VwGH vom 16.05.2001, 2001/09/0083
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Doblhoffgasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zlen. UVS- 07/A/37/524/1999/34 und UVS-07/A/37/525/1999, betreffend Zurückweisung von Berufungen als verspätet in Angelegenheit Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest: Dem Beschwerdeführer wurden zu der auf Grund einer Eintragung im Firmenbuch bekannten Abgabestelle "S-Straße 11/42, 1200 Wien" im November 1998 Aufforderungen zur Rechtfertigung zugestellt. Diese Sendungen wurden jeweils beim Postamt 1200 Wien hinterlegt, ab zur Abholung bereitgehalten und in der Folge offensichtlich behoben, weil der Beschwerdeführer hierauf beim Magistratischen Bezirksamt vorsprach (vgl. seine Aussage in der mündlichen Verhandlung vom ). In der niederschriftlichen Einvernahme vom gab der Beschwerdeführer als seinen Wohnort "20., S-Str. 11/42", an. Die Behörde erster Instanz stellte zwei verfahrensgegenständliche Straferkenntnisse vom und vom an der genannten Adresse zu (Hinterlegung am beim Postamt 1200 Wien mit Beginn der Abholfrist ). Die Sendungen gingen in der Folge jeweils mit dem Vermerk "nicht behoben" zur erstinstanzlichen Behörde zurück.
In späterer Folge beantragte der Beschwerdeführer unter anderem die neuerliche Zustellung der Straferkenntnisse. Die von ihm genannte Adresse in Wien 20, S-Straße 11/42, sei kein "ordentlicher Wohnsitz", dieser befinde sich zumindest seit 1995 ausschließlich in Wien 20, W-Gasse 16/12, dort sei der Beschwerdeführer unangemeldet wohnhaft. Er sei anlässlich seiner Einvernahme der Meinung gewesen, er könne die Adresse in der W-Gasse im Verwaltungsstrafverfahren nicht angeben, da er an dieser Anschrift nicht gemeldet sei. In der S-Straße habe er nur eine, wenngleich tatsächlich benützte Nebenwohnung, die er jedoch nur in ganz großen Abständen betreten habe.
Die Behörde erster Instanz veranlasste nach Einvernahme mehrerer vom Beschwerdeführer zu seinen Wohngewohnheiten namhaft gemachten Zeugen die (neuerliche) Zustellung der Straferkenntnisse an den Berufungswerber zu Handen seiner nach den ersten Zustellungen namhaft gemachten Vertreter.
Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, in der es sowohl um den inhaltlichen Tatvorwurf als auch um den Zustellvorgang betreffend die Straferkenntnisse ging, erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem sie die Berufungen gegen die Straferkenntnisse als verspätet zurückwies.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung folgendermaßen:
"Im gegenständlichen Fall hat der Berufungswerber geltend gemacht, er habe an der Anschrift '1200 Wien, S-Straße 11/42' mangels deren Benützung als Wohnung keine Abgabestelle (mehr) gehabt. Es steht auf Grund des Akteninhaltes jedenfalls fest, dass dem Berufungswerber an dieser Adresse die zuvor ergangenen Aufforderungen zur Rechtfertigung zugestellt werden konnten. Der Berufungswerber bestreitet auch nicht, bei der darauffolgenden Einvernahme der Erstbehörde diese Anschrift auch als seinen 'Wohnort' genannt zu haben, obwohl dies seinen Angaben zufolge zu diesem Zeitpunkt seit langem nicht mehr zugetroffen habe.
