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VwGH vom 21.05.1990, 88/15/0011

VwGH vom 21.05.1990, 88/15/0011

Beachte

Besprechung in:

ÖStZB 1991, 66;

Betreff

Stadtgemeinde Schwaz gegen Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat) vom , Zl. 30.252-3/84, betreffend Umsatzsteuer 1975 bis 1982

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Stadtgemeinde hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Stadtgemeinde (in der Folge auch kurz: Stadt) schloß mit der Republik Österreich, vertreten durch das Bundesministerium für Unterricht und Kunst, dieses vertreten durch den Landesschulrat für Tirol (in der Folge auch kurz: Bund) am 24. September/ einen u.a. die Errichtung und den Gebrauch einer Sporthalle betreffenden Vertrag. Punkt V. dieses Vertrages lautet wie folgt:

"1) Zur Durchführung des lehrplanmäßigen Unterrichts aus Leibesübungen an den gegenständlichen Schulen räumt die Stadt dem Bund

a) die Dienstbarkeit des Gebrauches gemäß § 504 ABGB an der auf der Liegenschaft 885/7 KG Schwaz von der Stadt zu errichtenden Sporthalle im Umfang von zwei Normalspielfeldern je 26 x 15 m samt funktionszugehörigen Nebenräumen und üblicher Geräteausrüstung, auf Gebäudedauer,

b) die Dienstbarkeit des Gebrauches gemäß § 504 ABGB am gemeindeeigenen Sportplatz bestehend aus den Grundstücksparzellen Nr. 2633/1 im Ausmaß von 13.441 m2 und Nr. 2623/2 im Ausmaß von 11.691 m2 der EZ 1099/II KG Schwaz und den Nebenanlagen ein.

2) Die Sporthalle gemäß Punkt V/1a wird von der Stadt gemäß

den beiliegenden vom Österreichischen Institut für Schul- und

Sportstättenbau genehmigten Plänen, welche einen Bestandteil

der Vereinbarung bilden, errichtet. Die Stadt wird bei der

Planung und Ausführung des Projektes das Einvernehmen mit dem

Bund pflegen. ........

3) Die Sporthalle verbleibt im Eigentum und in der

Betriebspflicht der Stadt, ebenso der Sportplatz gemäß V/1b.

4) Die Stadt gibt dem Bund 2 Normturnsäle der Sporthalle

samt den dazugehörigen Funktionsräumen, Funktionsflächen und

Nebenanlagen auf Gebäudedauer gereinigt in den vom

Schulzeitgesetz 1962 vorgesehenen Zeiten für die Durchführung

des Unterrichtes aus Leibeserziehung. Zu diesem Zweck ist

zwischen Bund und Stadt jährlich ein Benützungsplan zu

vereinbaren. ....... Im Zweifel oder im Streitfall entscheidet

hierüber der Landesschulrat für Tirol; seine Entscheidungen werden von der Stadt als verbindlich anerkannt.

5) Die Stadt ist berechtigt, dem Bund die anteiligen Kosten des Betriebes (das sind insbesondere die Kosten für Personal, Beleuchtung, Beheizung, Reinigung, laufende Wartung, Instandhaltung, Versicherungsprämien udgl.), nicht jedoch die Kosten der Amortisation allfälliger auf dem Objekt ruhender Darlehen folgendermaßen zu verrechnen:

a) Die Stadt ist verpflichtet, über die Betriebsausgaben Buch zu führen, wobei Heizung und Lüftung (Heizmittel, Energie), Verwaltungs- Sachkosten, Geräte, Instandhaltung und Nachschaffung, Gebäudeerhaltung, Verwaltungspersonal, Hilfspersonal, sowie Zusatzkosten (z.B. Ordner, Mehrreinigung, Garderobe etc.) bei Veranstaltungen in der ungeteilten Halle separat auszuweisen sind. Ferner hat sie im Einvernehmen mit dem Bund ein kostendeckendes Pauschalentgelt, ausgedrückt in Schilling pro Stunde, wobei die Anzahl der Benützungsstunden in der Sporthalle mit 4000 pro Jahr anzunehmen ist,


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aa)
für den Normturnsaal
bb)
für die ungeteilte Sporthalle einschließlich der Nebenräume, Garderoben und Tribünen,
cc) für den Sportplatz einschließlich Umkleide- und Sanitärräume festzulegen.

b) Der Bund hat der Stadt ein Entgelt nach der Anzahl der von ihm in Anspruch genommenen Benützungsstunden mal dem Stundenpauschalentgelt zu leisten. Dieses ist monatlich fällig. Allfällige Gebarungsüberschüsse sind auf das Stundenpauschale des Folgejahres aufzurechnen.

c) Für das 1. Betriebsjahr sind der vorläufigen Ermittlung der Betriebskosten pro Stunde die Erfahrungswerte der Sporthalle der Stadt Wien, Wien 1110, Kaiser Ebersdorf, zugrunde zu legen.

6) Die Stadt hat dafür zu sorgen, daß der Bund die ihm eingeräumten Gebrauchsrechte auch tatsächlich ausüben kann.

