franz M sein Steuerberatungsunternehmen an Heinz J um den Kaufpreis von S 4,500.000,-- veräußerte.
Aus einer Einantwortungsurkunde vom , 1 A 970/89, des Bezirksgerichtes B. ist ersichtlich, daß der Nachlaß nach dem am verstorbenen Franz M dessen Witwe Martha M eingeantwortet worden ist. Nach dieser Urkunde wurden auf einer der Erbin (nunmehr) allein gehörigen Liegenschaft Pfandrechte für die Pflichtteilsforderungen des Beschwerdeführers und seiner Schwester in Höhe von je S 3,000.000,-- einverleibt.
In einer Beilage zur Erklärung über die Einkünfte aus selbständiger Arbeit für 1988 wurde vom Beschwerdeführer ein Veräußerungsverlust von S 5,087.989,44 geltend gemacht. Der Beschwerdeführer stellte dabei dem Verkaufserlös von S 5,000.000,-- neben Honorarforderungen, den Wert eines Mietrechts und verschiedener Einrichtungsgegenstände einen "Firmenwert" im Ausmaß von S 4,183.498,93 und einen "Firmenwert FM" in Höhe von S 4,066.761,-- gegenüber.
Nach einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde dazu im Prüfungsbericht ausgeführt, mit dem "Firmenwert Dr.O.M" sei der auf den Beschwerdeführer entfallende Klientenstock zum bewertet worden; bei dem "Firmenwert Franz M" handle es sich nach den Angaben des Beschwerdeführers um ein "mit dem Verkauf im Zusammenhang stehendes Anwartschaftsrecht auf die Kanzlei Franz M (Vater)". Nach Auffassung des Prüfers sei nur ein derivativ erworbener Firmenwert aktivierungsfähig. Der Prüfer berücksichtigte somit die beiden Positionen von S 4,183.498,93 und von S 4,066.761,-- bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes nicht. Weiters rechnete der Prüfer die auf den Beschwerdeführer entfallenden Teile der für die Jahre 1984 bis 1987 geltend gemachten "Investitionsrücklage" in Höhe von zusammen S 1,310.583,-- dem laufenden Gewinn des Jahres 1988 zu.
Gegen den nach der Betriebsprüfung ergangenen Feststellungsbescheid über die Einkünfte aus selbständiger Arbeit erhob der Beschwerdeführer Berufung. Darin wurde insbesondere ausgeführt, wenn der Beschwerdeführer zwei Kanzleien um S 5,000.000,-- verkaufe, die einen Wert von über acht Millionen S hätten, könne dabei "laut Einkommensteuergesetz" niemals ein Gewinn entstanden sein. Unter der Überschrift "Wert des Betriebsvermögens der verkauften Kanzlei Franz M" wurde in der Berufung wörtlich ausgeführt:
"Das Recht zur Übernahme dieser Kanzlei habe ich im Jahre 1974 entgeltlich erworben. Es befand sich ab diesem Zeitpunkt in meinem Privatvermögen. Ich kann daher im Jahre 1988, das sind 14 Jahre später, dieses Privatvermögen ohne Einkommensbesteuerung weiterveräußern, da ich schon länger als ein Jahr das Eigentum daran habe.
Der Verkauf erfolgte aber zusammen mit anderem Betriebsvermögen in einem einzigen Vertrag mit einem einzigen Kaufpreis.
Es wurde daher der Wert dieses Privatvermögens zum Zwecke der Darstellung des Verkaufes in eine Bilanz per als Betriebsvermögen eingebracht und in der Folge vom Veräußerungserlös in Abzug gebracht.
Dadurch entsteht genau dasselbe steuerliche Ergebnis, als wenn ich direkt, außerhalb der betrieblichen Sphäre, also als Privatverkauf verkauft hätte."
Hinsichtlich der versteuerten "Investitionsrücklagenteile" wurde in der Berufung wörtlich ausgeführt:
"Die Betriebsprüfung ermittelt I-Rücklagenanteile für den ausscheidenden Gesellschafter, also für mich, und rechnet diese meinem laufenden Gewinn im Jahre 1988 hinzu. Diese Vorgangsweise entspricht nicht den abgeschlossenen Verträgen und stellt daher eine völlig neue Vertragslage dar, mit der ich nicht einverstanden bin.
