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VwGH vom 23.03.1999, 97/14/0172

VwGH vom 23.03.1999, 97/14/0172

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der M M I, vertreten durch Dr. Walter Sarg, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat I, vom , 70.432-7/95, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt seit dem Jahr 1991 einen Textilwareneinzelhandel. Den Gewinn ermittelte sie für die Jahre 1991 und 1992 nach § 4 Abs 3 EStG 1988.

Zum ermittelte die Beschwerdeführerin mit der Behauptung, sie habe die Gewinnermittlungsart von

§ 4 Abs 3 EStG 1988 auf § 4 Abs 1 leg cit gewechselt, einen Übergangsgewinn von rund 790.000 S. Für den Übergangsgewinn beantragte sie die Anwendung des begünstigten Steuersatzes nach § 37 Abs 1 EStG 1988.

Das Finanzamt entsprach im Einkommensteuerbescheid diesem Antrag mit der Begründung nicht, der Wechsel der Gewinnermittlungsart sei freiwillig erfolgt. § 37 Abs 2 EStG 1988 sei bei einem freiwilligen Wechsel der Gewinnermittlungsart nur dann anwendbar, wenn die bisherige Gewinnermittlungsart sieben Jahre beibehalten worden sei. Da dies nicht der Fall sei, könne der begünstigte Steuersatz nicht angewandt werden.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, es liege kein freiwilliger Wechsel der Gewinnermittlungsart vor. Sie habe im Jahr 1991 bei der Eröffnung des Textilwareneinzelhandels einen Umsatz von maximal 1,5 Mio S pro Jahr erwartet, weshalb sie sich mit der einfachen Form der Buchhaltung iSd § 4 HGB begnügt habe. Doch bereits im Lauf des auf die Eröffnung folgenden Jahres hätten die monatlichen Umsätze 400.000 S bis 600.000 S betragen. Sie sei somit Vollkaufmann nach § 1 HGB geworden. Nach handelsrechtlichen Vorschriften habe ein nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb installiert werden müssen. Die Verpflichtung zur Buchführung ergebe sich aus § 124 BAO.

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt der Beschwerdeführerin vor, nach § 4 HGB seien die handelsrechtlichen Buchführungs- und Aufbewahrungsbestimmungen nicht anzuwenden, wenn der Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordere (Minderkaufmann). Die Beschwerdeführerin sei im Jahr 1993 weder nach Handelsrecht, noch nach anderen gesetzlichen (steuerlichen) Vorschriften zur Führung von Büchern oder Aufzeichnungen verpflichtet gewesen.

Ohne auf die Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung einzugehen, beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

In Beantwortung eines Vorhaltes der belangten Behörde teilte die Beschwerdeführerin mit, es sei bereits im Jahr 1992 ein Umsatz von etwas über 5 Mio S erreicht worden. Diesem Umsatz sei ein entsprechender Einkauf von rund 3 Mio S gegenüber gestanden, der für sich alleine die Führung von Büchern notwendig gemacht habe. Auf Grund des Wertes des Warenvorrates von rund 940.000 S hätten Inventuren erstellt werden müssen. Weiters sei für betriebswirtschaftlich notwendige Kalkulationen und Rentabilitätsanalysen eine genaue Bestandsverrechnung erforderlich gewesen. Mit einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung wäre dies nicht zu erreichen gewesen. Schließlich würden sowohl der Wert der Betriebsausstattung von 400.000 S als auch die monatliche Miete von rund 14.000 S gegen das Vorliegen eines Kleinhandelsgewerbes sprechen. Die Eintragung in das Firmenbuch sei am beantragt worden.

Mit Beschluß vom wurde die Firma der Beschwerdeführerin in das Firmenbuch eingetragen.

Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung der Jahre 1993 bis 1995 stellte der Prüfer im Einvernehmen mit der Beschwerdeführerin fest, der Gewinn sei in den Jahren 1991 und 1992 nach § 4 Abs 3 EStG 1988 ermittelt worden. Erst ab September 1993 sei es (nachträglich) zu einer Umstellung der Erfassung und Aufzeichnung der Geschäftsfälle gekommen. In diesem Monat seien Lieferantenkonten eröffnet und sei der Wareneinkauf nach dem Soll-Prinzip erfaßt worden. Auch die Verbuchung der Löhne samt Nebenkosten, die bis September 1993 - wie in den Jahren 1991 und 1992 - anläßlich der Zahlung (netto)verbucht worden seien, sei erst im September 1993 umgestellt worden. Zum sei der Gewinn des Jahres 1993 durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs 1 EStG 1988 ermittelt und der Besteuerung zugrunde gelegt worden. Im Zug der Erstellung des Abschlusses für das Jahr 1993 seien die Werte für die Eröffnungsbilanz zum ermittelt worden, die sodann der Berechnung des Übergangsgewinns zum zugrunde gelegt worden seien.