7) Die Stadt verpflichtet sich, die Sporthalle und das mit ihr fest verbundene Inventar wie z.B. Kletterstangen, Ringe usw. sowie den Sportplatz in gutem und gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten.

8) Für die Einräumung des Gebrauchsrechtes gemäß Punkt V/1 leistet der Bund ein Entgelt von 11 Millionen Schilling, welches auf die Baukosten des Schulneubaues gemäß Punkt IV und im Rahmen der Mietzinszahlungen (Punkt VII) zu verrechnen ist.

9) Die Stadt gibt ihre ausdrückliche und unwiderrufliche Einwilligung, daß auf Grund dieses Vertrages im Lastenblatt der EZ 1099/II der KG Schwaz die Dienstbarkeit des Gebrauchs im Umfang dieses Vertrages gemäß Punkt V/1b, ....... desgleichen die Dienstbarkeit des Gebrauches nach Punkt Va zugunsten der Republik Österreich einverleibt wird.

10) Die Stadt kann auf Dauer des Bestehens von Bundesschulen in Schwaz dieses Gebrauchsrecht nicht aufkündigen, es sei denn, der Bund errichtet für seine Schulen eine eigene ausreichende Turn- und Spielanlage."

Im Punkt IX., zweiter Absatz dieses Vertrages erklärte die Stadt nochmals ihre ausdrückliche und unwiderrufliche Einwilligung, daß ob des genannten Grundbesitzes die Dienstbarkeit des Gebrauches in der Form, die Veräußerung und Belastung dieser Liegenschaft untersagen zu können

(§ 313 ABGB), für die Republik Österreich einverleibt werde.

Am wurde der Vertrag im Punkt V. Abs. 1 lit. b insofern ergänzt, als danach der Bund diesen seinen Gebrauch nach Art eines Mieters ausübt und die Stadt die Rechte und Pflichten eines Vermieters im Sinne des Mietengesetzes besitzt.

Die belangte Behörde beurteilte diesen Vertrag bei der im Instanzenzug erfolgten Festsetzung der Umsatzsteuer für die Streitjahre nicht als "Vermietung und Verpachtung von Grundstücken" durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1972. Da im anteiligen Gebrauch der Sporthalle (des Sportplatzes) durch den Bund auch kein "echter" Betrieb gewerblicher Art zu erblicken sei, wurde die Stadt insoweit nicht als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG 1972 angesehen und ihr auch der anteilige Abzug von auf die Errichtung der Sporthalle entfallenden Vorsteuern versagt. Der Abzug der in Rede stehenden Vorsteuern käme im übrigen auch deswegen nicht in Betracht, weil in den Streitjahren die Einnahmen aus der Überlassung des anteiligen Gebrauches der Sporthalle (des Sportplatzes) an den Bund in einem krassen Mißverhältnis zu den damit zusammenhängenden Ausgaben stünden.

Gegen den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid erhob die beschwerdeführende Stadtgemeinde zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof lehnte jedoch die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.

Die Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Die beschwerdeführende Stadtgemeinde erachtet sich in ihrem Recht auf richtige Berechnung der Umsatzsteuer für die Streitjahre verletzt. Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen in der Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, aus der sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergebe. Der Grundsatz der verfassungskonformen Interpretation verlange nämlich, § 2 Abs. 3 UStG 1972 so auszulegen, daß der Begriff der "Vermietung und Verpachtung von Grundstücken" nicht nur Bestandverträge, sondern auch Elemente eines Dienstbarkeitsvertrages enthaltende oder als solche zu qualifizierende Verträge umfasse, durch welche die Nutzung an einer Sporthalle (einem Sportplatz) überlassen werde. Bestand- und Dienstbarkeitsverträge seien wegen der rechtlichen Gleichartigkeit und wirtschaftlichen Affinität hinsichtlich der Unternehmereigenschaft der in Bestand gebenden bzw. eine Dienstbarkeit einräumenden Körperschaft öffentlichen Rechts zwei aus der Sicht des § 2 Abs. 3 UStG 1972 gleichartige Fälle. Dies gelte im Beschwerdefall umso mehr, als nach der oben erwähnten Vertragsergänzung vom der Bund berechtigt sei, seinen Gebrauch nach der Art eines Mieters auszuüben und die beschwerdeführende Stadtgemeinde die Pflichten eines Vermieters zu erfüllen habe. Jedenfalls im Hinblick auf den konkreten Vertrag bestehe keinerlei wie immer geartete sachliche Rechtfertigung, diesen Vertrag mit seinen Auswirkungen auf die Unternehmereigenschaft der beschwerdeführenden Stadtgemeinde anders zu behandeln, als wenn mit dem Bund (mit bloß marginalen Unterschieden hinsichtlich dessen dinglicher Absicherung) ein Bestandvertrag abgeschlossen worden wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 Abs. 3 UStG 1972 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 410/1988 lautet wie folgt:

"(3) Die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1966) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Als Betriebe gewerblicher Art im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten jedoch stets Wasserwerke, Schlachthöfe, Anstalten zur Müllbeseitigung, zur Tierkörpervernichtung und zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen SOWIE DIE VERMIETUNG UND VERPACHTUNG

VON GRUNDSTÜCKEN DURCH ÖFFENTLICH-RECHTLICHE KÖRPERSCHAFTEN."

