VwGH vom 19.09.1990, 89/03/0213
Betreff
N gegen Landeshauptmann von Steiermark vom , Zl. 11-75 Pa 3-89, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom wurde der Beschwerdeführer wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 schuldig erkannt. Das Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt.
Mit dem am bei der Behörde persönlich überreichten Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Berufung gegen das angeführte Straferkenntnis und erhob gleichzeitig Berufung.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom wurde (mit Spruchteil I) im Instanzenzug der Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen und (mit Spruchteil II) die Berufung als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde richtet sich - obwohl der Beschwerdeantrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides diesbezüglich nicht näher bestimmt gefaßt ist - ihrem gesamten Inhalte nach lediglich gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages. Weder in der Darstellung des Sachverhaltes noch in den Beschwerdegründen wird auf den Spruchteil II des angefochtenen Bescheides Bezug genommen. Dem gesamten Beschwerdevorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer vielmehr durch den angefochtenen Bescheid nur in seinem Recht auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als verletzt.
Der Beschwerdeführer bringt vor, daß es zur Versäumung der Berufungsfrist durch einen Fehler seiner Sekretärin gekommen sei. Er habe nach dem Einlangen des Straferkenntnisses auf diesem handschriftlich den Termin für die Einbringung der Berufung mit vermerkt. Die Sekretärin hatte diesen Termin mit einer 2-tägigen Vorfrist in den Terminkalender einzutragen. Irrtümlich habe nun die Sekretärin, die eine Maturantin und verläßlich sei und bislang keinen Anlaß für Beanstandungen gegeben habe - nach dem Vorbringen im Verwaltungsverfahren ist sie bereits mehr als ein Jahr beim Beschwerdeführer beschäftigt -, als Termin offenbar durch Aufschlagen des falschen Monates im Fristenbuch den statt den im Terminkalender eingetragen. Dieser Fehler sei zufällig bei einem Ferngespräch betreffend die Verlegung einer Verhandlung hervorgekommen. Das Aufschlagen des falschen Monates im Fristenbuch stelle eine einmalige entschuldbare Fehlleistung der Sekretärin und für den Beschwerdeführer ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis dar, das die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertige. Aus der Organisation seiner Kanzlei ergebe sich, daß "eine 2-fache Kontrolle vorgesehen ist, weil einerseits der Beschwerdeführer die Vormerkung der Frist nicht der Kanzleikraft selbst überläßt, sondern diese Frist selbst handschriftlich verfügt, und andererseits, weil diese Verfügung nicht mündlich sondern schriftlich erfolgt". Dies sei die wirksamste Kontrolle schlechthin, um fehlerhafte Fristvormerkungen hintanzuhalten. Der Beschwerdeführer habe daher seiner zumutbaren Kontrollfunktion schon damit Genüge getan, daß er die Fristvormerkung mit dem Endtermin selbst vornimmt, und er sei damit auch der ihm zumutbaren Überwachungspflicht nachgekommen. In diesem Sinne sei auch sein Vorbringen in der Berufung insoweit beachtlich, als er durchaus glaubhaft dargestellt habe, daß eine stichprobenartige Überprüfung stattfinde, die niemals den Grund für eine Beanstandung gebildet habe. Die Fülle der täglichen Fristen, wobei allein die gerichtlichen und Fallfristen täglich bis zu zehn Eintragungen erforderten, lasse schon organisatorisch nur eine stichprobenartige Überprüfung zu. Diese aber sei genügend. Im übrigen hätte die belangte Behörde "das Maß der Stichprobenartigkeit der Überprüfung", wenn sie der Ansicht sei, daß ihm die Glaubhaftmachung im Sinne des § 71 Abs. 1 lit. a AVG nicht gelungen sei, durch seine Einvernahme und die Einvernahme seiner Sekretärin zu erforschen gehabt.
Gemäß § 71 Abs. 1 lit.a AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.
