VwGH vom 07.08.2001, 97/14/0068
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des O in K, vertreten durch Dr. Johann Quendler und Dr. Alexander Klaus, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl. RV 235/1 - 7/96, betreffend Einkommensteuer für 1995 (Arbeitnehmerveranlagung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1995 u.a. die Berücksichtigung des Pauschbetrages für auswärtige Berufsausbildung gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 für seine an der Universität Graz "Betriebswirtschaft" studierende Tochter M.
Das Finanzamt versagte den beantragten Pauschbetrag mit der Begründung, dass gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 Aufwendungen für eine auswärtige Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann nicht als außergewöhnliche Belastung gelten, wenn auch im Einzugsbereich des Wohnortes eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit bestehe. Eine solche Möglichkeit sei im vorliegenden Fall (am Studienort Klagenfurt) gegeben.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und führte gegen die Ansicht des Finanzamtes ins Treffen, dass seine Tochter an der Karl-Franzens-Universität in Graz das Studium der "Allgemeinen Betriebswirtschaft" betreibe, welches mit dem an der Universität Klagenfurt angebotenen Studienzweig der "Angewandten Betriebswirtschaft" nicht vergleichbar sei. Eine "entsprechende Ausbildungsmöglichkeit im Einzugsbereich des Wohnortes" liege daher nicht vor.
Seine abweisende Berufungsvorentscheidung begründete das Finanzamt damit, dass auch an der Universität Klagenfurt das Diplomstudium der Betriebswirtschaftslehre angeboten werde, welches ebenso mit der Verleihung des akademischen Grades eines "Mag. rer. soc. oec." beendet werde. Zwar seien die für das Diplomstudium vorgesehenen Prüfungsfächer an den beiden Universitäten nicht zur Gänze identisch, jedoch müsse man bei der Beurteilung der Frage, ob eine "entsprechende Ausbildungsmöglichkeit" vorliege oder nicht, nicht nur auf die einzelnen Prüfungsfächer abstellen, sondern auch darauf, ob der gesamte Rahmen der Ausbildung zu einem gleichwertigen Ausbildungsabschluss führe. Wenn der selbe Ausbildungsabschluss auch an einer innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes situierten Universität erreicht werden könne, stehe der Pauschbetrag des § 34 Abs. 8 EStG 1988 nicht zu.
In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Beschwerdeführer vor, dass zwischen dem Studium der "Betriebswirtschaftslehre" an der Karl-Franzens-Universität in Graz und dem Studium der "Angewandten Betriebswirtschaftslehre" an der Universität Klagenfurt ein großer Unterschied bestünde. So sei die von seiner Tochter angestrebte Spezialisierung auf "Bankbetriebslehre" in Klagenfurt nicht möglich, da diese im Studienplan nicht angeboten werde. Weiters dauere das Studium in Klagenfurt laut Studienplan um ein Semester länger, was nicht den Vorstellungen seiner Tochter entspreche. Im ersten Studienabschnitt müssten zudem in Klagenfurt Prüfungen aus zwei Fremdsprachen abgelegt werden, in Graz nur aus einer. Schließlich würden die Proseminare in Klagenfurt im
1. Studienabschnitt insgesamt 75 (bzw. im 2. Studienabschnitt 72) Wochenstunden, in Graz nur 72 (bzw. im 2. Studienabschnitt 62) Wochenstunden umfassen. Der Begründung des Finanzamtes, die Gleichartigkeit der beiden Studienrichtungen zeige sich am gleichen Ausbildungsabschluss, nämlich durch den Erwerb des akademischen Grades "Mag. rer. soc. oec.", hielt der Beschwerdeführer entgegen, dass eine Reihe betriebswirtschaftlicher Studienrichtungen mit unterschiedlichen Studieninhalten mit der Verleihung desselben akademischen Grades endeten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies auch die belangte Behörde die Berufung ab und führte begründend insbesondere Folgendes aus:
