VwGH vom 16.12.1993, 88/16/0235
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Steiner, Dr. Fellner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GA 11 - 1351/3/88, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Erbschaftssteuer sowie Festsetzung dieser Abgabe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am verstorbene Erna H hatte in ihrem am errichteten Testament ihren Bruder, Erich M, zum alleinigen Erben bestimmt. Erich M gab am zum Nachlaß der Erna H eine unbedingte Erbserklärung ab, worauf ihm mit Beschluß des zuständigen Bezirksgerichtes vom selben Tag die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft hinsichtlich einiger sich in dieser befindlicher Vermögenswerte (ein Girokonto, drei Sparbücher) übertragen wurde. Am erstellte Erich M ein Eidesstättiges Vermögensbekenntnis, in dem der Reinnachlaß mit rund 454.000 S bewertet wurde.
Am verstarb auch Erich M. In dem von ihm am errichteten Testament hatte er die Beschwerdeführerin zur alleinigen Erbin bestimmt. Die Beschwerdeführerin gab am zum Nachlaß des Erich M eine bedingte Erbserklärung ab, worauf der als Gerichtsabgeordneter bestellte Notar am ein Inventar mit einem Reinnachlaß von rund 59.000 S erstellte. Unter den Aktiva wurde bloß ein der Nummer nach bestimmtes Sparbuch (in der Folge: Sparbuch) aus der Verlassenschaft nach Erna H, dessen Besorgung und Verwaltung Erich M NICHT übertragen worden war, mit einem um rund 3.000 S höheren Einlagestand als im von Erich M am erstellten Eidesstättigen Vermögensbekenntnis angegebenen Wert angeführt. Mit Beschlüssen des zuständigen Bezirksgerichtes vom wurde der Reinnachlaß zu Gericht angenommen und der Nachlaß nach Erich M zur Gänze der Beschwerdeführerin eingeantwortet.
Mit Beschlüssen des zuständigen Bezirksgerichtes vom wurde das Eidesstättige Vermögensbekenntnis nach Erna H zu Gericht angenommen und der Nachlaß nach Erna H der Beschwerdeführerin in ihrer Stellung als eingeantwortete Alleinerbin nach Erich M zur Gänze eingeantwortet.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der Beschwerdeführerin für den Erwerb von Todes wegen nach Erich M, ausgehend von einem Reinnachlaß von rund 59.000 S, Erbschaftssteuer fest.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin des Erich M für den Erwerb von Todes wegen durch Erich M nach Erna H, ausgehend von einem Reinnachlaß von rund 454.000 S, Erbschaftssteuer fest.
Auf Grund eines Schreibens vom , in dem die Beschwerdeführerin "höflichst ersucht, Gnade vor Recht ergehen zu lassen" und "die Bescheide vom sowie vom neu zu bearbeiten", der Ermittlungen des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde erster Instanz und der Einsichtnahme in den Gerichtsakt betreffend die Verlassenschaft nach Erna H, gelangte das Finanzamt zur Ansicht, der Bescheid vom entspreche insofern nicht der Rechtslage, als in diesem nur der Reinnachlaß nach Erich M, nicht jedoch der ebenfalls von der Beschwerdeführerin im Weg der Transmission erworbene Reinnachlaß nach Erna H der Erbschaftssteuer unterzogen worden sei. Das Finanzamt verfügte daher mit Bescheid vom die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom abgeschlossenen Erbschaftssteuerverfahrens und erließ unter einem eine neue Sachentscheidung, in der es für den Erwerb von Todes wegen nach Erich M, ausgehend von Reinnachlässen von rund 454.000 S und rund 59.000 S Erbschaftssteuer festsetzte.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist im wesentlichen strittig, ob die Abgabenbehörde an den vom zuständigen Bezirksgericht mit Beschluß vom angenommenen Wert des Reinnachlasses von rund 59.000 S in der Verlassenschaft nach Erich M bei der Festsetzung der Erbschaftssteuer gebunden ist und somit mangels Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel eine Wiederaufnahme des mit Bescheid vom abgeschlossenen Erbschaftssteuerverfahrens unzulässig ist (Ansicht der Beschwerdeführerin), oder ob eine Bindung deswegen nicht gegeben ist, weil der Wert des Reinnachlasses im Streitfall nicht von Amts wegen festgestellt worden ist (vgl § 92 AußStrG), wobei eine Änderung dieses Wertes jederzeit vorgenommen werden kann (vgl § 179 AußStrG), und somit erst nach Erlassung des Bescheides vom die Tatsache neu hervorgekommen ist, daß für den Erwerb von Todes wegen nach Erich M von einem zu geringen Reinnachlaß ausgegangen worden ist, weswegen nicht nur der Wert des Reinnachlasses in der Verlassenschaft nach Erich M, sondern auch der nach Erna H im Sinn der Ausführungen des Finanzamtes als Besteuerungsgrundlage für die Erbschaftssteuer heranzuziehen ist (Ansicht der belangten Behörde).
