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VwGH vom 19.05.1993, 92/13/0119

VwGH vom 19.05.1993, 92/13/0119

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des Dr. A in K gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat V, vom , GZ. 6/3-3142/90-07, betreffend Umsatzsteuer 1982 bis 1984, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Sektionschef i. R. und Honorarprofessor an der Universität Wien. In den Jahren 1982 bis 1984 hielt der Beschwerdeführer Vorträge an der Handelsakademie und am WIFI sowie - nur 1982 - bei der Firma BASF. Der Beschwerdeführer begehrte für diese Umsätze den ermäßigten Steuersatz gemäß § 10 Abs. 2 Z. 7 lit. b UStG 1972 (Wissenschaftler).

Die abweisende Berufungsentscheidung vom , GZ. 6/3-3130/87, wurde mit dem Erkenntnis vom , Zl. 88/13/0011, hinsichtlich der Vortragstätigkeit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben (§ 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG).

Auf Vorhalt des Finanzamtes führte der Beschwerdeführer bezüglich der Vorträge an der Handelsakademie aus, die Kurse würden im Namen der Vereinigung österreichischer Wirtschaftstreuhänder abgehalten. Der Hörerkreis bestehe aus Personen, die einen Wirtschaftstreuhandberuf anstreben, manchmal auch aus Wirtschaftstreuhändern, Rechtsanwälten oder Notaren, die ihre Steuerrechtskenntnisse vertiefen wollen. Im Rahmen der von WIFI veranstalteten 3-jährigen Bilanzbuchhalterkurse werde das Fachgebiet Steuerrecht vorgetragen.

In einem ergänzendem Schreiben brachte der Beschwerdeführer weiters vor, die Vorträge an der Handelsakademie dienten der Vorbereitung auf die Prüfung als Steuerberater. Der Hörerkreis bestehe fast ausschließlich aus Akademikern. Der Teilnehmerkreis der Vorträge am WIFI sei derselbe, wie er Gegenstand des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 86/13/0035, war, weil der Beschwerdeführer in denselben Kursen unterrichte.

In der Berufungsverhandlung legte der Beschwerdeführer dar, daß die von ihm verfaßten Skripten die rudimentärste Grundlage für seine Vortragstätigkeit bilden. Die Skripten würden mit Ausnahme des Gewerbesteuerskriptums gerade ausreichen, um bei der Prüfung mit Stimmenmehrheit durchzukommen. In den an der Handelsakademie abgehaltenen Kursen sei ebenso wie in den WIFI-Vorträgen ausschließlich Steuerrecht vorgetragen worden. Der Zweck der Vorträge sei gewesen, daß die Zuhörer eine Prüfung bestehen sollten.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung (neuerlich) insoweit abgewiesen, als die Anerkennung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 10 Abs. 2 Z. 7 lit. b UStG 1972 für die Vortragstätigkeit an der Handelsakademie und am WIFI verwehrt wurde. Die Umsätze aus dem Fachvortrag bei der Firma BASF wurden hingegen dem ermäßigten Steuersatz von 8 v.H. unterworfen. Die Qualifikation des Beschwerdeführers als Wissenschaftler wird nicht bestritten. Im Hinblick darauf, daß die Vorträge in den Räumen der Handelsakademie zur Prüfungsvorbereitung dienten, könne jedoch nicht behauptet werden, daß diese darauf abzielten, den Teilnehmern wissenschaftliche Erkenntnisse zu vermitteln; eine wissenschaftliche Tätigkeit wäre hier fehl am Platz. Eine wissenschaftliche Betätigung im Rahmen der vom WIFI veranstalteten Bilanzbuchhalterkurse sei schon allein wegen des Zuhörerkreises, der aufgrund seiner Ausbildung zur wissenschaftlichen Diskussion gar nicht geeignet sei, zu verneinen. Weiters sei es auch nicht Ziel eines Bilanzbuchhalterkurses, den Teilnehmern wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern die für ihre Berufsausübung bzw. für die Ablegung der Prüfung erforderlichen Kenntnisse zu vermitteln.