Als Beilage zu einem Schreiben übermittelte die Beschwerdeführerin Kopien der "zeitrichtig" mit Jahresende 1992 durchgeführten Inventur, des Kassa- und Bankkontos, der Privatkonten vom bis sowie zweier Lieferantenkonten. Weiters wies die Beschwerdeführerin nochmals darauf hin, sie habe der handelsrechtlichen Verpflichtung Bücher zu führen Folge geleistet.

Im nunmehr angefochtenen Bescheid vertritt die belangte Behörde die Ansicht, die Beschwerdeführerin habe zum kein Vollhandelsgewerbe betrieben. Es könne daher nicht von einem zwangsläufigen Wechsel der Gewinnermittlungsart gesprochen werden. Außerdem liege zum Stichtag ein Wechsel der Gewinnermittlungsart nicht vor. Zur Begründung, daß kein Vollhandelsgewerbe betrieben worden sei, führt die belangte Behörde aus, weder die Art noch der Wert der Betriebseinrichtung würden für das Vorliegen eines Vollhandelsgewerbes sprechen. Denn der Textilwareneinzelhandel werde in gemieteten Räumlichkeiten betrieben, wobei ein Großteil der Geschäftseinrichtung zum Mietgegenstand gehöre. Sowohl der Wert der Betriebsausstattung als auch die Höhe der Miete könnten nicht als Indiz für das Vorliegen eines Vollhandelsgewerbes gewertet werden. Auch wenn der Eintragung in das Firmenbuch bei einem Grundhandelsgewerbe nur deklarative Bedeutung zukomme, spreche die fehlende Eintragung zum dagegen, die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt als Vollkaufmann anzusehen. Der Antrag auf Eintragung in das Firmenbuch sei erst im Zug des Berufungsverfahrens gestellt worden, obwohl nach Ansicht der Beschwerdeführerin bereits im Jahr 1992 Buchführungspflicht iSd HGB bestanden habe und Vollkaufleute zur Eintragung in das Firmenbuch verpflichtet seien. Zur Begründung, daß die Gewinnermittlungsart nicht gewechselt worden sei, führt die belangte Behörde aus, ein Betriebsvermögensvergleich setze eine laufende Bestandsverrechnung voraus. Dieser Anforderung hätten die von der Beschwerdeführerin bis September 1993 geführten Aufzeichnungen schon deshalb nicht entsprochen, weil bis dahin lediglich Einnahmen und Ausgaben erfaßt worden seien. Forderungen und Verbindlichkeiten, die bis zum September 1993 entstanden bzw erloschen seien, hätten in den Aufzeichnungen der Beschwerdeführerin überhaupt keinen Niederschlag gefunden. Zum sei keine Eröffnungsbilanz erstellt worden. Die Werte für die Eröffnung der einzelnen Bestandskonten seien (mit Ausnahme des Kassakontos und eines Bankkontos) im nachhinein anläßlich der Erstellung der Bilanz zum ermittelt bzw "eingebucht" worden. Diese Werte seien auch der Berechnung des Übergangsgewinns zum zugrunde gelegt worden. Die Warenvorräte seien zwar zum in Inventurlisten erfaßt worden. Mit der Vorlage einer Kopie der "zeitrichtig" mit Jahresende durchgeführten Inventur sei allerdings nicht nachgewiesen, daß die Inventur tatsächlich am erstellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig ist, ob zum die Gewinnermittlung habe gewechselt werden müssen, verneinendenfalls ob zu diesem Stichtag ein derartiger Wechsel tatsächlich freiwillig vorgenommen worden sei.

Die Beschwerdeführerin führt aus, sie sei im Jahr 1992 Vollkaufmann geworden, weswegen sie nach handelsrechtlichen Vorschriften Bücher zu führen verpflichtet gewesen sei. Sie habe daher zum zwangsläufig von der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zum Betriebsvermögensvergleich wechseln müssen.

Gemäß § 124 BAO hat derjenige, der nach Handelsrecht oder anderen gesetzlichen Vorschriften zur Führung und Aufbewahrung von Büchern oder Aufzeichnungen verpflichtet ist, diese Verpflichtung auch im Interesse der Abgabenerhebung zu erfüllen.

