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VwGH vom 29.09.1993, 92/13/0102

VwGH vom 29.09.1993, 92/13/0102

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde 1.) des G und 2.) des Dipl.-Ing. M, beide in W, beide vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. 6/5-1641/92, betreffend Aufhebung von Feststellungsbescheiden hinsichtlich Einkünften aus Gewerbebetrieb für 1986 und 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer betreiben eine Flugzeugvermietung in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb; der Gewinn wird gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 ermittelt.

Anläßlich einer die Streitjahre umfassenden abgabenrechtlichen Prüfung hielt der Betriebsprüfer fest, daß die Gesellschaft mehrere Flugzeuge besitze, die sie in Österreich und in Canada vermiete. Im Zuge dieser Betriebsprüfung beantragte der steuerliche Vertreter folgende

Investitionsfreibeträge für die Jahre 1986 und 1988:

Investitionen 1986:

KMR S 4,008.000,-- IFB S 801.600,--

Radar KMR S 237.420,-- IFB S 47.484,--

Motor ALH S 182.223,-- IFB S 36.444,--

Summe S 885.528,--

Investitionen 1988:

KMG S 1,303.999,-- IFB S 260.800,--

Das Finanzamt erließ im wiederaufgenommenen Verfahren die Bescheide betreffend die Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 188 BAO für die Jahre 1986 und 1988, worin die Bildung der Investitionsfreibeträge gewährt wurde. Diese Bescheide wurden den Beschwerdeführern am zugestellt.

In einem Vorhalt betreffend die Ergänzung der Steuererklärungen für 1990 forderte das Finanzamt die Beschwerdeführer auf, den Bescheid betreffend die Beförderungsbewilligung (§ 103 LFG) bzw. den Bescheid betreffend die Vermietungsbewilligung (§ 117 LFG) vorzulegen, weil gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 EStG 1972 ein Investitionsfreibetrag nur für Luftfahrzeuge der Luftverkehrsunternehmen (§ 101 LFG) und der Zivilluftfahrtschulen geltend gemacht werden dürfe.

Die Beschwerdeführer teilten dazu mit, daß das Bundesamt für Zivilluftfahrt nur dem jeweiligen Flugzeughalter diese Bewilligungen erteile; Flugzeughalter sei aber der Niederösterreichische Fallschirmspringerclub. Da die Beschwerdeführer Eigentümer der Flugzeuge seien, seien die Investitionsfreibeträge zu Recht in Anspruch genommen worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid, der den Beschwerdeführern am zugestellt wurde, hob die belangte Behörde die Bescheide betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb für 1986 und 1988 gemäß § 299 Abs. 2 BAO wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf. In der Begründung vertrat die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Vorschrift folgende Auffassung:

"Da unbestritten der Bescheidadressat jedoch kein Luftverkehrsunternehmen im Sinne des § 101 Luftfahrtgesetz, BGBl. Nr. 256/1957, ist und auch keine Zivilluftfahrtschule betreibt - ungeachtet des Umstandes, daß der jeweilige Flugzeughalter die entsprechende Bewilligung vom Bundesamt für Zivilluftfahrt erhält - waren die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Investitionsfreibetrages nicht gegeben."

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.) Gemäß § 299 Abs. 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Nach § 302 Abs. 1 1 Satz BAO sind, abgesehen von den Fällen des § 209 a Abs. 2, Maßnahmen gemäß den §§ 293, 293 a, 293 b, 294, 295, 298 und 299 Abs. 4 nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist und Maßnahmen gemäß § 299 Abs. 1 und 2 nur bis zum Ablauf eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides zulässig.

Die Beschwerdeführer bringen unter den Aspekt der Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, sie hätten anläßlich der Schlußbesprechung einen Rechtsmittelverzicht abgegeben. Da die am erlassenen Feststellungsbescheide hinsichtlich Einkünften aus Gewerbebetrieb für 1986 und 1988 am rechtskräftig geworden seien, sei die Erlassung des angefochtenen Bescheides außerhalb der im § 302 Abs. 1 BAO normierten Jahresfrist erfolgt.