In der Beschwerde gegen diese Berufungsentscheidung wird deren inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig ist, ob der Beschwerdeführer hinsichtlich der Vorträge eine wissenschaftliche Tätigkeit entfaltet und sich die Umsatzsteuer daher gemäß § 10 Abs. 2 Z. 7 lit. b UStG 1972 in der in den Streitjahren geltenden Fassung auf 8 v.H. (1982 und 1983) bzw. 10 v.H. (1984) ermäßigt. Dies ist eine auf der Ebene der Beweiswürdigung zu lösende Sachfrage. Eine Beweiswürdigung ist dann nicht unschlüssig, wenn sie die folgenden Kriterien in ihre Betrachtung miteinbezieht (vgl. u. a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 86/15/0125; vom , Zl. 86/15/0093 und vom , Zl. 86/13/0142):

a. Ein Vortrag, der seinem Inhalt, seiner Zielsetzung und Methodik nach der "wissenschaftlichen Lehre" entspricht, wie sie in aller Regel nur an Universitäten bzw. wissenschaftlichen Hochschulen betrieben wird, der also die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse unter Darstellung des vom Vortragenden als Wissenschaftler erarbeiteten Standpunktes bietet, und

b. ein Zuhörerkreis, der, wenn auch nicht notwendigerweise selbst wissenschaftlich tätig, so doch an der wissenschaftlichen Behandlung von Problemen interessiert und auf Grund seiner Ausbildung zur wissenschaftlichen Diskussion geeignet ist.

Demnach ist eine Tätigkeit nicht schon dann wissenschaftlich, wenn sie auf Erkenntnissen der Wissenschaft aufbaut, diese verwertet und sich wissenschaftlicher Methoden bedient, sondern nur, wenn sie ausschließlich oder nahezu ausschließlich der Forschung, d.h. dem Erringen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, oder (und) der Lehre, d.h. der Vermittlung einer Wissenschaft an andere (Lernende) zum Zweck der Erweiterung ihres Wissenstandes dient (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 86/15/0093).

1. Vortragstätigkeit im Rahmen der Vereinigung Österreichischer Wirtschaftstreuhänder

Der Beschwerdeführer bringt gegen die Nichtanerkennung als wissenschaftliche Tätigkeit vor, die Berufungsbegründung stehe mit den "menschlichen Denkgesetzen" in Widerspruch. Es sei unlogisch anzunehmen, daß ein Hörerkreis, der bereits durch etliche Jahre hindurch wissenschaftliches Niveau gewöhnt sei, sich nur "mit 08/15-Vorträgen abspeisen lassen könnte."

Dieser Ansicht ist entgegenzuhalten, daß der Verwaltungsgerichtshof (siehe die Erkenntnisse vom , Zl. 82/15/0035 und vom , Zl. 667/76) bereits mehrfach ausgesprochen hat, bei einer Vortragstätigkeit im Rahmen eines Rechtskurses könne nicht von einer wissenschaftlichen Tätigkeit gesprochen werden, weil bei dieser Betätigung die Prüfungsvorbereitung entscheidend im Vordergrund stehe und mit Rücksicht auf diese Zielsetzung nicht von einer WISSENSCHAFTLICHEN Lehre die Rede sein könne. Von einer wissenschaftlichen Tätigkeit im Sinne wissenschaftlicher Lehre könne nämlich nur bei einer Lehrtätigkeit ausgegangen werden, die gleich Vorlesungen an Hochschulen oder gleich Vorträgen vor einem an der wissenschaftlichen Darstellung von Problemen interessierten Hörerkreis (z.B. Ärzte- oder Juristenkongresse) ÜBER EINE PRÜFUNGSVORBEREITUNG HINAUS Einblick in wissenschaftliche Erkenntnisse unter Darstellung des vom betreffenden Wissenschaftler erarbeiteten Standpunktes bieten. Nach den vom Beschwerdeführer selbst vorgebrachten Sachverhaltsfeststellungen bestand der Zweck der Vorträge darin, die Teilnehmer auf die Steuerberaterprüfung vorzubereiten. Es kann der Berufungsbehörde nicht zum Vorwurf gemacht werden, sie habe aufgrund dieser Zielsetzung (Prüfungsvorbereitung) die Vortragstätigkeit als nicht wissenschaftlich eingestuft. Diese Beurteilung steht durchaus im Einklang mit den Denkgesetzen und entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

2. Vortragstätigkeit am WIFI

Der Beschwerdeführer wendet gegen die Begründung der Berufungsentscheidung ein, der Hörerkreis des 3-jährigen Bilanzbuchhalterkurses bestehe zum Großteil aus Maturanten; er unterscheide sich daher in der Vorbildung praktisch nicht von Studenten. Im übrigen verweist er auf das Erkenntnis vom , Zl. 86/13/0035, das präjudiziell für seinen Fall sei, weil er in demselben Kurs und vor den gleichen Teilnehmern den Gegenstand Steuerrecht unterrichte.

