VwGH vom 08.03.1991, 88/17/0210
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1992, 107;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 3-Gem-408/1/88, betreffend Haftung für Getränkeabgabe (mitbeteiligte Partei: Gemeinde M), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Bundesland Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei traf mit der als "Abgabenbescheid" bezeichneten Erledigung vom folgenden Abspruch:
"Gemäß § 2 des Getränkeabgabengesetzes, LGBl. 94/78 und Gemeinderatsbeschluß vom hebt die Gemeinde von steuerpflichtigen Getränken eine 10 %ige Abgabe vom Verkaufspreis ein.
Der offene Getränkeabgabenrückstand des Herrn A, Pächter
des Gasthauses XY, nnnn P beträgt für die Zeit vom 1.5. - und vom bis
S 52.916,--
die Ihnen als Verpächter zur Zahlung vorgeschrieben werden.
Der offene Rückstand ist binnen zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides fällig und zur Einzahlung zu bringen."
Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers erging die als Bescheid bezeichnete Erledigung des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Partei vom , deren Abspruch wie folgt lautet:
"Der Gemeindevorstand der Gemeinde M weist die eingebrachte Berufung gemäß § 212 Abs. 2 der LAO, LGBl. 36, in seiner Sitzung am ab und bestätigt den angefochten Bescheid.
Gemäß § 2 des Getränkeabgabengesetzes, LGBl. 94/78 und Verordnung des Gemeinderates vom hebt die Gemeinde von steuerpflichtigen Getränken eine 10 %ige Abgabe vom Verkaufspreis ein. Als Verpächter des Gasthauses XY wird ihnen der Getränkeabgabenrückstand des Pächters A für die Zeit vom bis in Höhe von
S 52.916,--
zur Zahlung vorgeschrieben.
Der Betrag von S 52.916,-- ist nach § 156 LAO 1983 mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides fällig."
Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwiesen. In der Begründung wird u.a. ausgeführt, auf Grund der zwingenden gesetzlichen Bestimmung des § 71 Abs. 2 LAO, LGBl. für Kärnten Nr. 36/1983, sei im Spruch der Abgabenbescheide bzw. Haftungsbescheide der Bescheidadressat ausdrücklich anzuführen; das sei bei solchen derjenige, an den das Leistungsgebot gerichtet werde, von dem also die Erbringung der Leistung verlangt werde. Die spruchmäßige Bezeichnung des Bescheidempfängers gewinne im Abgabenverfahren die Bedeutung, daß nur gegen die vom Spruch des Leistungsgebotes erfaßten Personen auf Grund eines hinsichtlich der Nennung der Person des Schuldners gleichlautenden Rückstandsausweises Exekution geführt werden könne. Weder "der erstinstanzliche, noch der Bescheid des Gemeindevorstandes enthält in seinem Spruch", welcher ausschließlich in Rechtskraft erwachse, einen vom Gesetzgeber zwingend geforderten Bescheidadressaten.
Dieser Bescheid der Kärntner Landesregierung vom blieb unangefochten.
Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Partei wies hierauf mit Bescheid vom die Berufung des Beschwerdeführers (abermals) als unbegründet ab. Dem Beschwerdeführer wurde "als Haftungspflichtiger für Herrn A als Pächter des Gasthauses XY für die Zeit vom bis der Getränkeabgabenrückstand in Höhe von S 52.916,-- zur Zahlung vorgeschrieben".
Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom gemäß § 95 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982, LGBl. für Kärnten Nr. 8, als unbegründet abgewiesen.
Der Begründung dieses Bescheides zufolge stehe außer Streit, daß dem "Verhältnis zwischen dem Einschreiter als Verpächter des Gasthauses XY und Herrn A als Pächter ein Bestandvertrag in Form einer Pachtvereinbarung zugrundelag". Die Erlassung eines Haftungsbescheides nach § 4 des Getränkeabgabegesetzes 1978 sei nur an die Voraussetzung geknüpft, daß eine Getränkeabgabeschuld des Pächters bestehe und es der Verpächter unterlassen habe, den Beginn des Pachtverhältnisses und dessen Beendigung innerhalb der gesetzlichen Frist der Gemeinde nachweislich mitzuteilen. Diesbezügliche Mitteilungen durch den Verpächter lägen dem Aktenvorgang nicht bei und seien auch der Gemeinde nicht übermittelt worden.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, deren Beschwerdepunkt dahin zu verstehen ist, daß sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt erachtet, nicht als Haftpflichtiger für die Getränkesteuerrückstände des A herangezogen zu werden.
Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Mit Erkenntnis vom , G 50/90-6 und G 51/90-6, hat der Verfassungsgerichtshof dem auch aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles gestellten Antrag des Verwaltungsgerichtshofes, § 4 des Gesetzes vom über die Abgabe vom Verbrauch von Speiseeis und Getränken (Getränkeabgabegesetz 1978), LGBl. für Kärnten Nr. 94, als verfassungswidrig aufzuheben, nicht Folge gegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der kassatorische Spruch des Vorstellungsbescheides der Kärntner Landesregierung vom wird auch von der Frage der Nennung des Bescheidadressaten im Spruch eines Abgabenbescheides (Haftungsbescheides) getragen. So wird in der Begründung dieses Bescheides ausgeführt:
"Weder der erstinstanzliche, noch der Bescheid des Gemeindevorstandes enthält in seinem Spruch, welcher ausschließlich in Rechtskraft erwächst, einen vom Gesetzgeber zwingend geforderten Bescheidadressaten."
Dieser Vorstellungsbescheid ist in Rechtskraft erwachsen, seine tragenden Begründungselemente binden die Gemeindebehörden, die Gemeindeaufsichtsbehörde selbst und auch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. N. F. Nr. 8091/A, vom , Slg. N. F. Nr. 8494/A und vom , Zl. 17/0600/79). Im Hinblick auf diese Bindungswirkung ist vom Verwaltungsgerichtshof daher auch nicht zu prüfen, ob die Rechtsauffassung der belangten Behörde zutrifft, daß die Erledigungen der Gemeindeabgabenbehörden vom und vom dem Erfordernis des § 71 Abs. 2 LAO, LGBl. für Kärnten Nr. 36/1983, wonach in jedem Bescheid die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen ist, an die er ergeht, nicht entsprochen hätten.
Ausgehend von der oben genannten Bindungswirkung hatte die Vorstellungsbehörde im zweiten Rechtsgang zunächst zu prüfen, ob der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Partei der von der Vorstellungsbehörde im ersten Rechtsgang geäußerten Rechtsauffassung gefolgt ist. Dies ist aus folgenden Erwägungen nicht der Fall:
Wie bereits in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt, wurde im fortgesetzten Verfahren die Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Partei vom als unbegründet abgewiesen und dem Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen ein Getränkeabgabenrückstand zur Zahlung vorgeschrieben. Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom als unbegründet abgewiesen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom , Zl. 984/68 zur inhaltsgleichen Rechtslage nach § 93 Abs. 2 BAO ausgeführt hat, fehlt einer Erledigung der Bescheidcharakter, wenn der Adressat des Bescheides in dessen Spruch nicht bezeichnet ist (vgl. dazu u.a. auch das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 83/17/0096, 0097, 0099, 0100, 0101, 0127, zur inhaltsgleichen Regelung des § 70 Abs. 2 LAO, LGBl. für die Steiermark Nr. 158/1963). Den in der kassatorischen Vorstellungsentscheidung der Kärntner Landesregierung vom geäußerten Rechtsauffassung folgend, kam im vorgenannten Sinne der Erledigung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom Bescheidcharakter nicht zu.
Aus diesen Erwägungen folgt aber weiters, daß die Berufung gegen die erstinstanzliche Erledigung mangels eines tauglichen Berufungsgegenstandes zurückgewiesen hätte werden müssen. Stattdessen hat die Berufungsbehörde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen zur Zahlung eines Getränkeabgabenrückstandes herangezogen, diesbezüglich somit in Wahrheit als Abgabenbehörde erster Instanz entschieden.
Dadurch, daß die Vorstellungsbehörde diese dem Bescheid der Gemeindeabgabenbehörde zweiter Instanz anhaftende Rechtswidrigkeit nicht zum Anlaß einer aufsichtsbehördlichen Aufhebung genommen hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen war.
Für das fortgesetzte Verfahren ist aber auch auf folgendes hinzuweisen:
§ 4 des Getränkeabgabegesetzes 1978, LGBl. für Kärnten Nr. 94, lautet:
"(1) Erfolgt die Abgabe von Getränken oder Speiseeis in einem Pachtbetrieb, so haftet im Falle der Beendigung des Pachtverhältnisses der Verpächter neben dem allfälligen früheren Pächter für Abgabenbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung des Pächters liegenden Kalenderjahres entfallen. Die Heranziehung des Verpächters zur Entrichtung der Abgabe hat durch Bescheid zu erfolgen.