Es wurde nicht berücksichtigt, daß ein detailliert erstellter Kaufvertrag eine Zurechnung aller Vermögensteile per regelt.
Laut Notariatsakt vom , also dem Kaufvertrag, Punkt Zweitens, kauft der Käufer den Hälfteanteil mit sämtlichen Aktiva und Passiva per Stichtag.
Dazu zählen meiner Meinung nach auch alle bis dahin nicht verwendeten Investitionsrücklagen.
Es ist daher auf gar keinen Fall eine Hinzurechnung auf meinem Gewinnanteil durchzuführen, da ich dies vertraglich ausgeschlossen habe. Der Schaden der mir dadurch entsteht beträgt ca. S 650,000.00, was ich auf gar keinen Fall akzeptieren kann.
Ob die Rücklagen aufgelöst werden oder nicht, darüber kann ich ab dem keine Entscheidung mehr treffen, da sie mir nicht mehr gehören.
Einer Auflösung vor Erstellung der Bilanz per gebe ich meine Zustimmung aber nicht."
Auf einen entsprechenden Vorhalt der Berufungsbehörde über den behaupteten entgeltlichen Erwerb der Kanzlei "Franz M" gab der Beschwerdeführer in einer Eingabe vom an, im Testament seiner Eltern aus dem Jahre 1974 seien nicht nur letztwillige Verfügungen getroffen worden; im Punkt III sei auch eine entgeltliche Vereinbarung getroffen worden. Die zinsenlose Stundung des Pflichtteils komme einem Erbverzicht gleich. Als Gegenleistung für diesen Verzicht habe der Beschwerdeführer das Recht zur Übernahme der Kanzlei seines Vaters erhalten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung betreffend Feststellung von Einkünften für 1988 abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, aus dem Anlagenverzeichnis für 1984 ergebe sich, daß der (1982) erworbene Firmenwert bereits 1986 zur Gänze abgeschrieben gewesen sei. Bei der Position "Firmenwert" im Betrag von S 4,183.498,93 habe es sich um einen sogenannten selbstgeschaffenen Firmenwert gehandelt, der nicht aktiviert werden durfte und daher weder im Zuge der Übergangsgewinnermittlung noch beim Veräußerungsgewinn zu berücksichtigen gewesen sei. Daß mit dem Kaufpreis von S 5,000.000,-- auch das "Anwartschaftsrecht" auf die Steuerberatungskanzlei des Vaters in B abgegolten worden sein sollte, sei aus den vorgelegten Unterlagen ebensowenig zu ersehen wie der Umstand, daß dieses entgeltlich erworben worden sei. Aus § 9 Abs. 2 EStG 1972 gehe eine Verpflichtung zur Auflösung der Investitionsrücklagen im Falle der entgeltlichen Übertragung des Betriebes hervor.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Ermittlung des Veräußerungsgewinnes:
Der Veräußerungsgewinn ist gemäß § 24 Abs. 2 EStG 1972 der Betrag, um den der Veräußerungserlös nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert der Anteile am Betriebsvermögen übersteigt.
Nach dem nur schwer zu ergründenden Inhalt der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt, daß bei der Ermittlung des Wertes des Betriebsvermögens die von ihm in den Beilagen zur Erklärung über die Einkünfte des Streitjahres geltend gemachten "Firmenwerte" nicht berücksichtigt worden sind.
Nach der unwidersprochen gebliebenen Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer für den von ihm behaupteten Firmenwert des von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Unternehmens keine Aufwendungen getätigt. Diese Sachverhaltsfeststellung stimmt auch mit den von der belangten Behörde vorgelegten Akten überein. Ein selbst geschaffener Firmenwert ist aber nicht aktivierbar (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 1943, 1944/75, mit zahlreichen Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung). Damit ist aber das Schicksal der Beschwerde hinsichtlich eines "Firmenwertes" bereits entschieden, zumal hiezu in der Beschwerde lediglich ausgeführt wird, für die "Übertragung von Wirtschaftstreuhandkanzleien" bestünden "allgemein anerkannte Berechnungsregeln", ein Umstand, der mit der zu entscheidenden Frage in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht.
Eine Auseinandersetzung mit dem kaum verständlichen Vorbringen über verfassungsrechtliche Bedenken gegen die "Neuregelung gemäß § 4 Einkommensteuergesetzes 1988" erübrigte sich schon deswegen, weil das EStG 1988 für das Streitjahr 1988 nicht präjudiziell ist.
