VwGH vom 16.06.2004, 2001/08/0085
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Tiroler Gebietskrankenkasse, vertreten durch Ullmann-Geiler und Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. Vd-SV-1001-1-193/4/Br, betreffend Beitragsnachrechnung (mitbeteiligte Partei: Bund, Leopold-Franzens Universität Innsbruck, vertreten durch den Rektor, 6020 Innsbruck, Innrain 52), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse vom wurde die mitbeteiligte Partei verpflichtet, S 163.565,73 an Beiträgen zu bezahlen. Im Zuge der Beitragsprüfung vom sei festgestellt worden, dass die im Zeitraum vom bis zum gewährten Urlaubsentschädigungen bzw. Urlaubsabfindungen ohne Einrechnung der gebührenden Sonderzahlungen abgerechnet und ausbezahlt worden seien. Im Sinne des Ausfallsprinzips verweise § 28a Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG) ebenso wie § 6 Urlaubsgesetz (UrlG) - ohne dass dies den beiden Textierungen unmittelbar entnommen werden könnte - hinsichtlich der Höhe der Urlaubsentschädigung auf die "laufenden Bezüge". Nach ständiger Judikatur seien darin die gebührenden Sonderzahlungen anteilig enthalten. Dies beruhe auf der Idee, dass an die Stelle des nicht verbrauchten Naturalurlaubes entsprechende Surrogate zu treten hätten. Anknüpfend an diese Idee habe die Judikatur "mangels konkreter Ausführung in der gesetzlichen Bestimmung ... in logischer Konsequenz die Hinzurechnung der anteiligen Sonderzahlungen" fixiert. Die Sonderzahlungen seien daher in die Urlaubsentschädigung bzw. Urlaubsabfindung einzubeziehen und im Prüfungswege nachzuverrechnen gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch der mitbeteiligten Partei Folge gegeben und festgestellt, dass diese den vorgeschriebenen Nachrechnungsbetrag von S 163.565,73 nicht zu bezahlen habe. Der klare Wortlaut des Vertragsbedienstetengesetzes verweise bezüglich der Höhe von Urlaubsentschädigungen und Urlaubsabfindungen ausschließlich auf Monatsentgelt und Kinderzulage, sodass "auch per Analogie keine weiteren Entgeltbestandteile in die Berechnung einbezogen werden können."
Zwar würden gewöhnlich zum Monatsentgelt auch die nach Gesetz, Kollektivvertrag oder einzelvertraglicher Regelung gebührenden Sonderzahlungen hinzugerechnet, doch stünde einer derartigen Betrachtungsweise für den Bereich der Vertragsbediensteten des Bundes die klare Regelung des § 8a Abs. 2 VBG entgegen, der eindeutig zwischen Monatsentgelt und Sonderzahlung unterscheide und die Sonderzahlung eben nicht als Teil des Monatsentgelts definiere. Der Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Urlaubsgesetz gehe ins Leere, weil im Vertragsbedienstetengesetz keine Gesetzeslücke bestehe, die im Wege der Analogie zu schließen wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 8a und § 28a des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 (VBG) in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 61/1997 lauten auszugsweise:
"§ 8a. (1) Dem Vertragsbediensteten gebühren das Monatsentgelt und allfällige Zulagen (Dienstzulagen, Verwaltungsdienstzulage, Erzieherzulage, Ergänzungszulagen, Omnibuslenkerzulage, Pflegedienstzulage, Pflegedienst-Chargenzulage, Heeresdienstzulage, Kinderzulage, Teuerungszulagen). Soweit in diesem Bundesgesetz Ansprüche nach dem Monatsentgelt zu bemessen sind, sind Dienstzulagen, die Verwaltungsdienstzulage, die Erzieherzulage, die Omnibuslenkerzulage, die Pflegedienstzulage, die Pflegedienst-Chargenzulage, die Heeresdienstzulage und Ergänzungszulagen dem Monatsentgelt zuzuzählen.
(2) Außer dem Monatsentgelt gebührt dem Vertragsbediensteten für jedes Kalendervierteljahr eine Sonderzahlung in der Höhe von 50 vH des Monatsentgeltes und der Kinderzulage, die ihm für den Monat der Auszahlung zustehen. (...)
§ 28a. (1) Der Vertragsbedienstete hat Anspruch auf eine Entschädigung, wenn das Dienstverhältnis nach dem Entstehen des Urlaubsanspruches, jedoch vor Verbrauch des Erholungsurlaubes endet (Urlaubsentschädigung).
(2) Die Urlaubsentschädigung gebührt in der Höhe jenes Teiles des Monatsentgeltes und der Kinderzulage, der dem Vertragsbediensteten während des Erholungsurlaubes zugekommen wäre, wenn er diesen in dem Kalenderjahr verbraucht hätte, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist.
(3) ... ."
