VwGH vom 03.06.1992, 92/13/0127
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der S-GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom , GZ. 6/1-1027/92-14, betreffend Zurückweisung einer Berufung hinsichtlich einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb für 1984, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach Durchführung einer Betriebsprüfung erließ das Finanzamt an die Beschwerdeführerin Bescheide betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie Umsatz- und Gewerbesteuer für 1984 bis 1986. Vor Ablauf der Berufungsfrist für diese Bescheide brachte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin beim Finanzamt eine Eingabe folgenden Inhalts ein:
"Namens und auftrags unserer obgenannten Mandantschaft ersuchen wir um Rechtsmittelfristverlängerung zum Einbringen eines Rechtsmittels gegen die Bescheide Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1984 bis 1986 bis zum .
Die obgenannten Bescheide sind auf Grund einer Betriebsprüfung ergangen und da es sich hier um ein kompliziertes Rechtsproblem handelt und die dafür zur Verfügung stehende Zeit, auf Grund der Urlaubssaison relativ kurz war, ersuchen wir um Fristverlängerung zum Einbringen eines Rechtsmittels bis zum obgenannten Termin.
Mit der Bitte um Kenntnisnahme und antragsgemäße Erledigung verbleiben wir
mit vorzüglicher Hochachtung"
In der Folge wurde eine Berufung gegen die "einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1984 und den Gewerbesteuerbescheid 1984" eingebracht. Die Berufung gegen den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1984 wurde vom Finanzamt als verspätet zurückgewiesen.
Die Berufung gegen diesen Zurückweisungsbescheid wurde von der belangten Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat dabei die Auffassung, aus dem Text des Fristerstreckungsantrages ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, daß das Begehren um Fristerstreckung auch eine Berufung gegen die nach der Betriebsprüfung erlassenen Feststellungsbescheide umfasse.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin vertritt zunächst die Auffassung, daß weder der Fristerstreckungsantrag noch die Berufung den "Anforderungen des § 250 Abs. 1 BAO" genügt habe. In beiden Eingaben seien nämlich die Bescheide, auf die sich der Antrag bezog und gegen die sich die Berufung richtete, nicht bezeichnet worden. Gemäß § 275 BAO sei die Abgabenbehörde zur Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages verpflichtet. Dieser Verpflichtung sei die belangte Behörde nicht nachgekommen.
Abgesehen davon, daß die Bezeichnung der angefochtenen Bescheide in der gegenständlichen Berufungsschrift "einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1984 und Gewerbesteuerbescheid 1984" mit völliger Klarheit den Umfang der Anfechtung erkennen läßt, ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof allein die Rechtzeitigkeit der Berufung. Hinsichtlich des Fristerstreckungsantrags übersieht die Beschwerdeführerin in ihrer Argumentation, daß § 275 BAO ausschließlich die Behebung von Mängeln einer Berufung, nicht aber auch von anderen Eingaben regelt. Bei anderen Eingaben - wie z.B. einem Fristerstreckungsantrag - ist die Behörde nur zur Behebung von Formgebrechen und des Mangels der Unterschrift berechtigt und verpflichtet (vgl. § 85 Abs. 2 BAO). Hingegen werden im Gesetz an den Inhalt von Anbringen, sofern es sich nicht um Rechtsmittel handelt, keine besonderen Anforderungen gestellt. Demzufolge ist auch ein Verfahren zur Behebung inhaltlicher Mängel im Gesetz nicht vorgesehen, wenngleich die Behörde im Hinblick auf § 115 BAO gehalten ist, bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens die Absicht der Partei zu erforschen.
Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführerin ist aber der Inhalt des oben wörtlich wiedergegebenen Antrages um Erstreckung der Rechtsmittelfrist völlig eindeutig und bezieht sich in keiner Weise auf die nach der Betriebsprüfung erlassenen Bescheide betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften. Der Umstand, daß der sprachliche Ausdruck des Ansuchens mangelhaft ist, ändert nichts an der inhaltlichen Deutlichkeit des Antrages. Im übrigen kann aus dem Gesetz keineswegs abgeleitet werden, daß ein Bescheid vom Steuerpflichtigen jedenfalls "mit Datum, Geschäftszahl und erlassender Behörde" zu bezeichnen ist, zumal Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz zumindest im Bereich der hier in Rede stehenden wiederkehrend zu erhebenden Abgaben (vgl. § 213 Abs. 1 BAO) nicht individuell durch eine Geschäftszahl bezeichnet werden.
Bei der Beurteilung von Anbringen kommt es zwar nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischritts an (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, S. 618 und die dort zitierte Rechtsprechung). Bei einem eindeutigem Inhalt des Anbringens kommt es aber auf eine davon abweichende, nach außen auch andeutungsweise nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht an. Der Beschwerdeführerin kann auch darin nicht gefolgt werden, wenn sie meint, aus dem Umstand, daß der Gewerbesteuerbescheid 1984 im Zeitpunkt des Ansuchens noch nicht erlassen worden war, sei auf die Absicht zu schließen, alle nach der Betriebsprüfung erlassenen Bescheide zu bekämpfen. Im übrigen steht der Erhebung einer Berufung nicht entgegen, daß der anzufechtende Bescheid noch nicht erlassen worden ist (vgl. § 273 Abs. 2 BAO).
Schließlich ist auch die Rüge der Beschwerdeführerin, im Spruch des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde sei der mit dem Rechtsmittel der Berufung bekämpfte Bescheid (der Abgabenbehörde erster Instanz) nicht genannt, unzutreffend. Mit der Bezeichnung "Bescheid des Finanzamtes X, StNr. Y, betreffend Zurückweisung der Berufung gegen den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb für 1984" ist dem Konkretisierungsgebot entsprochen. Im übrigen kann entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin auch die Begründung des Bescheides zur Auslegung eines unklaren Spruches herangezogen werden (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 11143/A).
Soweit die Beschwerdeführerin schließlich behauptet, in dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein, ist ihr entgegenzuhalten, daß insoweit eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist (vgl. Art. 133 Z. 1 in Verbindung mit Art. 144 Abs. 1 B-VG).
Konkrete Verfahrensmängel wurden von der Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt. Die Prüfung des angefochtenen Bescheides hat eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, nicht ergeben.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen (§ 35 Abs. 1 VwGG).