Anders als noch im Verwaltungsverfahren behauptet die beschwerdeführende Stadtgemeinde hinsichtlich des dem Bund anteilig eingeräumten Gebrauches an der Sporthalle (am Sportplatz) nicht mehr das Vorliegen eines "echten" Betriebes gewerblicher Art im Sinne des § 2 KStG 1966; dies offenbar auch deswegen mit Recht, weil die Tätigkeit der beschwerdeführenden Stadtgemeinde nach Darstellung in der Beschwerde bloß der eines Vermieters gleicht, also keinen betrieblichen Charakter aufweist.

Die beschwerdeführende Stadtgemeinde bestreitet nicht, daß für die Lösung der Frage, ob Vermietung oder Verpachtung eines Grundstückes vorliegt oder nicht, die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes maßgebend sind (vgl. hiezu Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer II, Tz 478 zu § 2, und die dort bezogene Rechtsprechung zu § 4 Abs. 1 Z. 10 UStG 1959). Unbestritten ist ferner, daß nach zivilrechtlicher Lehre und Judikatur zwischen Bestandverträgen einerseits und Dienstbarkeitsverträgen andererseits zu unterscheiden ist. Es handelt sich um zwei verschiedene Vertragstypen (vgl. z.B. Würth in Rummel, ABGB I2 Rz 8 zu § 1090 ABGB). Die beschwerdeführende Stadtgemeinde meint jedoch, der im § 2 Abs. 3 UStG 1972 enthaltene Begriff "Vermietung und Verpachtung von Grundstücken" sei deswegen "weit" auszulegen, sodaß er auch Dienstbarkeitsverträge über Grundstücke erfasse, weil andernfalls diese Bestimmung gegen den Gleichheitsgrundsatz verstieße. Es bestehe keine sachliche Rechtfertigung, Verträge je nach Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Vertragstype im Umsatzsteuerrecht unterschiedlich zu behandeln.

Dieser Rechtsansicht der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Zwar trifft es zu, daß zwischen den in Rede stehenden Vertragstypen Gemeinsamkeiten bestehen, dies rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, § 2 Abs. 3 UStG 1972 verstieße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn lediglich die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, nicht aber die Einräumung von Dienstbarkeiten an Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften als Betriebe gewerblicher Art fingiert wird. Auszugehen ist nämlich davon, daß die entgeltliche Nutzung von Grundstücken auch außerhalb der erwähnten Vertragstypen zivilrechtlich gültig vereinbart werden kann (etwa durch Nutzungsverträge eigener Art, sogenannte Innominatverträge), es aber INNERHALB des rechtspolitischen Spielraumes des Gesetzgebers liegt, alle oder auch nur einzelne zivilrechtliche Vertragstypen mit der Rechtsfolge auszustatten, daß ein darunter fallender Vertrag im Umsatzsteuerrecht als Betrieb gewerblicher Art gilt. Ein Exzeß, um dessentwillen die von der beschwerdeführenden Stadtgemeinde für richtig gehaltene "weite" Gesetzesauslegung verfassungsrechtlich geboten erschiene, liegt nicht vor.

Die der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vorschwebende Auslegung erscheint ferner dadurch ausgeschlossen, daß zwar im § 10 Abs. 2 Z. 5 UStG 1972 der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken etc. unter anderem die Überlassung der Nutzung an Wohnungen, Geschäftsräumen und anderen Räumlichkeiten auf Grund von Nutzungsverträgen an die Seite gestellt ist, im Gegensatz hiezu im § 2 Abs. 3 leg. cit. aber nur von der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken die Rede ist; dies läßt erkennen, daß der Gesetzgeber die verschiedenen zivilrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, eine Nutzung von Grundstücken gegen Entgelt zu gestatten, vor Augen hatte, davon aber im Rahmen des § 2 Abs. 3 UStG 1972 nur eingeschränkt Gebrauch machen wollte.

Der im Beschwerdefall zu beurteilende Vertrag enthält auch "in concreto" vor allem wegen der Begründung eines dinglichen Rechtes für den Bund die Merkmale eines Dienstbarkeitsvertrages. Daran ändert selbst die "Vertragsergänzung" vom nichts.

Da der beschwerdeführenden Stadtgemeinde schon mangels insoweit gegebener Unternehmereigenschaft der von ihr begehrte Vorsteuerabzug nicht zukommt, erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich diese Rechtsfolge aus Gründen der "Liebhaberei" ebenfalls ergeben hätte.

Da sohin dem angefochtenen Bescheid weder die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch auch ein vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen aufzugreifender wesentlicher Verfahrensmangel anhaftet, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Von der Durchführung der von der beschwerdeführenden Stadtgemeinde beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.