Für einen Arbeitnehmer, auf den das Urlaubsgesetz 1976 (UrlG) anzuwenden ist, zählen zum Urlaubsentgelt iSd § 6 UrlG auch die nach dem Gesetz, nach einem Kollektivvertrag oder kraft einzelvertraglicher Regelung gebührenden Sonderzahlungen, auch wenn sie im Regelfall des Urlaubsverbrauches während des aufrechten Arbeitsverhältnisses zum Teil nicht schon beim Urlaubsantritt, sondern, wie etwa die Weihnachtsremuneration, regelmäßig erst später fällig werden. Nach ständiger (auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 4 Ob 104/78 ua., zurückgehender) arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung sind demgemäß in die Urlaubsentschädigung nach § 9 Urlaubsgesetz und in die Urlaubsabfindung nach § 10 Urlaubsgesetz (in ihren jeweils zeitraumbezogen anzuwendenden Fassungen) die Sonderzahlungen (aliquot) einzubeziehen. Das hier anzuwendende VBG kennt hingegen keine Bestimmung, die (wie § 6 UrlG) die Höhe des Urlaubsentgelts nach dem Ausfallsprinzip ausdrücklich regelt oder die (wie §§ 9 und 10 UrlG) zur Festlegung der Höhe der Urlaubsentschädigung bzw. der Urlaubsabfindung auf dieses Urlaubsentgelt verweist. § 28a Abs. 2 VBG normiert vielmehr als Bemessungsbasis der "Entschädigung für den Erholungsurlaub" das (in § 8a Abs. 1 VBG genannte, Sonderzahlungen iSd Abs. 2 leg. cit. daher nicht umfassende) Monatsentgelt und die (in § 8a Abs. 2 VBG neben der Sonderzahlung genannte) Kinderzulage, die für den Zeitraum des gesamten Erholungsurlaubes dieses Kalenderjahres gebühren würden. Soweit Ansprüche nach dem Monatsentgelt zu bemessen sind (wie eben nach § 28a Abs. 2 VBG), sind diesem die in § 8a Abs. 1 zweiter Satz VBG genannten Zulagen, nicht jedoch (aliquote) Sonderzahlungen, die nach § 8a Abs. 2 VBG "außer dem Monatsentgelt" gebühren, zuzuzählen. Hätte der Gesetzgeber bei Vertragsbediensteten in die Bemessungsgrundlage der Urlaubsentschädigung oder der Urlaubsabfindung auch (aliquote) Sonderzahlungen einbeziehen wollen, so hätte er diesen Bestandteil der Bezüge - ebenso wie er dies hinsichtlich der in § 8a Abs. 2 genannten Kinderzulage getan hat - ausdrücklich in den § 28a Abs. 2 VBG aufnehmen müssen. (Vgl. zum spezifischen Begriff des "Monatsentgeltes" nach dem VBG, der nicht als ein die gesamte Entlohnung umfassender Oberbegriff aufzufassen ist, sowie zur Bildung einer eigenen Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Abfertigung, in die Sonderzahlungen ebenfalls nicht einbezogen werden, auch das Zl. 9 ObA 343/98a). Dass die Berechnung der Urlaubsentschädigung bzw. der Urlaubsabfindung im Vertragsbedienstetengesetz 1948 insoweit nicht auf den Grundsätzen des so genannten "Ausfallsprinzips" beruht, findet seine Bestätigung im Übrigen auch im Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , Zl. 9 ObA 275/01h, in dem (zur entsprechenden Regelung des § 33a Abs. 2 des Niederösterreichischen Gemeindevertragsbedienstetengesetzes) ausgesprochen wurde, dass Überstundenentgelte für die Bemessung der Urlaubsentschädigung nicht zu berücksichtigen sind. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der betroffenen Dienstnehmer kann darin nicht erblickt werden (vgl. nochmals das Urteil des Obersten Gerichtshofes 9 ObA 275/01h).
Soweit die Beschwerdeführerin darauf verweist, dass das (gesamte) Recht der "Ersatzansprüche" im Zusammenhang mit der Gewährung von Urlaubsentschädigungen vom (uneingeschränkten) "Ausfallsprinzip" geprägt sein müsse, ist ihr zu entgegnen, dass sich der vom Schrifttum und der Judikatur "Ausfallsprinzip" genannte Grundsatz nicht in erster Linie auf nicht verbrauchte Urlaube, sondern auf Arbeitsverhinderungen bezieht und zum Ausdruck bringt, dass der Arbeitnehmer auch außerhalb der Arbeitszeiten auf Grund eines Krankenstandes oder eines Urlaubs einkommensmäßig so gestellt werden soll, als hätte er die ausgefallene Arbeit tatsächlich erbracht, er also durch den Arbeitsausfall weder einen wirtschaftlichen Nachteil erleiden noch einen wirtschaftlichen Vorteil erringen soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/08/0239). Da es sich bei der Urlaubsentschädigung bzw. Urlaubsabfindung im Gegensatz dazu um völlig eigenständig geregelte Ersatzansprüche für nicht verbrauchten Urlaub handelt, spielen die dem "Ausfallsprinzip" zu Grunde liegenden Motive keine bestimmende Rolle. In Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der oben zitierten Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 besteht kein Spielraum dafür, diese - nach einem von der Beschwerdeführerin vermuteten historischen Willen des Gesetzgebers - im Sinne einer Einrechnung der Sonderzahlungen in die Bemessungsgrundlage zu interpretieren.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit
der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Partei war kein Aufwandersatz zuzusprechen.
Wien, am