Das Versehen einer Kanzleiangestellten stellt für einen Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleiangestellten nachgekommen ist, den Rechtsanwalt selbst also an der Versäumung keinerlei Verschulden, insbesondere auch nicht in Form der "culpa in custodiendo" trifft. Lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann der Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen (vgl. dazu unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 86/04/0072, vom , Zlen. 86/18/0178, 0179, und vom , Zl. 89/03/0254). Der Verwaltungsgerichtshof ist ferner in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, daß für die richtige Beachtung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Anwalt verantwortlich ist, denn er selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Im Hinblick auf die Bedeutung der richtigen Vormerkung von Terminen für die fristgerechte Setzung von (mit Präklusion sanktionierten) Prozeßhandlungen kann der Rechtsanwalt aus seiner (Letzt-)Verantwortung für die richtige und vollständige Führung des Fristenvormerkes nicht entlassen werden (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 83/02/0501, vom , Zlen. 84/03/0350, 0351, und vom , Zl. 89/02/0132, sowie die weitere in diesen Erkenntnissen angeführte Vorjudikatur). Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, daß ein Wiedereinsetzungswerber, wenn als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleiangestellten des Rechtsanwaltes geltend gemacht wird, durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun hat, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch darlegen muß, daß es zur Fehlleistung des Kanzleiangestellten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden, also welche organisatorischen Vorkehrungen in der Kanzlei des Rchtsanwaltes getroffen wurden, um Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen bei der Einhaltung von Terminen und Fristen aller Voraussicht nach auszuschließen. Im Wiedereinsetzungsantrag ist demnach substantiiert zu behaupten, was der Rechtsanwalt in Erfüllung seiner nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht vorgenommen hat (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 239/80, vom , Zl. 81/03/0098, vom , Slg. 5764/F, und vom , Zlen. 90/03/0021, 0022).
Ausgehend von dieser Rechtsansicht ist der belangten Behörde keine Rechtswidrigkeit anzulasten, wenn sie die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Wiedereinsetzung verneinte. Der Beschwerdeführer beschränkte seine Angaben im Wiedereinsetzungsantrag auf die Darlegung eines seiner Sekretärin unterlaufenen Fehlers bei der Fristvormerkung unter Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung seiner Sekretärin und den Hinweis, daß die Sekretärin sonst verläßlich sei. Er erstattete im Wiedereinsetzungsantrag hingegen keinerlei Vorbringen, das darauf gerichtet gewesen wäre, glaubhaft zu machen, daß die Fristversäumung ohne sein Verschulden eingetreten wäre, insbesondere unterließ er es, konkret darzutun, was er in Durchführung der ihm obliegenden Überwachungspflicht veranlaßt hat. Aber auch die Berufung enthält keine konkreten Ausführungen darüber, in welcher Weise er der darin erstmals behaupteten "stichprobenartigen" Kontrolle gegenüber seiner Kanzleiangestellten nachgekommen ist. Denn abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer die Vorgänge der Fristvormerkung mit der Kontrolle dieser Vorgänge vermengt, wenn er z.B. ausführt, daß die Tatsache, daß er sich die Berechnung der Frist vorbehalten habe, die wirksamste Kontrolle sei, um fehlerhafte Fristvormerkungen hintanzuhalten, enthob ihn diese Tatsache nicht der Verpflichtung, die (richtige) Eintragung der Frist im Terminkalender durch die Sekretärin zu überwachen. Der Beschwerdeführer irrt sohin, wenn er meint, er habe bereits mit dieser Maßnahme seiner zumutbaren Kontrollfunktion Genüge getan. Dazu kommt, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst die Berufung auf eine "stichprobenartige Überprüfung" - das Vorbringen in der Beschwerde, es sei der Fehler der Sekretärin "zufällig" bei einem Ferngespräch hervorgekommen, und die Tatsache der Fristversäumung sprechen allerdings gegen eine solche Kontrolle -, allein noch nicht als ausreichend anzusehen ist, insbesondere dann nicht, wenn die fragliche Kanzleibedienstete erst seit kurzer Zeit - im Beschwerdefall nur etwas mehr als ein Jahr - in der Kanzlei des Rechtsanwaltes beschäftigt war (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 86/16/0194, und die darin angeführte Vorjudikatur). Solcherart kann aber auch dahingestellt bleiben, ob ein solches Vorbringen überhaupt in der Berufung gegen den ablehnenden Bescheid der Erstbehörde noch nachgeholt hätte werden dürfen. Aus diesem Grunde waren aber auch weitere diesbezügliche Ermittlungen durch die belangte Behörde entbehrlich.
Die Beschwerde erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.