Hat eine Partei jedoch eine Abgabestelle genannt, so kann diese als ihre bisherige Abgabestelle angesehen werden; eine Partei, die der Behörde eine allenfalls unrichtige Wohnanschrift angibt, hat die ihr aus einer Zustellung an diese unrichtige Wohnanschrift erwachsenden Rechtsnachteile selbst zu vertreten (). In Bezug auf eine von der Partei im Verfahren selbst bekannt gegebene Abgabestelle wird nämlich die Ansicht vertreten, sie könne auch dann als 'Abgabestelle' angesehen werden, wenn die Voraussetzungen des § 4 Zustellgesetz auf sie von Anfang an nicht zutrafen, die Bekanntgabe der Partei also aus welchen Gründen auch immer objektiv falsch war. Diese Ansicht gründet sich auf die vom Verwaltungsgerichtshof auch schon vor dem Inkrafttreten des Zustellgesetzes vertretene Rechtsmeinung, dass eine Partei, die der Behörde eine unrichtige Wohnanschrift angibt, die ihr aus einer Zustellung an diese unrichtige Wohnanschrift erwachsenden Rechtsnachteile selbst zu tragen hat (vgl. Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, Seite 44, Anmerkung 4 zu § 8 Zustellgesetz und das dort zitierte Erkenntnis vom , Zl. 1337/59). Diese Rechtsnachteile sollen zunächst und vor allem darin bestehen, dass an der angegebenen Anschrift Zustellungen (nicht etwa auf Grund besonderer Anordnung gemäß § 8 Zustellgesetz sondern z.B. durch Aushändigung an einen Ersatzempfänger in der Annahme die Abgabe bestehe noch) trotz des tatsächlichen Fehlens einer Abgabestelle 'rechtens erfolgen' dürfe. Im Ergebnis gilt damit nichts anderes, als wenn die Behörde wegen der Unterlassung der Mitteilung nach § 8 Abs. 1 Zustellgesetz nur deshalb keine Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz angeordnet hat, weil sie infolge eines Fehlers bei der Zustellung, nämlich einer auf die irrtümliche Annahme eines Fortbestandes gegründeten Zustellung an der in Wahrheit aufgegebenen Abgabestelle gar nicht davon Kenntnis erlangt hat, dass die Abgabestelle geändert wurde (siehe dazu z.B. den Sammlung Nr. 12152A). Dass die Änderung einer Abgabestelle auf Grund des postalischen Vermerkes nicht erkennbar ist, geht somit zu Lasten der Partei (). Sie muss auch gegen sich gelten lassen, wenn wie im gegenständlichen Fall nicht nur Zustellungen an die ehemalige Anschrift zuvor klaglos erfolgt waren (was zumindest ein Indiz für die Tauglichkeit der Abgabestelle ist), sondern die Partei selbst diese Anschrift als Abgabestelle genannt und deren Änderung nicht bekannt gegeben hat (). Dass der Berufungswerber behauptet hat, von der Anschrift 1200 Wien, S-Straße 11/42, während des Zustellversuches und der Hinterlegung des Straferkenntnisses 'ortsabwesend' gewesen zu sein, vermag eine Mangelhaftigkeit des Zustellvorganges im Lichte der soeben dargelegten Judikatur, dass die Partei die Konsequenzen für unrichtige Angaben hinsichtlich der Abgabestelle selbst zu tragen hat, nicht darzulegen.
Im Hinblick auf diese höchstgerichtliche Judikatur war davon auszugehen, dass dem Berufungswerber die beiden Straferkenntnisse bereits am rechtswirksam zugestellt wurden und dass damit die Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG mit diesem Tag zu laufen begann und mit Ablauf des endete. Die Berufungen wurden jedoch trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung in beiden Straferkenntnissen erst am und somit nach Ablauf der vierzehntägigen, nicht erstreckbaren Rechtsmittelfrist eingebracht und waren somit als verspätet zu bewerten.
Das Vorbringen des Berufungswerbers, er habe sich aus rechtlichen Gründen, nämlich weil er ohne polizeiliche Meldung an einer anderen Adresse gewohnt habe, nicht getraut, bei seiner Einvernahme vor der erstinstanzlichen Behörde eine andere Wohnadresse als die S-Straße anzugeben, ist entgegenzuhalten, dass er auch seinen damaligen Hauptwohnsitz, nämlich die im mit den Berufungen in Kopie vorgelegten Meldezettel aufscheinende Adresse in L, als Wohnort angeben hätte können oder informell auf seinen tatsächlichen Aufenthalt in der W-Gasse hinweisen hätte können. Die Berücksichtigung der Gründe für die verspätete Einbringung der Berufung wären weiters allenfalls in einem Wiedereinsetzungsverfahren zu behandeln gewesen.
