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VwGH vom 10.05.1995, 92/13/0125

VwGH vom 10.05.1995, 92/13/0125

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7 - 662/91, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat im Jahr 1979 einen sogenannten "Hausanteilschein" erworben. Dabei handelte es sich um eine treuhändig gehaltene unechte stille Beteiligung (Einlage S 100.000,--) an einer GmbH & Co KG, die als "Hotelgesellschaft" Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärte.

Die Abgabenbehörde beurteilte die Einkünfte der KG in der Folge als solche aus Vermietung und Verpachtung, wodurch sich ein Betriebsaufgabegewinn ergab, der in einem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1986 festgestellt und anteilig der Beschwerdeführerin zugerechnet wurde. Der Feststellungsbescheid erwuchs in Rechtskraft.

Da eine von der Beschwerdeführerin gegen den Einkommensteuerbescheid 1986 erhobene Berufung unter Hinweis auf § 252 BAO erfolglos blieb, ersuchte die Beschwerdeführerin um Nachsicht des entsprechenden Steuerbetrages (S 13.534,--). Sie habe darauf vertraut, eine besonders sichere Geldanlage zu tätigen. Nun habe sich aber herausgestellt, daß sie ihre Einlage abschreiben müsse, weil über das Vermögen der Initiatoren der Hausanteilscheine bzw. über das Vermögen ihrer Gesellschaften das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Auch die Vorschreibung von Einkommensteuer für einen anteiligen Betriebsaufgabegewinn sei auf ein "Fehlverhalten" der Organisatoren zurückzuführen, auf das die Beschwerdeführerin "überhaupt keinen Einfluß nehmen konnte".

Das Finanzamt wies den Antrag ab. Der eingetretene Vermögensverlust mache die Einhebung der Abgaben nicht unbillig und der Umstand, daß es verabsäumt worden sei, den Feststellungsbescheid mit Berufung zu bekämpfen, könne nicht im Wege einer Nachsicht saniert werden.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und brachte ergänzend vor, der Verlust ihres "Abschichtungsguthabens" sei laut parlamentarischer Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers für Finanzen vom als "nachträgliche Verluste im Sinne des § 32 Z. 2 EStG 1988 steuerlich zu berücksichtigen".

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab, begründete dies im wesentlichen analog zum erstinstanzlichen Bescheid und wies zusätzlich darauf hin, daß die Frage, ob der Verlust des Abschichtungsguthabens als nachträglicher Verlust im Sinne des § 32 Z. 2 EStG 1988 zu beurteilen sei, für das Nachsichtsansuchen ohne Relevanz sei.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über ihre Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei sie kurz auf ihr bisheriges Vorbringen verwies.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die belangte Behörde hat die Unbilligkeit der Einhebung verneint und daher (ohne eine Ermessensentscheidung zu treffen) das Nachsichtsansuchen aus rechtlichen Gründen abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin stellt den Vermögensverlust ("praktisch meine gesamten Ersparnisse"), der ihr durch den Konkurs der Initiatoren des Vermögensanlageprojektes erwachsen ist, in den Mittelpunkt jener Erwägungen, die ihrer Ansicht nach für die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung sprechen. Sie übersieht dabei, daß ein Vermögensverlust für sich allein keinen Grund für eine Abgabennachsicht darstellt. Dabei ist es unerheblich, ob der Verlust durch einen Schicksalsschlag oder durch (grobes) menschliches Fehlverhalten herbeigeführt wurde und ob mit ihm gerechnet werden konnte, oder ob er völlig unerwartet eingetreten ist. Eine Abgabennachsicht dient nämlich nicht dazu, einen außersteuerlich erlittenen wirtschaftlichen Nachteil ganz oder teilweise auszugleichen. Nur dann, wenn sich durch die Vermögenseinbuße oder durch andere Ereignisse die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Abgabepflichtigen derart verschlechtern, daß ihm die Entrichtung von Abgaben nicht mehr zugemutet werden kann, liegen Gründe vor, die die Abgabeneinhebung aus persönlichen Gründen als unbillig erscheinen lassen können.

