VwGH vom 20.04.1995, 92/13/0262
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Präsidenten der FLD für Wien, NÖ und Bgld, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld (Berufungssenat V) vom , Zl. 6/3-3288/92-02, betreffend Einkommensteuer 1990 des mitbeteiligten W in X, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte veräußerte im Jahr 1989 eine im Jahr 1982 um S 683.434,-- zuzüglich Nebenkosten erworbene Eigentumswohnung um S 950.000,--. Der Kauf war seinerzeit mit Fremdmitteln finanziert worden.
Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich darüber, ob bei Ermittlung der Einkünfte aus diesem Spekulationsgeschäft im Sinne des § 30 EStG 1988 die Finanzierungskosten als Werbungskosten zu berücksichtigen sind - diese Auffassung liegt dem angefochtenen Bescheid zugrunde - oder ob dies nicht der Fall ist (Auffassung des beschwerdeführenden Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland).
In der Präsidentenbeschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit der Frage, ob Fremdkapitalzinsen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Gebäudes (einer Eigentumswohnung) als Aufwand erwachsen sind, bei späterer Veräußerung des Gebäudes und der darauf zurückzuführenden Ermittlung eines Spekulationsgeschäftes im Sinne des § 30 EStG 1988 Werbungskosten darstellen, haben sich sowohl der Verwaltungsgerichtshof als auch der Verfassungsgerichtshof befaßt. Beide Gerichtshöfe sind zu dem Ergebnis gelangt, daß die Berücksichtigung von Fremdkapitalzinsen als Werbungskosten geboten ist (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 93/14/0124 und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1297/93-7).
Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsansicht damit begründet, daß die allgemeine Vorschrift des § 16 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988, der zufolge Schuldzinsen als Werbungskosten abzugsfähig sind, soweit sie mit einer Einkunftsart im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, auch für Spekulationsgeschäfte heranzuziehen sei. Dem stehe auch der Umstand nicht entgegen, daß solche Zinsen regelmäßig bereits in Jahren geleistet wurden, die dem Jahr der Veräußerung vorangegangen sind. Die Regelung des § 30 Abs. 4 EStG 1988 (wonach bei Ermittlung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften unter anderem ausdrücklich auch Instandsetzungsaufwendungen der Vorjahre zu berücksichtigen sind) sei nämlich eine eigenständige, das Abflußprinzip des § 19 Abs. 2 EStG 1988 durchbrechende Vorschrift. Fremdmittelzinsen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einkünften im Sinne des § 30 leg. cit. stünden, seien daher unabhängig davon, daß sie in vorangegangenen Jahren bezahlt worden seien, im Jahr der steuerlichen Erfassung des Spekulationsgeschäftes als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Der beschwerdeführende Präsident bezieht sich zur Untermauerung seiner gegenteiligen Rechtsansicht auf die frühere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 83/14/0266), wonach nur die unmittelbar durch das Veräußerungsgeschäft verursachten Aufwendungen Werbungskosten seien. § 30 Abs. 4 EStG 1988 hat jedoch demgegenüber, wie bereits dargelegt, einen anderen Regelungsinhalt, wobei der Gerichtshof auch darauf hingewiesen hat, daß § 30 EStG 1988 "eine gewisse Angleichung der Ermittlung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften an die Regelung im betrieblichen Bereich" erkennen lasse. Bezüglich der näheren Begründung wird auf das oben zitierte Erkenntnis vom verwiesen.
Da somit der angefochtene Bescheid nicht mit der vom beschwerdeführenden Präsidenten geltend gemachten inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.