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VwGH vom 22.03.1995, 92/13/0187

VwGH vom 22.03.1995, 92/13/0187

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. J in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ GA 8-1187/12-1992, betreffend Einheitswert des Grundvermögens zum , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zu dem dem Beschwerdefall zugrunde liegenden Sachverhalt wird auf das Vorerkenntnis vom , 90/15/0155, hingewiesen. In diesem Verfahren war strittig, ob die belangte Behörde bei Ermittlung des gemeinen Wertes des in Rede stehenden Grundstückes zur Wertableitung geeignete - nämlich insgesamt zehn - Grundstücke herangezogen und aus den Vergleichspreisen zutreffend den Vergleichswert von S 700,-- ermittelt hatte. Nach dem Vorerkenntnis begründete schon die Bedachtnahme der belangten Behörde auf in größerer zeitlicher Entfernung zum Feststellungszeitpunkt liegende Verkaufsfälle ohne Auseinandersetzung mit der Wertentwicklung bzw. die Bedachtnahme auf einen Verkaufsfall, der wegen zu großer zeitlicher Entfernung zum Feststellungszeitpunkt zur Wertableitung keinesfalls geeignet war, einen Verfahrensmangel. Überdies seien stichhaltige Gründe dafür, die Vergleichsgrundstücke 1 bis 3 (und die bei ihrer Veräußerung erzielten, weit unter dem von der belangten Behörde ermittelten gemeinen Wert von S 700,-- liegenden Kaufpreise) wegen "mangelnder Verbaubarkeit" nicht in die Vergleichsgrundlage einzubeziehen, nicht ersichtlich. Die belangte Behörde habe weiters selbst eingeräumt, daß das zu bewertende Grundstück infolge seines Grundrisses weniger für eine Verbauung geeignet sei als solche Grundstücke, die die quadratische oder rechteckige "Idealform" eines Bauplatzes aufweisen. Der (damals angefochtene) Bescheid lasse jedoch nicht erkennen, daß diesem Umstand durch einen Abschlag vom Vergleichspreis solcher Grundstücke, die die "Idealform" aufweisen, oder durch eine Annäherung an den Vergleichspreis von Grundstücken, deren Grundriß ebenfalls ungünstig ist, Rechnung getragen worden wäre.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom , GZ GA 8-1187/12-1992, wies die belangte Behörde die Berufung ab und stellte den Einheitswert zum mit S 190.000,-- fest. Nach den Entscheidungsgründen seien folgende Kauffälle für die Ableitung des gemeinen Wertes des streitgegenständlichen Grundstückes geeignet:

EZ Lage- Grdst.Nr.Flächen- Datum des S/m2 Anmerkungen

adresse ausmaß Kaufvertr.

--------------------------------------------------------------------

1. 819 F-Gasse 17 1065 664 m2 451,-- s.schmal,

Breite ca.9m

2. 618 J-Gasse 51 895 678 m2 442,-- s.schmal,

1409/19 Breite 8-12m

388

3. 517 H-Straße 1296/1, 651 m2 414,-- s.schmal

47 1296/2, Breite ca.7m

203

valorisierter fiktiver Kaufpreis mind. 450,--

7. 1635 D-Gasse 3 2044 994 m2 750,-- Eckgrdst.

ca.66m

Straßenfront

8. 2346 D-Gasse 1A 2045 524 m2 800,-- kein

Eckgrdst.

9. 944 S-Gasse 17 2728 539 m2 835,--

10. 780 K-Straße 1412/12 711 m2 527,-- Breite

14 ca.11-18m

valorisierter fiktiver Kaufpreis mind. 580,--

Die weiters dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin bekanntgegebenen Kauffälle Nr. 4, 5 und 6 seien hingegen für die Ableitung des gemeinen Wertes als ungeeignet anzusehen. Beim Kaufvertrag Nr. 4, der zwischen Eltern und Kindern abgeschlossen worden war, könne "ein persönliches Interesse" nicht ausgeschlossen werden. Beim Kauffall Nr. 5 liege der Kaufpreis weit über dem Preisniveau der Gegend, sodaß ungewöhnliche oder persönliche Umstände nicht auszuschließen seien. Kauffall Nr. 6 komme wegen seines zeitlichen Abstandes von nahezu sechs Jahren nicht in Betracht.

