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VwGH vom 11.09.1997, 97/15/0083

VwGH vom 11.09.1997, 97/15/0083

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der EB, vertreten durch Dr. Peter Schnabl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 8, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. Gem-521040/3-1997-AP, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde A), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug (im zweiten Rechtsgang; vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 92/17/0294) erlassenen Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde A vom wurde gegenüber der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 1, 2, 6 und 7 des Oberösterreichischen Lustbarkeitsabgabegesetzes 1979, LGBl. Nr. 74/1979 idgF in Verbindung mit den §§ 1 und 2 der Lustbarkeitsabgabeordnung der Gemeinde A, für die Abhaltung eines Weihnachtsmarktes Gemeinde-Lustbarkeitsabgabe vorgeschrieben. Der Bescheid wurde dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin am zugestellt.

Mit einer vom 9. Dezember datierten, am beim Gemeindeamt A eingelangten, namens der Beschwerdeführerin "i.A." mit einer unleserlichen Unterschrift gefertigten Eingabe wurde gegen den oben genannten Bescheid Vorstellung erhoben.

Der Text der Eingabe lautet:

"Gegen den umseitig bezeichneten Bescheid erhebe ich innerhalb offener Frist Vorstellung wegen Gesetzeswidrigkeit des Inhaltes. Zwecks Nachbringung einer ausführlichen Begründung durch meinen Rechtsvertreter ersuche ich um Einräumung einer Frist bis ."

Ein vom datiertes, am beim Gemeindeamt der Gemeinde A eingelangter Schriftsatz des Rechtsanwaltes der Beschwerdeführerin enthält eine Begründung der Vorstellung und unter anderem den Antrag, den bekämpften Bescheid aufzuheben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung als unzulässig zurückgewiesen. Begründend vertrat die belangte Behörde die Auffassung, das Schreiben vom enthalte keinen begründeten Antrag im Sinne des § 102 Abs. 2 zweiter Halbsatz der Oberösterreichischen Gemeindeordnung 1990. Der einen begründeten Antrag enthaltende Schriftsatz des Rechtsanwaltes der Beschwerdeführerin sei nicht zu berücksichtigen, weil er nach Ablauf der nicht verlängerbaren zweiwöchigen Frist des § 102 Abs. 2 erster Halbsatz der Oberösterreichischen Gemeindeordnung überreicht worden sei. Das Fehlen eines begründeten Antrages stelle kein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG dar, sondern einen Inhaltsmangel; die Vorstellung sei daher ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückzuweisen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht "Gesetzesverletzung und Verletzung von Verfahrensvorschriften als Beschwerdegründe" geltend. Sie vertritt die Auffassung, zu Recht habe die belangte Behörde das AVG angewendet; subsidiär gelte weiters die BAO, da es sich um eine "Abgabe = Steuer" handle. Das Schreiben vom sei ein taugliches Rechtsmittel, weil der Bescheid als gesetzwidrig bezeichnet werde und der auf Bescheidaufhebung gerichtete Wille erkennbar sei. Nach der BAO bestehe ein Recht der Partei auf Fristerstreckung zwecks Nachbringung einer Begründung.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 102 Abs. 1 erster Satz der Oberösterreichischen Gemeindeordnung 1990, LGBl. Nr. 1990/91 (GemO), kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges dagegen Vorstellung erheben.

Nach Abs. 2 erster Satz leg. cit. ist die Vorstellung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich oder telegrafisch bei der Gemeinde einzubringen; sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Antrag zu enthalten.

Nach Abs. 5 erster Satz leg. cit. hat die Aufsichtsbehörde, sofern die Vorstellung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

Die belangte Behörde ist mit ihrer Auffassung im Recht, daß das namens der Beschwerdeführerin eingebrachte Schreiben vom keinen (begründeten) Antrag enthielt; es trifft ferner zu, daß der sowohl eine Begründung der Vorstellung als auch einen Antrag enthaltende Schriftsatz vom nach Ablauf der Vorstellungsfrist eingebracht wurde.