Unverständlich ist aber das Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit es einen Firmenwert des von seinem verstorbenen Vater betriebenen Steuerberatungsunternehmens in B zum Gegenstand hat:
Der angefochtene Bescheid betrifft die Feststellung des Gewinnes der vom Beschwerdeführer zusammen mit dem Steuerberater Heinz J in W betriebenen Unternehmens. Das von Franz M in B betriebene Unternehmen hatte hiezu - auch wenn es von Heinz J im Jahre 1988 entgeltlich erworben worden war - keinen wie immer gearteten Bezug. Ein allfälliger Firmenwert des Unternehmens des Franz M konnte dabei - was offenkundig auch von der belangten Behörde außer acht gelassen wurde - niemals zum Betriebsvermögen der Gesellschaft gehören. Eine Auseinandersetzung mit dem rechtlich nicht nachvollziehbaren Vorbringen über einen entgeltlichen Erwerb des Unternehmens des Vaters auf Grund des Testamentes der Eltern - das für den Beschwerdeführer lediglich ein Nachvermächtnis vorsah - erübrigte sich damit an sich. Es sei nur darauf hingewiesen, daß der Vater sein Unternehmen noch zu Lebzeiten - wie oben angeführt an Heinz J - veräußert hat, sodaß das im Testament angeführte Nachvermächtnis nicht zum Tragen gekommen ist, daß der vom Vater erzielte Veräußerungserlös (zutreffend) bei der Ermittlung des Gewinnanteils des Beschwerdeführers nicht zum Ansatz gebracht wurde und daß der Vater des Beschwerdeführers erst nach den im Streitjahr verwirklichten Vorgängen verstorben ist. Alle diese Umstände zeigen auf, daß das Begehren des Beschwerdeführers, einen (auch hier nicht durch entsprechende Aufwendungen erworbenen) Firmenwert des von Franz M in B betriebenen Unternehmens beim Betriebsvermögen der Gesellschaft anzusetzen, völlig unbegreiflich ist.
2. Auflösung der Investitionsrücklagen 1984 bis 1987:
Investitionsrücklagen, die nicht bis zum Ablauf des der Bildung der Rücklage folgenden vierten Jahres bestimmungsgemäß verwendet wurden, sind nach § 9 Abs. 2 EStG 1972 im vierten Jahr nach der Bildung der Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen. Bei der gewinnerhöhenden Auflösung erhöht sich der aufzulösende Betrag um bestimmte Hundertsätze. Die Erhöhung des aufgelösten Betrages hat im Falle der Betriebsaufgabe, der entgeltlichen Übertragung eines Betriebes sowie im Falle der Einbringung eines Betriebes in eine Kapitalgesellschaft zu unterbleiben. Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG kann nach Abs. 3 des § 9 EStG 1972 ein mit der Investitionsrücklage vergleichbarer "steuerfrei gelassener Betrag" berücksichtigt werden.
Aus Abs. 2 des § 9 EStG 1972 geht dabei zweifellos hervor, daß im Falle der entgeltlichen Übertragung eines Betriebes oder eines Mitunternehmeranteils die Investitionsrücklage bzw. der steuerfrei gelassene Betrag zugunsten des laufenden Gewinnes aufzulösen ist, da für den Veräußerer keine Möglichkeit besteht, die Rücklage (den Betrag) bestimmungsgemäß zu verwenden (vgl. z.B. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 9 EStG 1972, Tz 7 und die dort wiedergegebene Rechtsprechung; vgl. zuletzt das Erkenntnis vom , 93/14/0037 m.w.H.). Die vom Beschwerdeführer vertretene Meinung, im Falle der entgeltlichen Betriebsveräußerung sei der Erwerber "der Auflösungspflicht ... unterworfen", kann demgegenüber mit dem Gesetz nicht vereinbart werden. Die in den Jahren 1984 bis 1987 vom Beschwerdeführer zu Lasten seiner Gewinnanteile im Sinne des § 9 Abs. 3 EStG 1972 steuerfrei gelassenen Beträge (von beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unzutreffenderweise als "Investitionsrücklagen 1984 - 1988" bezeichnet) wurden daher zu Recht dem laufenden Gewinnanteil für 1988 zugerechnet.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.