Wird auf die Einbringung einer Berufung im Sinne der Bestimmungen des § 255 Abs. 1 BAO verzichtet, so erwächst der betreffende Bescheid in Rechtskraft (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 420/78, Slg. Nr. 9194, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2690/51, Slg. Nr. 2471/A). Wird ein solcher Rechtsmittelverzicht - was im Beschwerdefall außer Streit steht - unter Beachtung des Abs. 2 der zuletzt genannten Bestimmung wirksam bereits vor Erlassung des Bescheides abgegeben, so tritt die Rechtskraft mit seiner Erlassung, im Falle eines wie hier schriftlichen Bescheides also mit seiner Zustellung, ein (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 1090/67).

Die in Rede stehenden Feststellungsbescheide betreffend Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die Jahre 1986 und 1988 wurden nach dem in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten erliegenden Zustellnachweis am zugestellt. Die Rechtskraft dieser Bescheide ist somit erst an diesem Tag und nicht schon am , wie die Beschwerdeführer ausführten, eingetreten. Der in Beschwerde gezogene Bescheid wurde nach dem gleichfalls vorliegenden Zustellnachweis am , also noch innerhalb der im § 302 Abs. 1 BAO bestimmten einjährigen Frist, zugestellt.

2. Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 EStG 1972 darf ein Investitionsfreibetrag nicht in Anspruch genommen werden für Luftfahrzeuge, die der Personenbeförderung dienen, ausgenommen Luftfahrzeuge der Luftverkehrsunternehmen (§ 101 Luftfahrtgesetz, BGBl. Nr. 253/1957) und der Zivilluftfahrerschulen.

Nach übereinstimmender Auffassung von Lehre und Rechtsprechung (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , 88/13/0173 und vom , 90/15/0068; Stoll, Bundesabgabenordnung-Handbuch, 1980, 714) ist ein aufsichtsbehördlicher Behebungsbescheid dergestalt zu begründen, daß die Oberbehörde das Vorliegen der den Behebungstatbeständen des § 299 BAO entsprechenden Voraussetzungen darlegt und auch die Gründe für die von ihr durchgeführte Ermessensübung eingehend ausführt. Diese Verpflichtung der Behörde, alle von ihr angestellten Erwägungen bekanntzugeben, gebietet, daß vor Erlassung eines Aufhebungsbescheides gemäß § 299 Abs. 2 BAO der Sachverhalt, aus dem sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des aufzuhebenden Bescheides ergibt, eindeutig geklärt sein muß. Es müssen daher alle tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Aufhebung in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt und in der Begründung des Aufhebungsbescheides festgestellt werden.

Eine solche Vorgangsweise hat jedoch die belangte Behörde - worauf in der Beschwerde sinngemäß zu Recht verwiesen wird - nicht eingehalten. Die Begründung des angefochtenen Bescheides beschränkt sich im wesentlichen darauf, die Höhe der in Anspruch genommenen Investitionsfreibeträge darzustellen, die maßgebliche Gesetzesnorm zu zitieren und sodann die Behauptung aufzustellen, die Inanspruchnahme der Investitionsfreibeträge stehe nicht zu, weil die Beschwerdeführer kein Luftverkehrsunternehmen bzw. keine Zivilluftfahrerschule betreiben. So geht die belangte Behörde ohne irgendwelche von ihr diesbezüglich getroffenen konkreten Feststellungen offenbar davon aus, daß die Luftfahrzeuge der Personenbeförderung und nicht anderen, für die Steuerbegünstigung unschädlichen Zwecken dienen. Allein aus den im Behebungsbescheid genannten Typenbezeichnungen wie "KMR", "Radar KMR", "Motor ALH" und "KMG" kann diese Annahme nicht schlüssig abgeleitet werden. Von der belangten Behörde wäre vielmehr selbst zu ermitteln gewesen, welchen Einsatzarten die streitgegenständlichen Flugzeuge tatsächlich dienen.

Der angefochtene Bescheid war somit mit Mängeln behaftet, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können. Er war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die der Beschwerde angeschlossene zweite Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist weder im Gesetz vorgesehen noch dient sie der zweckmäßigen Rechtsverfolgung. Dieser Aufwand kann daher nicht zuerkannt werden.