Im Sinn des § 189 Abs 4 HGB gelten für Unternehmer, die zur Eintragung ihres Unternehmens in das Firmenbuch verpflichtet sind, die für Vollkaufleute geltenden Vorschriften über die Buchführungspflicht.

Nach § 4 Abs 1 HGB sind die Vorschriften über die Firma, die Prokura und die Rechnungslegung auf Personen nicht anzuwenden, deren Gewerbebetrieb nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

Bei der Beurteilung, ob ein Gewerbebetrieb einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, ist auf die tatsächlichen Umstände im Einzelfall auf Grund einer Gesamtbetrachtung abzustellen. Die Abgrenzung von Voll- und Minderkaufleuten iSd § 4 HGB richtet sich nach quantitativen und qualitativen Merkmalen (Straube, Kommentar zum HGB2, § 4 Rz 4).

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund des festgestellten Sachverhaltes zu dem Ergebnis gelangt ist, zum sei eine in kaufmännischer Weise eingerichtete Buchhaltung nicht erforderlich gewesen. Die belangte Behörde hat - entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin - die fehlende Eintragung in das Firmenbuch in den Jahren 1992 und 1993 nicht als alleinige Begründung für ihre Annahme, die Beschwerdeführerin sei in diesen Jahren nicht Vollkaufmann gewesen, herangezogen, sondern auch den geringen Umfang der Betriebsausstattung ins Treffen geführt. Wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, hat die Beschwerdeführerin im Streitjahr nur eine Arbeitnehmerin beschäftigt. Andere Umstände, aus denen sich ergeben könnte, daß die Beschwerdeführerin in den Jahren 1992 und 1993 Vollkaufmann gewesen wäre, (vgl Straube, aaO, § 2 Rz 5) wurden von der Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgetragen.

Nach den im Einvernehmen mit der Beschwerdeführerin getroffenen Feststellungen im Zug der abgabenbehördlichen Prüfung der Jahre 1993 bis 1995, hat die Beschwerdeführerin erst ab September 1993 die Erfassung und Aufzeichnung der Geschäftsfälle iSd § 131 BAO umgestellt. Erst im Zug der Erstellung des Abschlusses für das Jahr 1993 sind die Werte für die Eröffnungsbilanz zum 1. Jänner ermittelt worden, die sodann der Berechnung des Übergangsgewinnes zum zugrunde gelegt worden sind.

Gemäß § 131 Abs 1 Z 2 BAO gilt für alle auf Grund von Abgabenvorschriften zu führenden Bücher und Aufzeichnungen, daß die Eintragungen der Zeitfolge nach geordnet, vollständig, richtig und zeitgerecht vorgenommen werden sollen.

Bücher sind Aufschreibungen, die der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich dienen, somit nach der Legaldefinition des § 4 Abs 1 erster Satz EStG 1988 der Ermittlung des Unterschiedsbetrages zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Zur Führung von Büchern Verpflichtete haben daher alle Geschäftsfälle - seien sie bar oder unbar - bereits im Zeitpunkt des Entstehens unter Beachtung der zitierten gesetzlichen Kriterien laufend auf Bestandskonten zu erfassen (vgl das hg Erkenntnis vom , 91/14/0256).

Die nachträgliche Erfassung von Beständen, Forderungen und Außenständen zum Bilanzstichtag erfüllt nicht die Voraussetzung für eine laufende Buchführung nach § 4 Abs 1 EStG 1988 (vgl das hg Erkenntnis vom , 95/14/0054). Zum ist daher die Gewinnermittlungsart nicht gewechselt und damit auch kein Übergangsgewinn erzielt worden. Zur Ermittlung eines Übergangsgewinnes zum genügt es entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht, daß "mit den ab September 1993 nachgeholten Aufschreibungen, eine eindeutige und klare Feststellung des Betriebsvermögens zum " möglich ist. Bemerkt wird, daß entgegen den Beschwerdeausführungen keine (geringfügige) Mängel der Buchführung vorgelegen sind. Vielmehr sind Bücher erst ab September 1993 geführt worden.

Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Werte für die Eröffnung der einzelnen Bestandskonten (mit Ausnahme des Kassakontos und eines Bankkontos) seien nicht erst im nachhinein anläßlich der Erstellung der Bilanz zum ermittelt worden, ist aktenwidrig. Auf die im Einvernehmen mit der Beschwerdeführerin getroffenen Feststellungen im Zug der abgabenbehördlichen Prüfung der Jahre 1993 bis 1995 wird verwiesen. Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Inventur tatsächlich am erstellt worden ist.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am