Die Tochter des Beschwerdeführers studiere an der Karl-Franzens-Universität in Graz "Betriebswirtschaft". Die Universität Klagenfurt biete seit dem Wintersemester 1984/85 das in zwei Studienabschnitte gegliederte Studium der "Angewandten Betriebswirtschaft" an. Die für das Diplomstudium vorgesehenen Prüfungsfächer seien an beiden Universitäten nicht zur Gänze ident. So seien beim betriebswirtschaftlichen Studium an der Universität Klagenfurt Prüfungen aus den Fächern "Allgemeine BWL, Informatik, Volkswirtschaftslehre und -politik, Privates und Öffentliches Recht, Wirtschaftsenglisch und eine zweite lebende Fremdsprache, Arbeits- und Betriebssoziologie, Arbeits- und Betriebspsychologie, Mathematik/Statistik" (1. Abschnitt) sowie "Allgemeine BWL, Volkswirtschaftslehre und -politik, Englisch und eine zweite lebende Fremdsprache, Informatik, Privates oder Öffentliches Recht" und zwei Wahlfächer aus dem Fächerkorb "Betriebliches Finanz- und Steuerwesen, Betriebsinformatik, Controlling, Marketing und Internationales Management, Organisation, Personal- und Managemententwicklung" (2. Abschnitt) abzulegen. Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "entsprechende Ausbildungsmöglichkeit" sei nicht nur auf den Lehrinhalt einer Ausbildung abzustellen, sondern auch darauf, ob diese Lehrinhalte im Rahmen einer Ausbildung vermittelt werden, die zu einem gleichartigen Ausbildungsabschluss führen. Könne derselbe Ausbildungsabschluss auch an einer im Einzugsbereich des Wohnortes situierten Anstalt erreicht werden, so stehe der Pauschbetrag gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 nicht zu. Da auch an der Universität Klagenfurt ein betriebswirtschaftliches Studium angeboten werde, welches sich vor allem im Bereich der "Kernfächer" mit dem an der Universität Graz angebotenen im Wesentlichen decke - so seien laut Grazer Studienplan gleichfalls Prüfungen aus den Fächern "Grundzüge der BWL, Politische Ökonomie, Mathematik/Statistik, eine Fremdsprache, Soziologie, Privatrecht etc." (1. Abschnitt) und "ABWL, Besondere BWL (Treuhandwesen, Marketing, Operation Research ...), Volkswirtschaftslehre und - politik, Öffentliches Recht etc." (2. Abschnitt) abzulegen - sei im Einzugsbereich des Wohnortes eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit gegeben. Die fehlende Möglichkeit das Fach "Bankbetriebslehre" zu besuchen - anstelle dieses Faches würden an der Universität Klagenfurt andere Fächer angeboten - reiche nicht aus, um die gleich gelagerte Grundstruktur der beiden Studien in Frage zu stellen. Es könne in der österreichischen Universitätslandschaft als geradezu typisch angesehen werden, dass die einzelnen Fakultäten bei der Gestaltung ihrer Studienpläne im Rahmen der ihnen gesetzlich eingeräumten Autonomie gewisse Schwerpunkte setzten. Aufgrund dieser Akzentuierung resultierten zum Teil abweichende Prüfungsfächer, der Grundtenor des Studiums der Betriebswirtschaft erfahre dadurch jedoch keine Änderung. Für die Ausübung von Berufen, für welche ein abgeschlossenes Studium der Betriebswirtschaft Voraussetzung sei, mache es (nahezu) keinen Unterschied, an welcher Universität der Abschluss erworben worden sei, bzw. welche Prüfungsfächer im Einzelnen abgelegt worden seien. Die Aneignung von Spezialwissen bereits in der Studienphase möge sich für die spätere Berufswahl vorteilhaft auswirken, jedoch würden bei der Suche nach einer adäquaten Stelle erfahrungsgemäß vielmehr andere Kriterien, wie persönliches Engagement, Leistungsbereitschaft, Flexibilität etc. ins Gewicht fallen.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von S 1.500 pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.
Die Pauschalierung des Mehraufwandes der Höhe nach durch das EStG 1988 (im Gegensatz zum EStG 1972) enthebt nicht von der Prüfung der Frage, ob eine auswärtige Berufsausbildung dem Grunde nach geboten ist. Dies trifft nach ständiger Rechtsprechung dann nicht zu, wenn am Wohnort des Steuerpflichtigen oder in dessen Einzugsbereich - unter Berücksichtigung der Talente des Kindes - eine gleichartige Ausbildungsmöglichkeit besteht (vgl. Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar, § 34 EStG 1988 Einzelfälle Tz. 1 und die dort angeführte hg. Judikatur).
Nach dem hg. Erkenntnis vom , 86/14/0101, sind die durch das auswärtige Studium verursachten Mehraufwendungen dann nicht zwangsläufig erwachsen, wenn das gleiche Studium bei gleichen Bildungschancen und gleichen Berufsaussichten auch an einer im Wohnort oder im Nahebereich des Wohnortes gelegenen Universität absolviert werden kann, denn diesfalls treffe die Eltern weder eine im Unterhaltsanspruch nach § 140 ABGB begründete rechtliche noch eine sittliche Pflicht, dem Kind das Studium an einer entfernt gelegenen Universität zu finanzieren. Im Erkenntnis vom , 86/14/0137, spricht der Verwaltungsgerichtshof von einem "gleichwertigen" Studium im Einzugsbereich des Wohnortes, das die Zwangsläufigkeit ausschließe.