Die GemO enthält keine Vorschriften, die die Vorgangsweise der Vorstellungsbehörde im Falle des Fehlens des begründeten Antrages einer Vorstellung regeln. Es ist daher zu untersuchen, welche sonstigen Verfahrensvorschriften im vorliegenden Fall anzuwenden waren.

Nach Art. II Abs. 2 Z. 1 EGVG haben die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung, also auch die belangte Behörde, grundsätzlich das AVG anzuwenden. Für die - hier vorliegende - Abgabenangelegenheit besteht hievon jedoch eine Ausnahme nach Art. II Abs. 5 EGVG. Danach finden die Verwaltungsverfahrensgesetze u.a. in Angelegenheiten der Abgaben der Länder und Gemeinden, soweit es sich nicht um die Verfolgung und Ahndung von Verwaltungsübertretungen handelt, keine Anwendung, es sei denn, daß ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Eine solche ausdrückliche Anordnung findet sich in der GemO für das Verfahren der Vorstellungsbehörde nicht. Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung 1996, LGBl. Nr. 107 (OÖ LAO 1996), gilt dieses Landesgesetz (u.a.) in Angelegenheiten der nicht bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben des Landes und der Gemeinden, mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben in den Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeverwaltung. Dies führt zum Ergebnis, daß im vorliegenden, eine Abgabe der Gemeinde betreffenden Fall die Vorstellungsbehörde die OÖ LAO 1996 und nicht das AVG anzuwenden hatte (vgl. zur entsprechenden Regelung der Niederösterreichischen Gemeindeordnung z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 92/17/0247, vom , Zl. 93/17/0382, und vom , Zl. 93/17/0200, sowie die dort jeweils zitierte Vorjudikatur).

Die belangte Behörde hatte im vorliegenden, Abgaben betreffenden Verfahren ihr Vorgehen im Hinblick auf das Fehlen eines begründeten Antrages in der namens der Beschwerdeführerin eingebrachten Vorstellung (und im Hinblick auf den der Eingabe anhaftenden Vollmachtsmangel) nach jenen Vorschriften zu richten, die die OÖ LAO 1996 für den Fall des Fehlens eines begründeten Berufungsantrages an die Abgabenbehörde zweiter Instanz richtet. Nach § 194 leg. cit. muß eine Berufung u.a. enthalten die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden (Z. 3) und eine Begründung (Z. 4). Nach § 204 leg. cit. hat die Abgabenbehörde erster Instanz, wenn eine Berufung nicht den im § 194 umschriebenen Erfordernissen entspricht, dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt. Nach § 208 Abs. 1 leg. cit. hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz im Berufungsverfahren die Obliegenheiten und Befugnisse, die der Abgabenbehörde erster Instanz auferlegt und eingeräumt sind. Diese auf das Berufungsverfahren der Abgabenbehörden bezogenen Regelungen sind - in den durch Art. 119a Abs. 5 B-VG (§ 102 Abs. 5 GemO) gezogenen Grenzen - in Abgaben betreffenden Angelegenheiten von der Vorstellungsbehörde anzuwenden, weil der Begriff "Rechtsmittel" der OÖ LAO 1996 (vgl. § 71 Abs. 3 Z. 2) im Hinblick auf § 102 Abs. 1 GemO auch die Vorstellung umfaßt.

Der Vorstellungsbehörde ist es somit verwehrt, eine Vorstellung, die den in § 194 OÖ LAO 1996 umschriebenen Anforderungen nicht entspricht, ohne Einleitung eines Verbesserungsverfahrens im Sinne der §§ 204, 208 leg. cit. zurückzuweisen. Im vorliegenden Fall erübrigte sich die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens im Hinblick auf die ohne vorangehenden Auftrag erfolgte Behebung der der Eingabe vom anhaftenden Mängel durch den Schriftsatz vom ; hier hätte die belangte Behörde über die Vorstellung ohne Bedachtnahme auf die dieser ursprünglich anhaftenden Mängel und somit unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund entscheiden müssen. Die belangte Behörde hat daher bei der Zurückweisung der Vorstellung die Rechtslage verkannt; der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.