Gegen den im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unbestritten ist, daß
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1. | zwei Erwerbe von Todes wegen zu besteuern gewesen sind, | |||||||||
2. | Erich M zwar noch eine Erbserklärung nach Erna H abgegeben hat, dann aber verstarb und das Erbrecht auf die Beschwerdeführerin als seine testamentarische Erbin überging (Transmission im weiteren Sinn; vgl Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 59), weil nach Einantwortung des Nachlasses nach Erich M auch der Nachlaß nach Erna H eingeantwortet wurde (vgl Ehrenzweig-Kralik, aaO 58), | |||||||||
3. | in dem vom zuständigen Bezirksgericht mit Beschluß vom angenommenen Eidesstättigen Vermögensbekenntnis der Wert des Reinnachlasses in der Verlassenschaft nach Erich M unrichtig ausgewiesen ist und | |||||||||
4. | die Steuerschuld bei Erwerb von Todes wegen mit dem Tod des des Erblassers entsteht, falls eine (gültige) Erbserklärung abgegeben wird. |
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, ist die Abgabenbehörde mit Ausnahmen wie Erbschaftskauf oder Erbschaftsschenkung an die im Abhandlungsverfahren abgegebenen, vom Gericht angenommenen und den rechtskräftigen EINANTWORTUNGSURKUNDEN zugrunde gelegten Erbserklärungen gebunden (vgl das hg Erkenntnis vom , 88/16/0128, mwA). Die Beschwerdeführerin befindet sich jedoch - wie die belangte Behörde zu Recht ausführt - in einem Rechtsirrtum, wenn sie meint, die Abgabenbehörde sei auch hinsichtlich des Wertes des Reinnachlasses an den Beschluß des Gerichtes gebunden. Abgesehen davon, daß im vorliegenden Fall das zuständige Bezirksgericht am sowohl einen Beschluß, mit dem das Eidesstättige Vermögensbekenntnis zu Gericht angenommen wird, als auch die Einantwortungsurkunde, somit zwei völlig getrennte Beschlüsse erlassen hat, ist die Abgabenbehörde an die in einem Inventar ausgewiesenen Werte im Sinn des § 116 Abs 2 BAO schon deswegen überhaupt nicht gebunden, weil es sich hiebei nicht um eine der Rechtskraft fähige Entscheidung handelt (vgl Welser in Rummer I2, Rz 9 ff zu § 802 ABGB). Vielmehr hat die Abgabenbehörde den Wert des Reinnachlasses aus dem Gesichtswinkel des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung unter eigener Verantwortung zu beurteilen (vgl Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, 277). Daß der nunmehr zum Ansatz gebrachte Wert des Reinnachlasses nach Erna H nicht den Tatsachen entspräche, hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht behauptet.
Da somit die Abgabenbehörde an den vom zuständigen Bezirksgericht angenommenen Wert des Reinnachlasses nach Erna H nicht gebunden ist, das Finanzamt vor Erlassung des Bescheides vom mangels Offenlegung durch die Beschwerdeführerin noch keine Kenntnis vom tatsächlichen Wert des Reinnachlasses hatte, diese Kenntnis vielmehr erst auf Grund des Schreibens der Beschwerdeführerin vom , der Ermittlungen als Finanzstrafbehörde erster Instanz und der Einsichtnahme in den Gerichtsakt betreffend die Verlassenschaft nach Erna H erlangt hat, erweist sich die Wiederaufnahme des Verfahrens als nicht rechtswidrig.
Wenn die Beschwerdeführerin mit den Ausführungen, "der Nachlaß nach Erna H ist Erich M bei Lebzeiten zugefallen, Erich M konnte auf Grund Gerichtsbeschlusses über diesen Nachlaß bereits verfügen", meinen sollte, sie hätte nicht über den gesamten Reinnachlaß nach Erna H verfügen können, ist ihr entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlage sowohl die von der Beschwerdeführerin auf Grund des Bescheides vom entrichtete Erbschaftssteuer als auch die Aufnahme des Sparbuches in beiden Reinnachlässen berücksichtigt hat. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren auch nicht behauptet, Erich M hätte auf Grund der ihm mit Beschluß des zuständigen Bezirksgerichtes vom eingeräumten Besorgung und Verwaltung von Teilen der Verlassenschaft nach Erna H Vermögen aus der Verlassenschaft verbraucht, weswegen der Erwerb durch Erbanfall nach Erich M geringer wäre, als von der belangten Behörde in freier Beweiswürdigung angenommen.
Was die Ausführungen der Beschwerdeführerin auf ein gegen sie eingeleitetes Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes, Erbschaftssteuer hinterzogen zu haben, betrifft, genügt es darauf hinzuweisen, daß der rechtskräftige Abschluß dieses Verfahrens nicht Voraussetzung dafür ist, das mit Bescheid vom abgeschlossene Erbschaftssteuerverfahren wieder aufzunehmen.
Mangels Einantwortung der Verlassenschaft nach Erna H an Erich M kann von einem "Zufallen" dieser Verlassenschaft an Erich M im Sinn der Ausführungen der Beschwerdeführerin keine Rede sein. Für die stattgefundene Transmission war allein entscheidend, daß das Erbrecht nach Erna H Erich M wirksam angefallen ist und er die Erbschaft angetreten hat. Daß die Beschwerdeführerin zur Verlassenschaft nach Erna H selbst keine Erbserklärung abgegeben hat, hindert die Besteuerung nicht, weil bereits von Erich M als Erblasser der Beschwerdeführerin eine derartige Erklärung abgegeben worden und die Beschwerdeführerin in ihrer Rechtsstellung als Erbin und somit Rechtsnachfolgerin des Erich M an diese Erklärung gebunden war (vgl Ehrenzweig-Kralik, aaO 59).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl Nr 104/1991.