Dem Beschwerdeführer ist - entgegen der Ansicht der Berufungsbehörde - zuzustimmen, daß der Zuhörerkreis aufgrund seiner Ausbildung zur wissenschaftlichen Diskussion geeignet ist. Allein das Vorliegen dieses Kriteriums besagt aber noch nicht, daß eine wissenschaftliche Tätigkeit vorliegt, weil zusätzlich der Vortrag seinem Inhalt, seiner Zielsetzung und seiner Methodik nach auf die Vermittlung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gerichtet sein muß. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß bei Begünstigungstatbeständen - wie dies auf § 10 Abs. 2 Z. 7 lit. b UStG 1972 zutrifft - die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 91/14/0052; Stoll, Bundesabgabenordnung - Handbuch (1980), 270). Der Abgabepflichtige hat selbst einwandfrei das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 1814/69). Der Beschwerdeführer führte im Berufungsverfahren hinsichtlich des wissenschaftlichen Inhaltes aus, es sei selbstverständlich, daß seine umfassenden Kenntnisse in den Vorträgen auch ihren Niederschlag fänden. Er könne als Wissenschaftler eben nicht "aus seiner Haut heraus" und lasse "seine Kenntnisse auch in einfachen Gegenständen mitspielen." Es ist wohl richtig, daß die unterrichtende Tätigkeit eines Hochschullehrers in der Regel (grundsätzlich) als wissenschaftliche Tätigkeit zu beurteilen ist (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 86/13/0035 und vom , Zl. 85/13/0217); dies bedeutet aber noch nicht, daß ALLE Vorträge eines Hochschullehrers wissenschaftlichen Charakter besitzen, weil auch ein Wissenschaftler den Bereich des Wissenschaftlichen verlassen kann (vgl. das verfahrensgegenständliche Erkenntnis vom , Zl. 88/13/0011). Das unbestimmte Vorbringen des Beschwerdeführers war insofern nicht geeignet, darzulegen, ob die Vortragstätigkeit über eine Vorbereitung auf die Bilanzbuchhalterprüfung hinaus Einblick in wissenschaftliche Erkenntnisse unter Darstellung des von ihm als Wissenschaftler erarbeiteten Standpunktes bot. Gleiches gilt für den vom Beschwerdeführer eingebrachten Beweisantrag, "ältere Steuerberater" hinsichtlich des Inhaltes seiner Vorträge zu befragen, weil der Hinweis auf ein mögliches Beweismittel die Erstattung eines ausreichenden Vorbringens nicht zu ersetzen vermag (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0120). Darüberhinaus war dieses Beweisanbot auch gemäß § 183 Abs. 3 BAO unerheblich, weil im gegenständlichen Fall nicht der wissenschaftliche Gehalt früherer Vorträge zu beurteilen ist, sondern die streitgegenständliche Vortragstätigkeit. Aus den dargelegten Gründen durfte die belangte Behörde von dem von ihr in freier Beweiswürdigung gewonnenen Sachverhalt ausgehen und das - vom Beschwerdeführer unwidersprochene - Ziel der Vortragstätigkeit in der Vermittlung der erforderlichen Kenntnisse für die Ablegung der Bilanzbuchhalterprüfung sehen.

3. Aktenwidrige Sachverhaltsannahme

Der Beschwerdeführer rügt weiters, daß bei der Umsatzermittlung für 1982 eine Erklärungsziffer von S 672.773,73 angesetzt wird, während der Akteninhalt dafür eine Ziffer von S 671.989 aufweist.

Diese rechnerische Differenz bei der Umsatzermittlung für 1982 (laut angefochtenen Bescheid vom , GZ. 6/3-3142/90-07: S 672.773,73; laut Berufungsentscheidung vom , GZ. 6/3-3130/87: S 671.989) ist darauf zurückzuführen, daß im angefochtenen Bescheid für die Einnahmen aus der Vortragstätigkeit bei der Firma BASF (brutto S 10.000,--) der ermäßigte Steuersatz von 8 v.H. gewährt wurde, wodurch sich ein Nettoumsatz von S 9.259,26 ergibt. Der aufgezeigte Unterschiedsbetrag ergibt sich aus dem neuen Umsatzsteuerbetrag von S 740,74 gegenüber dem seinerzeit mit einem Steuersatz von 18 v.H. ermittelten Umsatzsteuerbetrag von S 1.525,42.

Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.