(2) Die Haftung des Verpächters im Sinne des Abs. 1 tritt nicht ein, wenn der Verpächter den Beginn eines Pachtverhältnisses zwei Wochen und dessen Beendigung sechs Wochen nach dem Eintritt dieses Umstandes der Gemeinde nachweislich mitteilt."
Das Getränkeabgabegesetz 1978 ist entsprechend seinem § 16 Abs. 1 mit in Kraft getreten.
Im Hinblick auf den von den Gemeindeinstanzen spruchmäßig bestimmten Haftungszeitraum, dessen Beginn () vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liegt, versteht die belangte Behörde diese Regelung offenbar so, daß alle seit dem Beginn des letzten Kalenderjahres vor dem Inkrafttreten des Gesetzes angefallenen Abgaben aus verpachteten Betrieben oder doch alle seit seinem Inkrafttreten angefallenen Abgaben auch aus schon vorher verpachteten Betrieben mit von der Haftung erfaßt werden.
Wie der Verfassungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis vom unter Hinweis auf seine frühere Judikatur dargelegt hat, besteht für eine Haftung des Verpächters für die Abgabenschulden eines (früheren) Pächters grundsätzlich eine sachliche Rechtfertigung. Der Gleichheitsgrundsatz verwehrt es dem Gesetzgeber aber, eine solche Haftung in jedwedem Umfang vorzusehen. Grenzt der Gesetzgeber die Haftung unzureichend ein, sodaß es dem in Anspruch Genommenen unmöglich gemacht wird, durch entsprechende Vertragsgestaltung eine Begrenzung des Risikos zu erreichen, so entbehrt eine derartige Regelung ebenso einer sachlichen Rechtfertigung wie eine ihrer Höhe nach nicht oder kaum begrenzte Haftung, die den ebenfalls für die sachliche Rechtfertigung relevanten Zusammenhang der Haftung mit der Teilnahme des in Anspruch Genommenen am Unternehmensertrag des Primärschuldners völlig außer acht läßt. Eine Verpächterhaftung, wie sie § 4 des Getränkeabgabegesetzes 1978 normiert, ist daher sachlich nur gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Haftung eine adäquate Begrenzung des Haftungsrahmens vornimmt.
Wie der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom weiter ausführt, begrenzt § 4 des Getränkeabgabegesetzes 1978 die Haftung des Verpächters zunächst zwar nur in zeitlicher Hinsicht, nämlich auf Abgabenschulden, die seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung des Pächters liegenden Kalenderjahres entstanden sind; es fehlt eine Grenze der Höhe nach, die das Ausmaß des Haftungsrisikos vorhersehbar machen würde. Damit wäre die Haftung also nur unzureichend eingeschränkt. § 4 Abs. 2 des Gesetzes ermöglicht es dem Verpächter aber, durch bloße Anzeige von Beginn und Ende des Pachtverhältnisses die Haftung ganz auszuschließen. Die (nachweisliche) Anzeige von Beginn und Ende des Pachtverhältnisses, die die Gemeinde von allfälligen Änderungen oder einem erstmaligen Auftreten der potentiellen Steuerfolgen auslösenden Tatbestände in Kenntnis setzen und ihr entsprechende Vorkehrungen, etwa Betriebsprüfungen, ermöglichen soll, als Voraussetzung für den Eintritt des Haftungsausschlusses vorzusehen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die in § 4 des Getränkeabgabegesetzes 1978 normierte Haftungsregelung wäre daher unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden, weil - und wenn - diese Entlastungsmöglichkeit besteht. Eine Anwendung des § 4 Abs. 1 des Getränkeabgabegesetzes 1978 auf Fälle, in denen Abs. 2 nicht anwendbar ist (weil im Zeitpunkt des Beginnes des Pachtverhältnisses die Möglichkeit - und Notwendigkeit - der Abwendung von Haftungsfolgen noch nicht bestanden hat), würde hingegen dem Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellen, den es nicht hat, und damit den Beschwerdeführer in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzen.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die vom Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom vertretene Rechtsansicht über den zeitlichen Anwendungsbereich des § 4 des Getränkeabgabegesetzes 1978. Die Haftung des Verpächters ist erst durch dieses Gesetz eingeführt worden. Da sie auf eine allfällige Unterlassung bei Beginn des Pachtverhältnisses abstellt, liegt es - in verfassungskonformer Interpretation - nahe, sie auch nur für Pachtverhältnisse eintreten zu lassen, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes BEGONNEN haben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.