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VwGH vom 20.04.1995, 92/13/0071

VwGH vom 20.04.1995, 92/13/0071

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Mizner, Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der H-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld, vom , Zlen. 6/2-2106/89-06, 6/2-2264/89-06, 6/2-2030/90-06, betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner der Jahre 1982 bis 1987 und 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich darüber, ob die sich aus Abfertigungsverpflichtungen und Pensionsverpflichtungen ergebenden Lasten der beschwerdeführenden GmbH bei der sie betreffenden Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens als Schulden im Sinne des § 64 Abs. 1 BewG zu berücksichtigen sind oder nicht.

Die Beschwerdeführerin hat zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der diese jedoch nach Ablehnung ihrer Behandlung an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat.

In der abgetretenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Frage, ob Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen bei Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens als Schulden zu berücksichtigen sind, hat der Gerichtshof bereits in zahlreichen Erkenntnissen verneint (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , 81/17/0048, vom , 86/15/0032, vom , 87/13/0148, vom , 87/15/0077, vom , 87/14/0069, vom , 89/15/0052 und vom , 92/13/0101).

Die Beschwerdeführerin zeigt keine Gesichtspunkte auf, die den Gerichtshof zu einem Abgehen von der zitierten Rechtsprechung veranlassen könnten.

In weiten Teilen der Beschwerde wird die bilanzsteuerliche bzw. handelsrechtliche Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen für Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen dargelegt. Daß eine derartige Passivierungspflicht besteht, ist unbestritten. Auch das Bestehen wirtschaftlich ins Gewicht fallender Lasten durch Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen, auf denen deren Passivierungspflicht beruht, steht außer Zweifel. Die Beschwerdeführerin verkennt jedoch, daß entscheidend dafür, die genannten Lasten bei der Einheitswertermittlung nicht zu berücksichtigen, deren Charakter als aufschiebend bedingte Lasten im Sinne des § 6 BewG ist.

Anders als bei der betriebswirtschaftlichen, handelsrechtlichen und bilanzsteuerlichen Bewertung des Betriebsvermögens, wo die Berücksichtigung aufschiebend bedingter Lasten geboten sein kann, ist die Berücksichtigung solcher Lasten im Rahmen des Bewertungsgesetzes durch dessen § 6 ausdrücklich untersagt.

Dementsprechend hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Bewertungsgesetznovelle 1971, BGBl. Nr. 172, mehrfach wiederholt unter Zitierung des § 6 BewG ausgesprochen, daß es sich bei Pensionsanwartschaften wegen der den Pensionszusagen anhaftenden, aufschiebenden Bedingung nicht um abzugsfähige Schulden im Sinne des Bewertungsrechtes handelt (vgl. das Erkenntnis vom , 81/17/0048, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Mit der Bewertungsgesetznovelle 1971 wurde die Rechtslage dergestalt geändert, daß in § 64 Abs. 1 Bewertungsgesetz folgender Satz angefügt wurde: "§ 6 ist auf Pensionsrückstellungen nicht anzuwenden". Diese Gesetzesänderung wurde mit dem 2. Abgabenänderungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 645, wiederum rückgängig gemacht; der zitierte Satz entfiel. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (626 BlgNR XIV. GP) wurde deutlich zum Ausdruck gebracht, daß damit die Berücksichtigung von Pensionsrückstellungen im Bereich des Bewertungsgesetzes wiederum wegfallen sollte (siehe auch das oben zitierte hg. Erkenntnis vom ). Da diese Rechtslage seither unverändert geblieben ist, kann kein Zweifel über den Willen des Gesetzgebers bestehen; die von der Beschwerdeführerin angestrebte Auslegung widerspräche somit dem klaren Wortlaut und dem deutlich erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Gleiche Überlegungen gelten bezüglich der Abfertigungsverpflichtungen. Es trifft zwar zu, daß in der älteren Rechtsprechung die Auffassung vertreten wurde, Abfertigungsverpflichtungen begründeten überhaupt keine Schulden und damit auch keine Schulden im Sinne des § 64 Abs. 1 BewG und seien schon aus diesem Grund - und nicht wegen § 6 Abs. 1 BewG - bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens nicht zu berücksichtigen (vgl. abermals das Erkenntnis vom ); es darf aber nicht übersehen werden, daß eine bewertungsrechtliche Beurteilung von Abfertigungsverpflichtungen als Schulden zur Folge hat, daß ebenso wie bei Pensionsanwartschaften auch bei (noch nicht schlagend gewordenen) Abfertigungsverpflichtungen § 6 Abs. 1 BewG zur Anwendung gelangen muß. Dementsprechend hat der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 92/13/0101, darauf hingewiesen, daß solche Verpflichtungen "auch wegen der erforderlichen Bedachtnahme auf § 6 Abs. 1 BewG bewertungsrechtlich nicht zu berücksichtigen seien.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diese Rechtsansicht mit der Behauptung, aus der Sicht des Dienstgebers seien Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen unbedingt entstanden, weil eine Ungewißheit bezüglich der Beendigung des Dienstverhältnisses nicht bestehe. Nur der Dienstnehmer, nicht aber der Dienstgeber könne "anspruchsvernichtende Handlungen" setzen.