Sämtliche Grundstücke seien laut Flächenwidmungsplan als Bauland-Wohngebiet Bauklasse 1 ausgewiesen; außerdem seien alle Vergleichsgrundstücke von der Beschränkung der Gebäudehöhe mit 7,5 m, das streitgegenständliche Grundstück jedoch von einer solchen von 6,5 m betroffen, was sich aber nach allgemeiner Erfahrung auf die Preisbildung nicht auswirke. Sämtliche Vergleichsgrundstücke lägen in der näheren Umgebung der streitgegenständlichen Liegenschaft. Das Grundstück Nr. 9 weise die günstigste Form für eine Bebauung auf, während alle anderen Vergleichsgrundstücke - wie auch das streitgegenständliche - von einer Idealform mehr oder weniger stark abwichen.

Sämtliche Vergleichsgrundstücke lägen in der näheren Umgebung der streitgegenständlichen Liegenschaft. Alle Vergleichsgrundstücke und die streitgegenständliche Liegenschaft seien mit öffentlichen Verkehrsmitteln annähernd gleich gut zu erreichen. Es sei nicht zutreffend, daß sämtliche Vergleichsgrundstücke eine bessere Nahversorgung hätten.

Zu den einzelnen Vergleichsgrundstücken seien folgende Umstände berücksichtigt worden:

Auf dem Vergleichgrundstück Nr. 1 (Kaufvertrag 1973) habe sich ein kleines Haus, Baujahr 1935, mit einer verbauten Fläche von 51 m2 befunden. Laut Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom sei ein Zubau erfolgt. Es bestehe die Verpflichtung zur Herstellung eines Gehsteiges.

Auf dem Vergleichsgrundstück Nr. 2 (Kaufvertrag 1972) habe sich ein Sommerhaus, Baujahr 1923, mit einer verbauten Fläche von ca. 15 m2 befunden.

Auf dem Vergleichsgrundstück Nr. 3 (Kaufvertrag 1970) habe sich ein "Siedlungshaus", Baujahr 1922, mit einer bebauten Fläche von 54 m2, befunden. Es bestehe ein Abbruchsbescheid aus dem Jahre 1971. Die neuen Eigentümer seien laut Bescheid vom zur Gehsteigherstellung verpflichtet.

Die Übergabe des Vergleichsgrundstückes Nr. 7

(Kaufvertrag 1974) sei laut Kaufvertrag ohne Zubehör erfolgt. Für das Grundstück sei keine Baubewilligung erteilt worden.

Das Vergleichsgrundstück Nr. 8 (Kaufvertrag 1974) sei im Zeitpunkt des Kaufvertrages unbebaut gewesen. Laut Baubewilligung vom bestehe die Verpflichtung zur Errichtung eines Gehsteiges.

Das Vergleichsgrundstück Nr. 9 (Kaufvertrag 1974) sei im Zeitpunkt des Kaufvertrages unbebaut gewesen. Laut Baubewilligung vom bestehe die Verpflichtung zur Errichtung eines Gehsteiges.

Auf dem Vergleichsgrundstück Nr. 10 (Kaufvertrag 1971) habe sich ein Ziegelbau aus dem Jahre 1921 mit einer bebauten Fläche von 24 m2 befunden. Das Gebäude sei im Zuge eines Neubaus 1973 oder 1974 abgetragen worden. Laut Baubewilligung vom sei bis zur Erteilung der Benützungsbewilligung ein Gehsteig herzustellen.

Die Vergleichsgrundstücke 1, 2, 3 und 10 hätten somit eine mit dem streitgegenständlichen Grundstück vergleichbare Bebauung aufgewiesen. Mit Ausnahme des Vergleichsgrundstückes Nr. 1 seien die Gebäude im Zuge eines Neubaues abzutragen gewesen. Die abzutragenden Gebäude seien nicht als werterhöhend zu betrachten; sie stellten vielmehr eine Last dar. Der Umstand, daß die Vergleichgrundstücke Nr. 7, 8 und 9 im Zeitpunkt des Kaufvertrages unbebaut gewesen seien und eine idealere Bauplatzform als die Vergleichsgrundstücke 1 - 3 aufwiesen, bewirkte für die erstgenannten Grundstücke eine deutliche Preiserhöhung.

