VwGH vom 19.11.1998, 97/15/0115
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
97/16/0299 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des K in S, vertreten durch Dr. Johannes Riedl und Dr. Gerold Ludwig, Rechtsanwälte in 3350 Stadt Haag, Höllriglstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/041-07/07/97, betreffend Haftung für Abgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird, soweit sie nicht die Haftung für Straßenverkehrsbeitrag und Kraftfahrzeugsteuer betrifft, als unbegründet abgewiesen. Im Umfang der Haftung für Straßenverkehrsbeitrag und Kraftfahrzeugsteuer wird über die Beschwerde gesondert unter der Geschäftszahl 97/16/0299 abgesprochen.
Die Kostenentscheidung ergeht ebenfalls unter der Zl. 97/16/0299.
Begründung
Der Beschwerdeführer war bis zum Geschäftsführer der T-GmbH. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde er im Instanzenzug zur auf § 9 Abs. 1 iVm § 80 BAO gestützten Haftung für Abgabenschulden der T-GmbH in Höhe von 1,279.248,35 S herangezogen. Es handelt sich dabei um Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Säumniszuschläge, Dienstgeberbeitrag, Pfändungsgebühren, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, Kammerumlage, Kraftfahrzeugsteuer und Straßenbenützungsabgabe. Der Fälligkeitstag dieser Abgaben liegt zwischen dem (Umsatzsteuer 2/95) und dem (Pfändungsgebühren). In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird im wesentlichen ausgeführt, es sei unbestritten, daß die in Rede stehenden Abgaben bei der T-GmbH nicht eingebracht werden könnten. Der Beschwerdeführer habe im Berufungsverfahren eingewendet, er habe im Zeitraum Jänner bis April 1996 an Lieferanten insgesamt 353.090,06 S bezahlt. Das seien 9,89 % der Lieferantenschulden (Eröffnungsbilanzstand zum : 2.540.331 S plus Zugänge von 1.031.577 S). Demgegenüber habe er im selben Zeitraum an das Finanzamt Zahlungen von 332.521 S geleistet. Das seien 16,03 % der Abgabenschulden (Rückstand zum plus Zugänge von 457.450 S). Er habe daher den Abgabengläubiger nicht schlechter behandelt als andere Gläubiger, weshalb die Voraussetzungen für die Haftung nicht gegeben seien. Nach Ansicht der belangten Behörde komme es im gegenständlichen Fall allerdings darauf an, daß der Beschwerdeführer einzelne Gläubiger (diverse Lieferanten, Gebietskrankenkasse, Versicherungen und Vermieter) zur Gänze befriedigt habe. Es könne daher von einer Benachteiligung des Finanzamtes ausgegangen werden. Der Geschäftsführer hafte für die nicht entrichteten Abgaben auch dann, wenn die Mittel, die ihm zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung stünden, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, daß er die Mittel anteilig zur Begleichung aller Verbindlichkeiten verwende. Eine solche gleichmäßige Verwendung liege im Beschwerdefall nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft ist es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.
Hatte der Geschäftsführer Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Gesellschafterschulden nicht ausreichten, so ist er nur dann haftungsfrei, wenn er im Verwaltungsverfahren nachweist, daß er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat. Wenn die Behauptung und Nachweisung des Ausmaßes der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel im Verwaltungsverfahren unterlassen wird, kommt eine Beschränkung der Haftung bloß auf einen Teil der uneinbringlichen Abgabenschulden nicht in Betracht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 95/15/0145 und vom , 92/17/0042).
Gegen die Gleichbehandlungspflicht verstößt ein Geschäftsführer, der Abgaben bei Fälligkeit nicht vollständig entrichtet, insoweit nicht, als die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, nicht für die Tilgung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft ausreichen, er aber die Abgabenschulden im Vergleich zur Summe der anderen Verbindlichkeiten nicht schlechter behandelt und diesem Verhältnis entsprechend anteilig tilgt. Dies setzt allerdings voraus, daß der Geschäftsführer im Verfahren die Grundlagen für die behördlichen Feststellungen des zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zur Bezahlung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Anteils an liquiden Mitteln beigebracht hat (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 92/17/0042).
Eine solche, ziffernmäßig konkretisierte Behauptung hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren (und auch in der Beschwerde) nicht vorgebracht. Die überschlagsmäßige Gegenüberstellung des Prozentsatzes der in einem Zeitraum von vier Monaten (Jänner bis April 1996) bezahlten Lieferantenverbindlichkeiten einerseits und der in diesem Zeitraum abgestatteten Abgabenschulden andererseits kann nicht eine nachvollziehbare Berechnung für die jeweiligen Fälligkeits- bzw. Zahlungszeitpunkte im gesamten Haftungszeitraum ersetzen. Dazu kommt, daß nach den im Verwaltungsverfahren unbestrittenen Feststellungen verschiedene Gläubiger voll befriedigt worden sind; das gegenteilige Beschwerdevorbringen zur Befriedigung der Gläubiger stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar. Eine Haftungsbefreiung durch Nachweis der Gleichbehandlung aller Schulden hat der Beschwerdeführer daher nicht erbracht.
Der Beschwerdeführer hat damit den Nachweis, daß ihn kein Verschulden am Unterbleiben der Abgabentilgung treffe, nicht erbracht. Daraus ergibt sich bereits, daß er durch den angefochtenen Bescheid nicht in subjektiven Rechten verletzt worden ist. Auf das weitere Beschwerdevorbringen, wonach die Barabhebungen nicht zur Deckung "betrieblicher Ausgaben" gedient hätten, und welches sich auch gegen die Feststellung wendet, es wären einzelne Gläubiger zur Gänze befriedigt worden, braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.
Die Beschwerde war sohin in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am