Wie bereits ausgeführt, vermag der (von der Erstbehörde ermittelte) Umstand, dass die Anschrift in der S-Straße keine Abgabestelle des Berufungswerbers war, weil er diese nur sporadisch besuchte, die Rechtswirksamkeit der Zustellung nach der höchstgerichtlichen Judikatur nicht in Frage zu stellen. Die neuerliche Zustellung der beiden Straferkenntnisse an den mittlerweile einschreitenden Vertreter des Berufungswerbers konnte auf Grund der rechtsgültigen Zustellung der beiden Straferkenntnisse am die Rechtsmittelfrist nicht ein zweites Mal in Gang setzen, sodass spruchgemäß zu entscheiden war."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde hätte ihn nicht mit der "Zurückweisung der Berufung wegen angeblicher Verspätung" überraschen dürfen, zumal sich keine neuen Beweisergebnisse eröffnet hätten, welche mit den Annahmen der Erstbehörde, die erste Zustellung sei nicht an eine zustellfähige Abgabenstelle erfolgt, in Widerspruch stünden. Er übersieht, dass zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Berufung ausschließlich die Berufungsbehörde zuständig ist. Eine Meinung der Behörde erster Instanz über die Gültigkeit von Zustellvorgängen entfaltet für die Berufungsbehörde keine rechtliche Bindung (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1254, E 52 ff, wiedergegebene Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts). Die Zustellvorgänge waren Thema in der mündlichen Verhandlung, weshalb diese Rüge ins Leere geht.
Der Beschwerdeführer rügt des Weiteren, die von der belangten Behörde zitierten Entscheidungen bezögen sich auf "ursprünglich schon gültige Zustellvorgänge". Hier habe aber die erstinstanzliche Behörde "im Rahmen eines amtlichen Ermittlungsverfahrens festgestellt", dass die erste Zustellung nicht gültig gewesen sei. Auch mit diesem Argument übersieht der Beschwerdeführer, dass die Rechtzeitigkeit der Berufung (und damit notwendigerweise die Gültigkeit von Zustellvorgängen) ausschließlich im Rahmen der nach § 66 Abs. 4 AVG zu treffenden Entscheidung über die Berufung wahrzunehmen ist und daher nicht den Gegenstand einer selbständigen Feststellung (noch dazu der Erstbehörde) bilden kann (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1254, E 58, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Dass die belangte Behörde auf Grund der von ihr herangezogenen hg. Rechtsprechung im gegenständlichen Fall die Zustellung der beiden Straferkenntnisse im November 1998 (sohin die erste Zustellung) als gültig wertete, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Dass der Beschwerdeführer seine "tatsächliche Adresse der Behörde aus entschuldbarer Rechtsunkenntnis nicht bekannt gab (ich verließ mich darauf, dass sich meine Nachbarin wie immer um meine Post kümmert)" und beide hinterlegten und zur Abholung bereitgehaltenen Straferkenntnisse "nicht zugestellt werden" hätten können, kann daran schon deshalb nichts ändern, weil der Beschwerdeführer den Vorgang der Behebung der abholbereitgehaltenen Straferkenntnisse beim Postamt offensichtlich mit der Zustellung verwechselt. Hinsichtlich des in Richtung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - um die es hier aber gar nicht geht, weshalb das Vorbringen schon deshalb ins Leere geht - zielenden Argumentes "Rechtsunkenntnis" wird zusätzlich darauf aufmerksam gemacht, dass nicht nachvollziehbar ist, welche "entschuldbare Rechtsunkenntnis" das Kümmern der Nachbarin um seine Post sein solle.
Die beiden Straferkenntnisse wurden zwar am neuerlich zugestellt, wird das gleiche Schriftstück aber mehrmals gültig zugestellt, so ist gemäß § 6 Zustellgesetz die erste Zustellung maßgebend; der zugestellte Akt gilt als "erlassen". Einer neuerlichen Zustellung kommt keine rechtliche Bedeutung mehr zu (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom , Zl. 94/09/0129, mwN.).
Bereits der Inhalt der Beschwerde lässt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.
Wien, am