Die belangte Behörde maß bei der Ermittlung des gemeinen Wertes den Vergleichsfällen Nr. 1, 2, 3 und 10 die meiste Bedeutung bei. Alle diese Grundstücke lägen in nächster Nähe des streitgegenständlichen Grundstückes und wiesen die gleichen Verhältnisse bezüglich Bebauung im Zeitpunkt des Kaufvertrages, Nahversorgung, öffentlichen Verkehrsmittel, Beeinträchtigung durch Luftstraßen u.ä. auf. Zusammenfassend wurde festgestellt, die billigsten Grundstücke in der Umgebung des streitgegenständlichen Grundstückes seien zum Hauptfeststellungszeitpunkt um S 450,--/m2 gehandelt worden. Das in Rede stehende Grundstück sei aufgrund seiner trapezförmigen, auf einer Seite sehr schmalen Form den weniger teuren Grundstücken zuzuordnen, welche zumindest einen Kaufpreis von S 450,--/m2 erzielen konnten. Dabei seien allerdings noch die erhöhten Gehsteigkosten zu berücksichtigen. Beim Vergleich mit den Grundstücken Nr. 7 und 8 komme die überdurchschnittliche Belastung infolge der langen Straßenfront in einem um S 50,--/m2 geringeren Bodenpreis zum Ausdruck. Unter Berücksichtigung eines derartigen Abschlages ergebe das einen gemeinen Wert des Grund und Bodens von S 400,--/m2.

In der Beschwerde gegen den Ersatzbescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie unter anderem auch im Vorerkenntnis 90/15/0155 festgestellt wurde, handelt es sich beim gemeinen Wert im Sinne des § 10 BewG um eine fiktive Größe, die mit Hilfe der Preisschätzung zu ermitteln ist. Bei einer solchen Schätzung kommen auch die Grundsätze des § 184 BAO zur Anwendung. Einer solchen Schätzung haftet dabei stets ein gewisses Maß an Ungenauigkeit an, die auch bei strengster Einhaltung der Verfahrensvorschriften und bei Heranziehung sachangemessener Schätzungsmethoden nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1914). Bei einer derartigen Ermittlung des gemeinen Wertes im Wege der Preisschätzung ist insbesondere erforderlich, daß das Ergebnis der von der Behörde durchgeführten Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens in Einklang steht und die Sachverhaltsannahmen der Behörde in einem von wesentlichen Mängeln freien Verfahren gewonnen wurden.

Wie im Vorerkenntnis mit weiteren Hinweisen festgestellt wurde, wird die brauchbarste Methode für die Feststellung des gemeinen Wertes eines Grundstückes der Vergleich mit tatsächlich in zeitlicher Nähe zum Feststellungszeitpunkt erfolgten Kaufgeschäften sein. Bei einer solchen Methode ist aber für eine zusätzliche Berücksichtigung der Geldentwertung entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kein Raum.

Der Beschwerdeführer wendet sich in der Beschwerde weiters deswegen gegen die Heranziehung der Vergleichsgrundstücke 1, 7 8 und 9, weil diese Veräußerungsvorgänge nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt erfolgten. Damit übersieht er, daß die Berücksichtigung derartiger Verkäufe im Vorerkenntnis ausdrücklich als für die Ermittlung des gemeinen Wertes geeignet angesehen wurden. An die zugrundeliegende Auffassung, daß auch nach dem Feststellungszeitpunkt erfolgte Vorgänge für die Wertableitung geeignet sind, sind aber sowohl die belangte Behörde als auch der Verwaltungsgerichtshof selbst im Sinne des § 63 VwGG gebunden.