Nun hat zwar die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren behauptet, praktisch ihre gesamten Ersparnisse verloren zu haben; sie hat aber im verwaltungsbehördlichen Nachsichtsverfahren keine weiteren Angaben über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere auch nicht über ihre Einkommensverhältnisse und ihren Gesundheitszustand gemacht. Das gegenteilige Beschwerdevorbringen erweist sich als aktenwidrig und fällt unter das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG). Der Beschwerdeführerin kann auch nicht zugestimmt werden, wenn sie diesbezüglich auf die amtswegige Ermittlungspflicht der Abgabenbehörde hinweist. Wie dem bereits zitierten Wortlaut des § 236 Abs. 1 BAO zu entnehmen ist, bedarf die Gewährung einer Abgabennachsicht eines Antrages. Ein derartiger Antrag kann aber nicht bloß als Formalerfordernis angesehen werden. Vielmehr kann unter einem Antrag im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO nur ein BEGRÜNDETER Antrag verstanden werden. Voraussetzung dafür, daß die Abgabenbehörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht die Gründe prüft, die für eine Abgabennachsicht sprechen, ist daher, daß solche Gründe vom Antragsteller geltend gemacht werden. Selbst wenn der Abgabenbehörde Umstände bekannt sind, die eine Abgabennachsicht in Betracht ziehen lassen, hat sie diese Umstände nicht von Amts wegen als Nachsichtsgründe aufzugreifen, wenn der Nachsichtswerber selbst nichts in dieser Richtung vorbringt.

Die Beschwerdeführerin betont, daß die Abgabeneinhebung bei ihr auch sachlich unbillig sei, weil sie im Vertrauen auf eine "ganz besonders sichere" Kapitalanlage gehandelt und dennoch ihr eingesetztes Kapital verloren habe. Sie verkennt dabei, daß die sachliche Unbilligkeit in der Vorschreibung jener Abgaben gelegen sein muß, deren Nachsicht begehrt wird. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn es durch das ungewöhnliche Zusammentreffen verschiedener Umstände im Einzelfall zu einer Abgabenbelastung kommt, die zwar dem materiellen Recht entspricht, vom Gesetzgeber aber offensichtlich weder beabsichtigt noch bewußt in Kauf genommen wurde. Eine solche sachliche Unbilligkeit ist im Beschwerdefall nicht erkennbar. Daß die Feststellung des Betriebsaufgabegewinnes zu Unrecht erfolgt wäre, wird ebensowenig behauptet, wie ein Ereignisablauf, der zu einer atypischen Abgabenbelastung geführt habe. Auch die Verwaltungsakten bieten keinen Anhaltspunkt für derartige Annahmen.

Die Rüge, die belangte Behörde habe keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich ihr eingesetztes Kapital verloren habe, ist deswegen unerheblich, weil dieser Umstand im angefochtenen Bescheid nicht in Zweifel gezogen wird.

Auch mit der Bezugnahme auf eine allfällige Berücksichtigung des eingetretenen Vermögensverlustes im Wege der einkommensteuerlichen Anerkennung eines nachträglichen Verlustes gemäß § 32 Z. 2 EStG 1988 verfehlt die Beschwerdeführerin das Prozeßthema. Die von ihr vermißten Feststellungen wären nämlich nicht im Nachsichtsverfahren, sondern in einem (späteren) Einkommensteuerverfahren zu treffen. Die Möglichkeit KÜNFTIGER Berücksichtigung abgabenrechtlich relevanter Geschehnisse in entsprechenden Abgabenverfahren spräche eher gegen als für eine (vorweggenommene) Abgabennachsicht, weil einer Abgabenentlastung, die durch Erlassung eines Abgabenbescheides zu erfolgen hat, Vorrang gegenüber einer Nachsichtsmaßnahme zukommt, die dasselbe Ziel verfolgt.

Da sich die Beschwerde daher zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.