In einer Reihe von Erkenntnissen hatte sich der Verwaltungsgerichtshof auch mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für ein Auslandsstudium zwangsläufig erwachsen. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof - wiederholt - ausgesprochen, dass weder die gesetzliche Unterhaltspflicht gemäß § 140 ABGB noch eine sittliche Pflicht den Eltern gebieten, ihr Kind an einer ausländischen Hochschule studieren zu lassen, wenn das gewählte Studium mit wesentlich geringeren Kosten auch an einer inländischen Hochschule absolviert werden könne, möge auch der Studienaufenthalt im Ausland für das Ausbildungsniveau und die spätere Berufslaufbahn des Ausgebildeten von Vorteil sein (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 81/14/0181, vom , 85/14/0164, und vom , 89/13/0155).
Im zitierten Erkenntnis vom wird ausdrücklich ausgeführt, dass es nicht darauf ankomme, ob inländische und ausländische Studienordnungen im Einzelnen voneinander abweichen. Entscheidend sei, dass die betreffenden Studien ihrer Art nach auch im Inland (mit wesentlich geringeren Kosten) betrieben werden können.
Insbesondere aus dem zuletzt genannten Erkenntnis vom ergibt sich, dass Abweichungen zwischen einzelnen Studienordnungen verschiedener Universitäten nicht zum Fehlen einer "entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit" führen, soweit eine ihrer Art nach vergleichbare Ausbildung auch im Einzugsbereich des Wohnortes vorliegt. Dieser bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit in- und ausländischer Studien angesetzte Maßstab ist auch bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit zweier inländischer Studienordnungen - und damit auch im gegenständlichen Fall - zu beachten, da es keinen Grund gibt, in- und ausländische Studien unterschiedlich zu behandeln.
Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid einzelnen Abweichungen im Studienplan zwischen dem Studium der "Betriebswirtschaftslehre" und dem Studienzweig der "Angewandten Betriebswirtschaft" keine Bedeutung beigemessen hat, sondern auf den gleichartigen Ausbildungsabschluss und auf die Vergleichbarkeit der Studien ihrer Art nach abgestellt hat, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Inwieweit zwei Studien ihrer Art nach vergleichbar sind, ist eine auf Ebene der Sachverhaltsermittlung zu lösende Frage. Die belangte Behörde hat aufgrund einer Gegenüberstellung der Studienordnungen und Studienpläne die Vergleichbarkeit des in Klagenfurt angebotenen Studienzweiges und damit eine "entsprechende Ausbildungsmöglichkeit" aufgrund der weitgehend gleichen "Kernfächer" angenommen. Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, das in Klagenfurt angebotene Studium unterscheide sich von jenem, das seine Tochter in Graz besuche durch die um ein Semester längere Mindeststudiendauer, die höhere Anzahl von Pflichtveranstaltungen sowie durch das Erfordernis im ersten Studienabschnitt eine zweite Fremdsprache zu belegen. Mit diesem Vorbringen wird eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unschlüssigkeit der behördlichen Sachverhaltsfeststellung nicht aufgezeigt.
Nach den vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen (der Universität Klagenfurt zum dortigen Studienangebot) unterscheidet sich das an der Universität Klagenfurt angebotene Studium insofern von den anderen Betriebswirtschaftsstudien in Österreich, als neben der guten Kommunikation zwischen allen am Studienbetrieb beteiligten Personen ein starker Praxisbezug bestehe (im 2. Studienabschnitt ist im Ausmaß von einem Semester ein Pflichtpraktikum vorgeschrieben) und auf die klein- und mittelbetriebliche Struktur der österreichischen Wirtschaft Rücksicht genommen sowie der Trend zur verstärkten Internationalisierung durch die Ausbildung in zwei Fremdsprachen unterstützt werde. Bei diesen Unterschieden handelt es sich nicht um solche, die den Kernbereich des Studiums betreffen. Dass es der Tochter nicht zumutbar sei, eine zweite Fremdsprache zu belegen, ein Praktikum zu absolvieren sowie einige Wochenstunden mehr an Pflichtveranstaltungen zu besuchen, zeigt die Beschwerde nicht auf und ist auch für den Gerichtshof nicht zu erkennen. Gleiches gilt für geringfügige Unterschiede hinsichtlich der gesetzlichen Mindeststudiendauer.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die im Einzugsbereich gelegene Universität Klagenfurt biete nicht die Möglichkeit, sich im Rahmen des betriebswirtschaftlichen Studiums im Bereich der "Bankbetriebslehre" zu spezialisieren. Dabei handelt es sich nach den vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen um eine im
2. Studienabschnitt angebotene "besondere Betriebswirtschaftslehre", die nach Wahl des Studierenden belegt werden kann. Die (frühe) Spezialisierung mag zwar unter den vom Beschwerdeführer beschriebenen Voraussetzungen (einer entsprechenden Arbeitsmarktlage) für die spätere Berufslaufbahn von Vorteil sein; dieser Umstand alleine führt jedoch noch nicht zu einer Zwangsläufigkeit der damit verbundenen Aufwendungen (vgl. nochmals das schon angeführte Erkenntnis vom ).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am