Soweit in der Beschwerde in diesem Zusammenhang die Behauptung aufgestellt wird, in dem in Rede stehenden Gebiet seien die Einheitswerte zum mit "S 200,--/m2 und darunter" festgestellt worden, ist dem entgegenzuhalten, daß die Partei selbst aus einer rechtswidrigen Vorgangsweise der Behörde in anderen Fällen keine Rechte für sich ableiten kann (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 114, Rz 4, und die dort wiedergegebene Rechtsprechung).

Die belangte Behörde hat im nunmehr angefochtenen Bescheid die von ihr berücksichtigten Faktoren der Preisermittlung eingehend dargestellt. Der Vorwurf, es sei nicht berücksichtigt worden, daß die jeweils erzielten Quadratmeterpreise um viele Faktoren zu bereinigen seien, besteht daher nicht zu Recht. Insbesondere hat sich die belangte Behörde eingehend mit dem Umstand auseinandergesetzt, daß die Vergleichsgrundstücke im Zeitpunkt der Kaufgeschäfte einen Bestand an älteren Gebäuden aufwiesen. Die Folgerung der Behörde, daß sich diese Gebäude nicht werterhöhend für das Grundstück auswirkten, vielmehr das Grundstück mit den Abbruchkosten belastet war, entspricht dabei den Denkgesetzen. Ob die in Rede stehenden Altgebäude bei zwei der Vergleichsgrundstücke im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerdeschrift noch bestanden, war dabei nicht von Bedeutung.

Mit der Bebaubarkeit der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid eingehend befaßt. Aus den Vergleichsgrundstücken zog sie dabei den Schluß, daß die Unterschiede in der Bebauungsweise (offen, Gruppenbauweise, offene oder gekoppelte Bauweise) der Vergleichsgrundstücke keinen wesentlichen Einfluß auf den erzielten Preis erkennen ließen. Im übrigen erscheinen mit der von der belangten Behörde vorgenommenen Schätzung eines gemeinen Wertes, der am untersten Ende der in den Vergleichsfällen erzielten Preise gelegen ist, den Einwendungen über eine schlechtere Bebaubarkeit ausreichend Rechnung getragen zu sein. Das in diesem Zusammenhang erhobene Vorbringen, die streitgegenständliche Liegenschaft sei für ein Einfamilienhaus nicht ausreichend, ist dabei nicht verständlich: Nach dem Inhalt der Akten - insbesondere der vom Beschwerdeführer am eingereichten Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes bebauter Grundstücke - wurde im Jahre 1989 auf dem Grundstück ein zweigeschoßiges Einfamilienhaus mit einer Garage errichtet.

Auch die umfangreichen Ausführungen der Beschwerde über die genauen Entfernungen von den Vergleichsgrundstücken zu den einzelnen Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel sind nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Der Umstand allein, daß die streitgegenständliche Liegenschaft um rund 200 m weiter von der nächsten Haltestelle entfernt ist als die meisten der Vergleichsgrundstücke, vermag den Wert der Liegenschaft nach der Lebenserfahrung nicht in einem nennenswerten Ausmaß zu beeinflussen. Mit den Einwendungen des Beschwerdeführers über die Nahversorgung der Vergleichsgrundstücke hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausreichend auseinandergesetzt. Welchen Einfluß dieser Umstand auf die konkrete Schätzung des gemeinen Wertes hätte haben können, wurde überdies vom Beschwerdeführer nicht näher dargestellt.

Soweit der Beschwerdeführer ausführt, das Gebiet um den N-Wald gelte seit Menschengedenken als "vornehmes teures Villenviertel", während die "F-Stadt" als das Viertel der mittellosen Kriegsveteranen gegolten habe, so ist ihm entgegenzuhalten, daß derartige Umstände ja durch die Bedachtnahme auf die Vergleichsvorgänge Berücksichtigung gefunden haben.

Die Behauptung, der Wert der am Rande des Wiener Waldes im Westen Wiens gelegene Grundstücke sei durch Fluglärm beeinträchtigt, widerspricht schließlich der Lebenserfahrung. Die Rüge einer Verletzung des Parteiengehörs zeigt eine Behinderung des Beschwerdeführers in der Verfolgung seiner Rechte nicht nachvollziehbar auf.

Die von der belangten Behörde vorgenommene Schätzung des gemeinen Wertes entspricht somit den Denkgesetzen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.