Dem ist zu entgegnen, daß es eine Reihe von Gründen gibt, die eine Abfertigungsverpflichtung als aufschiebend bedingte Last erkennen lassen. Insbesondere kann der Dienstnehmer vom Dienstgeber bei Eintritt bestimmter Ereignisse entlassen werden und es kann sein, daß der Dienstnehmer den für die Abfertigung maßgeblichen Zeitpunkt nicht erlebt und daß bei seinem Ableben keine gesetzlichen Erben vorhanden sind, zu deren Erhaltung er gesetzlich verpflichtet war. Dies zeigt als typische Folge einer aufschiebenden Bedingung, daß eine Abfertigungsverpflichtung aus der Sicht des Dienstgebers nicht unbedingt entstanden ist. Vielmehr gleicht eine solche Verpflichtung, was ihre Eigenschaft als aufschiebend bedingte Last betrifft, durchaus einer Pensionsverpflichtung, bei der ebenfalls der Fortbestand des Dienstverhältnisses und das Erreichen des Pensionsalters als aufschiebende Bedingung anzusehen sind.

Verdeutlicht wird das als aufschiebende Bedingung anzusehende Unsicherheitsmoment auch im Bereich der von der Beschwerdeführerin mehrfach betonten handelsrechtlichen und steuerbilanzrechtlichen Betrachtungsweise. Träfe es zu, daß Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen aus der Sicht des Dienstgebers unbedingte Lasten wären, so käme deren Berücksichtigung nur als Schulden, nicht aber als Rückstellungen in Betracht. Nur Rückstellungen sind nämlich von jenem Unsicherheitsfaktor gekennzeichnet, der sie von Schulden unterscheidet. Sowohl der Gesetzgeber des Rechnungslegungsgesetzes und des Einkommensteuergesetzes als auch Judikatur und Schrifttum gehen aber einhellig davon aus, daß Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen bilanztechnisch als Rückstellungen auszuweisen sind. Der aufgezeigte Unsicherheitsfaktor wird daher entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin (auch) aus der Sicht des Dienstgebers als gegeben angenommen.

Ein weiteres Argument der Beschwerdeführerin geht dahin, sie habe Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen im Zuge konzerninterner Umstrukturierungsmaßnahmen von Tochtergesellschaften gegen Entgelt übernommen. Insofern sei sie vergleichbar einem Versicherungsunternehmen, das gemäß § 64 Abs. 4 BewG zum Abzug entsprechender versicherungstechnischer Rücklagen berechtigt sei. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise gebiete eine gleichartige Berücksichtigung gleichartiger Lasten.

Der Gerichtshof hält es für entbehrlich zu untersuchen, ob die im Konzern entgeltlich übernommenen Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen der Beschwerdeführerin mit Verpflichtungen von Versicherungsunternehmen aus den laufenden Versicherungsverträgen vergleichbar sind. Wenn nämlich der Gesetzgeber eine Ausnahme ausdrücklich nur für bestimmt bezeichnete Unternehmen vorsieht, kann diese Ausnahme nicht "in wirtschaftlicher Betrachtungsweise" von anderen Unternehmen mit dem Argument in Anspruch genommen werden, bei ihnen lägen ebenfalls Umstände vor, die eine solche Ausnahme rechtfertigen würden. Vielmehr muß es dem Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes überlassen bleiben, ob er Ausnahmebestimmungen nur für einen eng begrenzten Personenkreis vorsieht, oder auch einen größeren Personenkreis begünstigen will.

Daß die zitierte Bestimmung aus der Sicht des Gleichheitssatzes bedenklich wäre, wird von der Beschwerdeführerin nicht behauptet; auch der Gerichtshof hegt diesbezüglich keine Bedenken.

Die Beschwerdeführerin weist ferner darauf hin, daß bei Ermittlung des gemeinen Wertes von Gesellschaftsanteilen (§ 13 Abs. 2 BewG) nach der Verwaltungspraxis auch Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen zu berücksichtigen seien. Dabei übersieht sie, daß grundsätzlich für den Wert von Anteilen der Kurswert maßgebend ist, an dessen Stelle - wenn ein solcher nicht vorhanden ist - der gemeine Wert tritt, der wiederum vorrangig aus Verkäufen abzuleiten ist. Ist dies nicht möglich, so ist der gemeine Wert der Anteile zu schätzen. Die Wertermittlung hat daher auf den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preis (§ 10 Abs. 2 BewG) Bedacht zu nehmen. Auch eine Schätzung soll diesem Wert möglichst nahe kommen. Daß aber im Wirtschaftsleben Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen als Lasten Berücksichtigung finden, wurde bereits gesagt. Aus den Grundsätzen, die für die Ermittlung des gemeinen Wertes von Anteilen gelten, kann die Beschwerdeführerin somit für die Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens nichts gewinnen.

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, die sich mit der Abgabenbelastung als Folge der unterlassenen Berücksichtigung von Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen auf bewertungsrechtlichem Gebiet befassen, können der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Sie sind nämlich rechtspolitischer Natur und ihrer Art nach lediglich als Begründung für eine allfällige Gesetzesinitiative diskutierbar.

Aus den angeführten Gründen erweist sich somit die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.